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Florian Elias hat in Mannheim einen Stammplatz. Bruder Moritz (16) spielt in Nürnberg.

© imago images/Eibner

Nachwuchsspieler sitzen oft draußen: Im deutschen Eishockey spielt die Eitelkeit Powerplay

Die Klubs der Deutschen Eishockey-Liga wollten eigentlich auf junge Spieler setzen – nun greifen aber doch alte Mechanismen.

Es war im übertragenen Sinne eine Text-Bild-Schere. Drei junge Kölner Spieler wurden vor dem Auftritt der Haie gegen die Grizzlys Wolfsburg für ihre tollen Auftritte bei der U-20-Weltmeisterschaft geehrt. Und dann durften sie im folgenden Spiel der Deutschen Eishockey- Liga (DEL) – zuschauen.

Maximilian Glötzl und Simon Gnyp hatten es als Verteidiger nicht ins Aufgebot des DEL–Teams geschafft, Luca Münzenberger will an ein College in Nordamerika wechseln. Passend dazu lief die Veranstaltung unter dem Motto „Tag der Junghaie“.

Die Saison im deutschen Profieishockey läuft als Geisterspielsaison bislang sportlich ordentlich, fast schon zu normal. Denn obwohl es an sich in der Pandemie-Spielzeit vor allem laut den Gesellschaftern darum gehen sollte, die Liga am Leben zu halten, greifen schon nach wenigen Wochen die altbekannten Mechanismen des Geschäftes.

Alle 14 Klubs haben im laufenden Betrieb jetzt erfahrenes Personal aus dem Ausland nachverpflichtet. Die zu Saisonbeginn von vielen postulierte Parole, dass es das Jahr sei, in der sich junge Spieler profilieren können, ist schnell verpufft. Die Saison wird immer weniger zu einer Investition in die Zukunft als ein finanzielles Abenteuer.

Ob nun Zach Boychuk (Berlin), Pekka Jormakka (Wolfsburg) oder ein Landon Ferraro (der angeblich in Köln kaum etwas verdient) – das sind im Januar in die Liga gewechselte gestandene Profis, die jungen deutschen Spielern vor die Nase gesetzt werden und deren Chancen ihre Integration in den Profibetrieb schmälern – in einer Saison, in der die jungen Spieler, so weit sie keine Kaderspieler sind, nicht einmal trainieren können und in ihrer Entwicklung wertvolle Zeit verlieren.

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Steffen Ziesche, Bundestrainer der U-18-Nationalmannschaft und Co-Trainer des U-20-Teams bei der jüngsten WM, ist angesichts der Entwicklung „verwundert“, wie er sagt. „Die Jungs haben doch bei der U-20-WM gezeigt, was sie können. Wenn sie nicht jetzt die Chance in der DEL bekommen, wann dann?“

Es wird aber vor allem auf den Erfolg geschielt und Geld ausgegeben in einer Situation, in der sich nicht viel verdienen lässt. Die Grundregel in der DEL, dass mehr Erfolg mehr Zuschauer und damit mehr Geld bringt, greift in dieser Saison nicht. Was jetzt passiere, sei vor allem dem „Egoismus“ und der „Eitelkeit“ einzelner Manager geschuldet, glaubt ein ehemaliger Funktionär aus der Liga, der sich dazu nicht namentlich äußern möchte.

Er sieht die DEL zur kommenden Spielzeit auf eine finanzielle Katastrophe zusteuern, gerade jetzt sei sinnvolles Wirtschaften angesagt. Das mit den Spätverpflichtungen könnte auch noch zunehmen, wenn die Saison in der American Hockey-League (AHL), der stärksten nordamerikanischen Liga unterhalb der NHL, am 5. Februar beginne, dann würde sicher noch nachgelegt, mit Spielern, die dann auf den Markt kommen.

Nachgelegt für Erfolge, die wenig brächten, findet auch Steffen Ziesche vom Deutschen Eishockey-Bund (DEB): „Alle Welt redet von finanziellen Problemen und davon, dass keine Besserung in Sicht sei. Da machen doch solche Verpflichtungen keinen Sinn.“

Große Unterschiede in der Philosophie der Klubs

Sicher lassen sich aber nicht alle Teams der Liga gleichsetzen, in Köln etwa spielen, trotz der unglücklichen Episode mit den drei Junghaien, immerhin 17 Profis, die schon mal im Kölner Nachwuchs unterwegs waren. Mit Colin Ugbekile (20 Jahre) und Fredrik Tiffels (24) trafen beim 2:1gegen Wolfsburg auch zwei Ex-Junghaie. Und in Nürnberg, abgeschlagener Letzter in der Südgruppe der in dieser Saison zweigeteilten DEL, spielt mit Moritz Elias sogar ein 16 Jahre alter Stürmer, der andernorts sicher ein Jahr pausieren müssten.

Zum Beispiel in Bremerhaven, bei den Fischtown Pinguins setzen sie weiterhin auf eine internationale Auswahl fast ohne deutsche Spieler und verpflichteten kürzlich den US-Amerikaner Tye McGinn nach, für den ein Däne auf die Tribüne musste. Anscheinend ein Erfolgsmodell, denn Bremerhaven ist mit seiner Weltauswahl Tabellenführer der Nordgruppe.

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Und zumindest als eine Art Plasmaexpander hilft das Team der Liga ja weiter, die jungen Spieler der anderen Mannschaften können sich an der Mannschaft bestehend Profis aus Übersee, Slowenien, Skandinavien und Tschechien messen.

Das sieht Steffen Ziesche allerdings anders. Würden alle Klubs so arbeiten wie Bremerhaven, bekäme die Nationalmannschaft ernsthaft Probleme ihr Niveau zu halten, glaubt der Trainer.

Alle reißen sich um Draisaitl

Und das deutsche Eishockey, das spätestens seit Leon Draisaitl mehr Öffentlichkeit genießt, wäre wohl kaum noch die Rede wert: Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Zach Boychuk, der Neue von den Eisbären, so viel Werbung für die Sportart im Lande machen kann, dass sich kommenden Sommer alle von Markus Lanz bis Stern TV um ihn als Studiogast reißen wie bei Draisaitl.

Allerdings lässt sich auch argumentieren, dass es auf die Mischung ankommt. „Gute Ausländer machen deutsche Spieler besser“, hat TV-Kommentator Rick Goldmann schon oft gesagt. Und Kölns Trainer Krupp sagte zum Beispiel im Interview mit dem Tagesspiegel, das Spiele für junge Spieler gegen erfahrene Spieler auch frustrierend sein könnten und nicht immer zu einer guten Entwicklung beitragen müssten. Wenn das Verhältnis stimmt, was abseits von Bremerhaven in den meisten Klubs der Fall ist. Noch.

Ein junger Ex-U-Nationalspieler wie Nino Kinder, der seine Position in Berlin nun wohl an Zach Boychuk abtreten muss, könnte das allerdings anders sehen.

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