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Voll daneben. Unions Michael Parensen (l.) verliert Ball und Gegner Dodi Lukebakio aus den Augen. Er und sein Team gaben insgesamt ein unglückliches Bild ab.

© dpa

Nach der deutlichen Niederlage im Derby: Den 1. FC Union Berlin holt der Abstiegskampf ein

Vier von fünf Spielen gingen zuletzt verloren. Union muss sich nach der Klatsche im Olympiastadion mit dem Abstiegskampf beschäftigen.

Normalerweise lässt sich Urs Fischer selten aus der Ruhe bringen, ob bei Sieg oder Niederlage. An diesem Wochenende aber konnte auch der sonst so sachliche und gelassene Schweizer seine Enttäuschung kaum verbergen. „Auch gegen Halberstadt wirst Du bestraft, wenn Du diese Fehler machst“, schimpfte er am Samstag über die Leistung seiner Mannschaft. Im Derby dann erst recht.

Solch einen schrecklichen Abend wie am Freitag hatte der 1. FC Union eigentlich nicht mehr erlebt, seitdem Fischer 2018 als Cheftrainer übernahm. Nach mehr als einem Jahr, in dem der Klub aus Köpenick wie im Traum von Höhepunkt zu Höhepunkt schwebte, kam mit dem 0:4 bei Hertha BSC der erste richtige Tiefpunkt seit langem. Plötzlich ist Union wieder am Boden, ist nicht mehr Stadtmeister, und steckt vielleicht doch wieder im Abstiegskampf.

Dass die Mannschaft die viel bejubelte Vorherrschaft in Berlin so lustlos abgegeben hat, war für Union eine ohnehin bittere Pille. Zwar hatten sich die Köpenicker nie ernsthaft als erste Kraft in der Hauptstadt gesehen, aber noch nie wurden sie auf ihre Außenseiterrolle so sehr reduziert wie am Freitag. „Hertha war einfach besser“, sagte Stürmer Sebastian Andersson. Man orientiere sich nun „klar nach unten“, fügte Grischa Prömel hinzu.

Das, was nach dem Derby kommt, könnte aber theoretisch noch schlimmer sein als das Debakel selbst. Wie Prömel sagt, geht der Blick jetzt zwangsweise gen Abstiegszone. Derzeit liegt Union noch sieben Punkte vor dem Relegationsplatz. Sollte Fortuna Düsseldorf am Sonntag gegen Köln gewinnen, wären es plötzlich nur noch vier.

Dieses Mal müssen sie es sogar ohne ihre Fans im Rücken schaffen

Umso wichtiger ist es, dass Union den Rückschlag schnell verarbeitet. Im Heimspiel gegen Mainz 05 am kommenden Mittwoch (20.30 Uhr) werde seine Mannschaft „eine Antwort geben“, sagte Fischer am Samstag. Der Klassenverbleib sei immer noch das „ambitionierte Ziel“, und davon ist Union noch ein paar Punkte entfernt. Die Duelle mit direkten Konkurrenten wie Mainz oder am letzten Spieltag gegen Fortuna Düsseldorf sind insofern doppelt wichtig.

Eigentlich hatten sich die Köpenicker schon sicher gefühlt. Am 24. Februar hatte Union ein 2:1 in Frankfurt gegen die Eintracht geschafft und belegte mit 29 Punkten den zehnten Platz. Der Klassenerhalt war, wie die Union-Fans früher über die Bundesliga sangen, „zum Greifen nah“. Seitdem haben die Köpenicker aber vier von fünf Spielen verloren, und dabei nur einen einzigen Punkt geholt.

„Ich habe immer wieder gesagt, dass 30 Punkte nicht reichen“, sagte Fischer am Freitagabend. Einfach werden die entscheidenden letzten Punkte jedenfalls nicht zu holen sein. Schon vor dem Hertha-Spiel hatte Fischer davon geredet, wie schwierig es sein kann, „den Sack zuzumachen“. Diese Erfahrung haben er und seine Mannschaft schon vergangenes Jahr gemacht, als sie von den letzten elf Zweitliga-Spielen nur zwei gewannen, und so den direkten Aufstieg knapp verpassten. Ähnlich schwer scheinen es sich die Unioner in dieser Saison zu machen. Und dieses Mal müssen sie es sogar ohne ihre Fans im Rücken schaffen.

Die mangelnde Unterstützung von den Rängen dürfe aber nicht zum Alibi werden, betonte Fischer: „Die Situation wird sich nicht ändern. Wir müssen uns selber pushen, selber unterstützen und selber aus dem Dreck ziehen, wenn wir in den Dreck fallen“, sagte der 54-Jährige. Außerdem sind Geisterspiele bei weitem nicht das einzige Problem. Die zuletzt viel besprochene Anfälligkeit bei Standards hat sich gegen Hertha wieder gezeigt, und auch darüber hinaus gab es Grund zur Sorge für Fischer und seinen Trainerstab.

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Für viele Union-Fans wird vor allem eine Szene vom Freitag schmerzhaft in Erinnerung bleiben: wie Publikumsliebling Michael Parensen beim ersten Tor Vedad Ibisevic aus den Augen verlor, und sich dann hoffnungslos hinter den Bosnier und den Ball warf. Doch weder an diesem Tor noch an dem nächsten war Parensen alleine Schuld. Generell gab es in den Abwehrreihen einige uncharakteristische Mängel an Organisation, und eine „Anhäufung von individuellen Fehlern“, wie Fischer es formuliert.

„Diese individuellen Fehler dürfen nicht geschehen“, sagte er. Seine Mannschaft müsse sich immer noch daran gewöhnen, dass „Fehler in der ersten Liga noch härter bestraft werden“.

Diese Erfahrung hat Union am Freitag auf brutale Art und Weise gemacht. Um sich wirklich daran zu gewöhnen, brauchen die Köpenicker vermutlich noch mindestens eine Saison mehr in der höchsten deutschen Spielklasse. Für Fischers Mannschaft geht es in den nächsten Wochen nur darum. Stadtmeister dürfen sie sich eh nicht mehr nennen. Aber wenn sie sich Ende Juni noch Bundesligist nennen dürfen, wird das alles nur halb so schlimm sein.

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