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Nicht zu fassen. Das Team um Christian Prokop steigerte sich enorm, doch es reichte nicht.

© Imago/Kessler

Mutmaßliches EM-Aus gegen Kroatien: Den deutschen Handballern fehlt ein Führungsspieler

Das deutsche Team spielte gegen Kroatien wie ausgewechselt. Trotzdem muss sich Bundestrainer Christian Prokop Kritik gefallen lassen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph Dach

War das tatsächlich die gleiche Handball-Nationalmannschaft wie noch vor einer Woche, die ein paar Millionen Deutsche an den TV-Geräten und einige tausend in der Wiener Stadthalle am späten Samstagabend zu sehen bekommen haben?

Während der EM-Vorrunde in Trondheim ist ja mitunter der Eindruck entstanden, dass manch Nominierter besser in der Körperwelten-Ausstellung aufgehoben gewesen wäre, die im Moment in der österreichischen Hauptstadt zu sehen ist. So lust-, plan- und emotionslos hatte sich das Team von Bundestrainer Christian Prokop präsentiert.

Im zweiten Hauptrundenspiel der Europameisterschaft gegen Kroatien war davon nichts mehr zu sehen, die DHB-Auswahl wirkte in jeder Hinsicht wie ausgewechselt. Prokop lobte sein Team im Nachgang der 24:25-Niederlage, die weitreichende Konsequenzen hat.

Durch die zweite Pleite im fünften EM-Spiel besitzen die Deutschen nur noch sehr theoretische Chancen, das Halbfinale des Drei-Länder-Turniers am kommenden Freitag in Stockholm zu erreichen. „Wir haben vorbildlich gekämpft und alles reingehauen, Kompliment an meine Mannschaft“, sagte der Bundestrainer, „am Ende hat uns vielleicht ein bisschen die Cleverness gefehlt.“

Deutschland brachte Kroatien mit Fehlern zurück ins Spiel

Der Analyse war ebenso wenig zu widersprechen wie dem berechtigten Einwand, dass Prokop vor der EM mehr als ein halbes Dutzend verletzter Rückraumspieler ersetzen musste. Ein paar Kritikpunkte muss sich der Bundestrainer trotzdem gefallen lassen: dass die Kroaten beim Stand von 16:11 im Grunde erledigt waren etwa. Dass die Mannschaft von Trainerlegende Lino Cervar in dieser Phase bereits damit begonnen hatte, sich gegenseitig zu beschimpfen und an den Kragen zu gehen.

Oder zum Beispiel, dass sie nur durch eklatante Fehler der Deutschen überhaupt wieder zurück ins Spiel fand. Dass in der Schlussphase ein klarer Plan in der Offensive fehlte, ein echter Chef, der im Zweifelsfall irgendeine Lösung aus dem Hut zaubert. Die Führungsspieler-Debatte verfolgt die Handball-Nationalmannschaft schon seit längerer Zeit. Aber gehört es nicht auch zu den Kernaufgaben eines Bundestrainers, einen solchen Spieler heranzuziehen und aufzubauen? Prokop bekleidet sein Amt ja mittlerweile seit zweieinhalb Jahren.

Das mutmaßliche Aus ist für den DHB besonders bitter, weil der Weg ins Halbfinale und womöglich sogar darüber hinaus im Falle eines Sieges gegen Kroatien frei gewesen wäre. Mit Frankreich und Weltmeister Dänemark haben zwei hochgehandelte EM-Favoriten bereits in der Vorrunde die Heimreise angetreten. Für den Rest des Feldes sind die Aussichten auf einen etwaigen Medaillenplatz dadurch garantiert nicht schlechter geworden.

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