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In der Bundesliga spielte Boateng außer bei Hertha BSC auch bei Borussia Dortmund, Schalke 04 und Eintracht Frankfurt.

© König/Imago

Update

Nach 14 Jahren – die Rückkehr zu Hertha BSC: Kevin-Prince Boateng soll eine ähnliche Rolle wie Sami Khedira einnehmen

Hertha BSC fehlt es an Führungsfiguren. Der 34 Jahre alte Boateng soll eine werden bei dem Berliner Fußball-Bundesligisten.

Am Mittwochvormittag veröffentlichte Hertha BSC einen Tweet mit wenigen Worten: „Es ist so weit“. Die dazugehörige Collage zeigte unter anderem die Ostkurve des Olympiastadions, die Zahlen 030 für die Telefonvorwahl Berlins und jemanden mit Kapuzenpullover. Das Gesicht war nicht zu sehen, aber die Fans reagierten in den Kommentaren schnell: Es ging um Kevin-Prince Boateng.

Zuletzt hatte vieles darauf hingedeutet, dass die spektakuläre Verpflichtung unmittelbar bevorsteht und Boateng bald zum Medizincheck kommt. Eine offizielle Bestätigung für den Transfer gab es vom Verein am späten Nachmittag. Boateng ist ablösefrei, erhält einen Vertrag bis Sommer 2022.

„Hertha BSC ist nicht irgendein Klub für mich. Ich bin hier, um etwas zurückzugeben. Ich bin in all den Jahren viel rumgekommen und habe viel lernen können, aber all das, meine ganze Karriere, habe ich diesem Verein zu verdanken. Das habe ich nie vergessen, Hertha war immer in meinem Herzen“, wird Boateng in einer Mitteilung des Vereins zitiert.

Gut 14 Jahre ist es her, dass Boateng zum letzten Mal das Hertha-Trikot getragen hat. Am Ende einer sportlich unbefriedigenden Saison spielten die Berliner unter Trainer Karsten Heine bei Eintracht Frankfurt. Anfang der zweiten Halbzeit verunglückte Boateng beim Stand von 0:0 eine Flanke, doch der Ball nahm eine so eigenartige Flugkurve, dass er hinter Oka Nikolov im Tor landete. Hertha gewann letztlich 2:1.

Im Sommer danach, in dem zahlreiche große Talente den Klub verließen, landete er bei Tottenham Hotspur. Hertha bekam mehr als sieben Millionen Euro, eine seinerzeit ziemlich hohe Summe im deutschen Profifußball. Zuvor trat er verbal gegen die Vereinsführung nach – Manager Dieter Hoeneß giftete zurück.

Boateng galt früh als Skandalprofi

Es war das unschöne Ende einer Geschichte, die ganz anders hätte laufen sollen. Boateng – der Hochbegabte, Deutscher Meister mit der B-Jugend der Berliner, Gewinner der Fritz-Walter-Medaille für den besten Nachwuchsspieler, Torschütze des Monats – hatte das Gesicht für Herthas Zukunft werden sollen. Doch Boateng war neben seinem enormen Potenzial immer wieder durch Disziplinlosigkeiten aufgefallen, galt früh als Skandalprofi.

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Für ihn begann eine Fußball-Reise durch viele Länder, mit vielen Stationen. 13 sind es nach dem Weggang aus Berlin geworden. Oft war Boateng kein großer Erfolg beschieden. Sehr gut lief es dagegen besonders beim AC Mailand, dort wurde er 2011 Italienischer Meister, und bei Eintracht Frankfurt.

Nicht wenige hatten die von Sportvorstand Fredi Bobic initiierte Verpflichtung skeptisch beäugt. Doch Boateng hatte 2017/18 großen Anteil an der formidablen Saison der Eintracht, die im Gewinn des DFB-Pokals 2018 gipfelte. Obwohl er nur ein Jahr da war, haben ihn die Fans dort bis heute nicht vergessen.

Kevin-Prince Boateng war für die AC Monza am Ball.
Kevin-Prince Boateng war für die AC Monza am Ball.

© imago images/Buzzi

„Ich werde ins Stadion einlaufen als ein anderer Mensch im Vergleich zu meiner Zeit bei Hertha“, hat er vor dem Bundesligaspiel gegen seinen früheren Verein im Dezember 2017 gesagt. Aus Boateng, dem Hitzkopf, der sein Talent verschleudert, war Boateng der Führungsspieler geworden. Einer, der die Mannschaft mitreißt. Der sagt, wo es langgeht. Auch sein Bild in der Öffentlichkeit hat sich längst gewandelt. Aktuell ist er bei der EM als Experte für ARD tätig.

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Hertha BSC wäre in der vergangenen Saison fast abgestiegen. Das Ruder herumgerissen hat nach seinem Amtsantritt Ende Januar Trainer Pal Dardai. Eine wichtige Rolle kam dabei Sami Khedira zu. Als der Weltmeister von 2014 nach dem Klassenerhalt sein Karriereende ankündigte, gingen die lobenden Worte von Dardai und Sportdirektor Arne Friedrich weit über das hinaus, was an lobenden Worten für Spieler üblich ist, die einen Verein verlassen. Nur zu gern hätten sie Khedira ein weiteres Jahr bei Hertha BSC gesehen.

Nach dem Saisonende stellte Dardai dann offen fest: „In diesem Moment hat Hertha noch keine Mannschaft“, der Klassenerhalt sei unter den gegebenen Voraussetzungen „ein halbes Wunder“ gewesen. Hertha fehlen Führungsspieler, Boateng war in Frankfurt so einer, Bobic ist jetzt aus Frankfurt zu Hertha gekommen, nun holt Hertha Boateng. Der Kreis schließt sich.

Die Reaktionen bei den Fans waren schon zuvor in der Mehrzahl wohlwollend. Tenor: Da kommt ein Berliner Junge zurück, aufgewachsen auf den Bolzplätzen im Wedding. Er passe gut zum Verein, der weg will vom Image des großspurigen, mit Geld um sich werfenden Klubs. Weniger Big City, mehr Berlin. Aber es gab auch andere Stimmen: Da kommt ein 34-Jähriger, der in zahlreichen Vereinen nicht viel gerissen hat. Der zuletzt mit der AC Monza den Aufstieg in die erste italienische Liga verpasst hast.

Bei Eintracht Frankfurt war Boateng topfit

Ob er in körperlicher Hinsicht ähnlich drauf ist, wie zu Frankfurter Zeiten, bleibt abzuwarten. Zudem verfügt Hertha im Mittelfeld über ein großes Angebot an Spielern. Von seiner Vita ist Boateng nicht mit – dem ebenfalls 34 Jahre alten – Khedira vergleichbar.

Es gibt allerdings auch nur eine sehr überschaubare Anzahl an Spielern, die mit dessen Erfolgen mithalten können. Schon bei Khedira ging die Wertschätzung weit über das hinaus, was er aufgrund von Verletzungen in den Spielen zu leisten imstande war. Er war vor allem außerhalb des Platzes eine entscheidende Figur. „Prince ist mit seinen Führungsqualitäten in der Kabine und abseits des Platzes ein enormer Gewinn für unsere Mannschaft, auf dem Rasen hat er sich über viele Jahre auf höchstem Level bewiesen. Das Gesamtpaket bei diesem Transfer stimmt absolut“, sagt Bobic nun über Boateng.

Dass er gern zurückkehren und es bei Hertha noch einmal wissen will, hatte dieser schon in der Vergangenheit geäußert. Außerdem kennen ihn Friedrich, Dardai und Co-Trainer Andreas Neuendorf gut aus gemeinsamen Zeiten auf dem Rasen. Bald anderthalb Jahrzehnte sind seit Boatengs Abgang im Streit vergangen.

Das ist gerade im Profifußball eine richtig lange Zeit, in der sich sehr viel verändern kann. Und so sagte der damalige Manager Hoeneß jüngst in der „Bild“-Zeitung: „Kevin hat alles für einen Führungsspieler. Er war bei vielen großen Vereinen, ist gereift und fußballerisch absolut sensationell. Er wäre eine absolute Bereicherung für Hertha.“

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