zum Hauptinhalt
Leroy Sane in Aktion.

© REUTERS

Fußball-Länderspiel: Die Nationalelf und der halbe Neuanfang

Ein Neuanfang sollte es werden. Doch die deutsche Nationalmannschaft kommt im ersten Länderspiel des Jahres erst nach der Pause richtig in Schwung.

Die neue Zeit war gerade sieben Minuten alt, als sich auf der Nordtribüne der Wolfsburger Arena etwas regte. Eine Trommel war zu hören, und eine Handvoll Fans fing zu deren Rhythmus an zu singen: „Olé, super Deutschland, olé.“ Eine Minute versuchten sie, den Rest des Stadions zum Mitmachen zu animieren. Auf dem Rest der Ränge regte sich: nichts. Von super Deutschland kann bei der Fußball-Nationalmannschaft noch keine Rede sein. Bundestrainer Joachim Löw hatte am Tag vor dem Testspiel gegen Serbien davon gesprochen, dass es auf dem Weg der notwendigen Erneuerung auch Rückschläge geben könne. Das Schlimmste konnte seine Mannschaft dank einer Leistungssteigerung nach der Pause und vor allem dank der Einwechslung von Marco Reus immerhin verhindern. 1:1 (0:1) endete für die Deutschen das erste Länderspiel des Jahres.

Der komplette Stimmungsumschwung blieb aus. Von Aufbruch war im Stadion lange wenig zu spüren. Vor der Pause erinnerte der Geräuschpegel in der Arena eher an eine Abiturklausur als an ein Fußballspiel. Beim Bingo-Nachmittag im Altenheim ist definitiv mehr Stimmung. Zum ersten Mal richtig laut wurde es, als der Schiedsrichter die Halbzeit beendete: Von den Rängen kamen wütende Pfiffe.

Der Torhüter siegt

In vier Tagen steht für die Nationalmannschaft das ungleich wichtigere Spiel in Amsterdam an. Bundestrainer Löw hatte sich gegen die Variante entschieden, die mutmaßlich beste Mannschaft aufzubieten, damit sie sich für Auftakt der EM-Qualifikation gegen Holland einspielen könne. Toni Kroos und Marco Reus zum Beispiel saßen zunächst nur auf der Bank. Dafür kam der Leipziger Lukas Klostermann zu seinem Länderspieldebüt. Niklas Stark von Hertha BSC und der Bremer Maximilian Eggestein, die weiteren Neulinge in Löws Kader, wurden am Mittwoch nicht eingewechselt.

„Es war schade, dass wir so früh in Rückstand geraten sind. Man hat gemerkt, dass die Automatismen in der ersten Halbzeit nicht so funktioniert haben. In der zweiten Halbzeit hat die Mannschaft ein sehr gutes Signal ausgesendet. Am Ende fehlte die Konsequenz im Abschluss. Mit der Mentalität der Mannschaft und dem Druck in der zweiten Halbzeit war ich zufrieden“, sagte Löw. Torschütze Goretzka sah es ähnlich, merkte aber auch an. „Es war zu wenig. Wir müssen mehr aus unseren Torchancen machen. Bei den Spielanteilen sollten wir schon gewinnen“, haderte Goretzka und blickte auf das nächste Spiel: „Gegen Holland braucht man keine Extra-Motivation.“

Die Nationalmannschaft begann am Mittwochabend so, wie es Bundestrainer Löw gefordert hatte: dynamisch und zielstrebig. 46 Sekunden dauerte es, bis Klostermann seinen ersten Torschuss als Nationalspieler abgab – der Ball wurde zur Ecke abgelenkt. Kurz darauf kam Kai Havertz aus zentraler Position im serbischen Strafraum zum Abschluss, der Leverkusener konnte  den Ball aber nicht ausreichend platzieren.

Das Bemühen war der deutschen Mannschaft bis zum Schluss nicht abzusprechen. Nach hinten machten alle fleißig mit, nach vorne aber fehlte es gegen eine gute serbische Defensive lange an Ideen und Kreativität. Viel Ballbesitz, wenig Ertrag: Das sah vor der Pause noch arg nach der alten Nationalmannschaft aus. Die Serben hingegen zeigten das, was Löw eigentlich von seinem Team hatte sehen wollte. Die Gäste zeichneten sich durch große Entschlossenheit im Spiel nach vorne aus – wenn sie denn mal nach vorne spielten.

Serbien sieht Rot

Ihre Führung aber kam etwas glücklich zustande. Nach einer Ecke köpfte Joshua Kimmich einen Serben an, von dessen Oberkörper landete der Ball genau bei Luka Jovic, der wenig Mühe hatte, Manuel Neuer im Tor zum 1:0 zu überwinden. Bei zwei Konterchancen hatten die Deutschen mehr Glück: Einmal konnte Klostermann gerade noch vor dem Frankfurter Jovic klären, und kurz vor der Pause setzte Adem Ljajic den Ball freistehend aus elf Metern über die Latte. Auf der anderen Seite hatte der fahrige Timo Werner kurz zuvor die große Chance zum Ausgleich vergeben, als er aus vier Metern an Torhüter Marko Dmitrovic scheiterte.

Zur zweiten Hälfte brachte Löw nicht nur Torhüter Marc-André ter Stegen für Manuel Neuer, sondern vor allem Marco Reus. Mit dem Dortmunder kam deutlich mehr Stringenz ins deutsche Spiel und auch der Spaß zurück. Reus hatte nach gut einer Stunde die erste gute Chance nach der Pause, scheiterte aber an Dmitrovic. In der Folge wurden die Deutschen zwingender. Leroy Sané köpfte den Ball in die Arme des serbischen Torhüters. Kurz darauf umkurvte Ilkay Gündogan, nach Neuers Auswechslung neuer Kapitän des Teams, Dmitrovic, doch Nemanja Maksimovic kratzte den Ball gerade noch von der Linie. Reus und Gündogan waren es schließlich auch, die in der 69. Minute den Ausgleich vorbereiteten.

Nach einer Balleroberung des guten Gündogan legte Reus den Ball zum eingewechselten Leon Goretzka zurück, der aus 15 Meter zum 1:1 traf. Es hätte sogar noch wesentlich besser kommen können. Kurz vor Schluss spielten die Deutschen noch mit einem Mann mehr, weil Serbiens Milan Pavkov in der Nachspielzeit nach einem üblen Foul an Sané vom Platz flog. Sie hatten auch so zumindest genügend Chancen für einen Sieg – die Serben an diesem Abend aber mit Marko Dmitrovic einen überragenden Torwart.

Zur Startseite