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Auf der Strecke. Die Argentinische Allee in Berlin-Zehlendorf.

© Thilo Rückeis

Mit dem Rad zur Arbeit: Der Weg ist die Erholung

15 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit fahren? Das kann stressig sein – und eintönig. Ein paar Ideen gegen die Monotonie auf der Strecke.

Ich fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit. Gerne und fast jeden Tag. Mehr im Sommer, weniger, aber immer mehr auch im Winter. Das ist ja an sich noch nichts Außergewöhnliches, fand ich bis vor ein paar Jahren. Da wohnte ich noch im Hansaviertel und der Weg zum Tagesspiegel am Askanischen Platz war angenehm und überschaubar. Es ging schwupps durch den Tiergarten, Luftholen auf schönen Parkwegen ohne Autos und mit viel Natur: 14 Minuten für vier Kilometer. Selten dauerte das auch nur eine halbe Minute länger.

Als wir dann aber nach Zehlendorf umzogen, trauerte ich Traumstrecke und Traumzeit nicht lange hinterher. Ich fuhr weiter, obwohl es nun knapp 15 Kilometer bis zum Büro in Kreuzberg waren. Die Anfahrtszeit verdreifachte sich und die Strecke stellt nun ganz andere Ansprüche an Rad und Fahrer: Mehr Straße, schlechtere Radwege. Dafür erlebe ich Tag für Tag eine wundersame Verwandlung: Auf der Hinfahrt, vom Randbezirk in den Kernbezirk, wächst die Stadt mit jedem Kilometer, werden die Gebäude entlang des Weges und die Hektik immer größer. Auf dem Rückweg wird es immer grüner und ruhiger. Das hat zum Feierabend etwas sehr Beruhigendes. Ich fahre quasi in die Entspannung. Wenn ich zu Hause bin, ist aller Stress weit weg.

Natürlich hat so ein Arbeitsweg ein großes Manko. Die Eintönigkeit. Je öfter man ihn fährt, desto stärker nutzt er sich ab. Aber dagegen gibt es ein Rezept: Die Route wechseln. Ich entscheide mich meist erst auf der Fahrt, wo es langgeht. Manchmal lasse ich sogar eine rote Ampel für mich entscheiden, welchen Weg ich einschlage. Und dann teste ich häufig kleine Variationen und Abzweigungen. Dafür nehme ich in Kauf, dass es mal fünf Minuten länger dauert. Auf Zeit fahre ich schon lange nicht mehr, die Uhr war in den Anfangszeiten meine Motivation. Ich ließ immer eine Stoppuhr mitlaufen, 37 Minuten war die Bestzeit. Nach einem Rippenbruch und einem weiteren Unfall habe ich mit dem Unfug aufgehört. Heute brauche ich vielleicht 45 Minuten, bin weniger verschwitzt und weniger gestresst, wenn ich im Büro ankomme. Ich habe dann zwar nicht (wie in der S-Bahn) schon alles gelesen, was in der Welt passiert ist, und sämtliche Mails beantwortet – aber dafür habe ich ein besseres Körpergefühl und mehr geistige Frische, um bei der Arbeit richtig Fahrt aufzunehmen.

Dieser Text stammt aus dem neuen Magazin „Tagesspiegel Radfahren 2019/2020", erhältlich am Kiosk oder direkt im Tagesspiegel Shop.

Eine Fahrradtour mit der ganzen Familie entlang der Panke aus dem neuen Heft gibt es hier.

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