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Am Montag nun startet das Projekt „Tennis macht Schule“, Ein Unternehmen stellt jährlich einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag dafür bereit.

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Millionen-Investment für Schulen: „Wir wollen Tennis zum Volkssport machen“

Der frühere Profi Markus Zoecke und der Unternehmer Adam Szpyt über ein Schul-Projekt, das Tennis wieder groß machen soll.

Herr Szpyt, Herr Zoecke: Warum sollte gerade jetzt, in Zeiten der Pandemie, Tennis Schule machen?

Adam Szpyt: Ich glaube, es passt jetzt einfach ganz gut. Tennis ist ja eine Distanzsportart, im Gegensatz zu vielen Mannschaftssportarten beispielsweise. Man kommt sich beim Tennis nicht zu nahe und kann sich da ja gar nicht anstecken. Wobei wir natürlich alle hoffen, dass sich die Lage durch Testungen und Impfungen alsbald bessert.

Markus Zoecke: Tennis soll ganz unabhängig von der momentanen Lage Schule machen. Das ist unsere Intension. Neben Tischtennis und Badminton ist Tennis das, was geht, auch unter Pandemiebedingungen. Natürlich lässt uns Corona nicht kalt. Wir wollen ja auch, dass die Kinder sich körperlich ertüchtigen.

Zumindest bleiben die Schulen in Berlin für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren zunächst ja auch offen.

Zoecke: Genau. Und daher werden mit der Auslieferung unseres Equipments an die Schulen am Montag auch beginnen. Täglich gehen dann 30 bis 40 dieser roten Tonnen raus. Das heißt, in sechs oder acht Arbeitstagen sind alle beliefert.

Adam Szypt ist in Stettin geboren, hat an der UdK Gesellschaft und Wirtschaftskommunikation studiert.
Adam Szypt ist in Stettin geboren, hat an der UdK Gesellschaft und Wirtschaftskommunikation studiert.

© imago images/Beautiful Sports

Was genau steckt in so einer Tonne drin?

Zoecke: In einer Tonne sind zwölf Tennisschläger, etwa 100 Bälle, vier Kleinfeld-Netze und die Linienmarkierungen. Das alles ist relativ simpel gehalten, das Netz hat ein Stecksystem und ist daher leicht aufzubauen. Dazu gibt es einen Leitfaden, was man alles machen kann, um ein Gefühl für den Schläger und den Ball zu bekommen. Leider ist es uns momentan nicht möglich, Lehrer einzuladen, weil es keine Präsenzschulungen geben darf. Aber das werden wir jetzt per Video machen.

Und wie kommen die Tonnen an die Schulen, sie werden ja sicher nicht von der BSR ausgeliefert?

Markus Zoecke: Wir haben einen Dienstleister, der 20 Tonnen in einen Transporter lädt und ausfährt.

Ex Davis-Cup-Spieler Markus Zoecke will der Sportart etwas zurückgeben.
Ex Davis-Cup-Spieler Markus Zoecke will der Sportart etwas zurückgeben.

© imago

Und Ihre Firma bett1, Herr Szpyt, bezahlt das alles. Wie viel lassen Sie sich ihr Tennis-Engagement eigentlich kosten?

Szpyt: Wenn wir das ganzheitlich sehen, sind wir bei einem zweistelligen Millionen-Euro-Betrag pro Jahr. Wenn man es richtig machen will, und das wollen wir, muss man mit einem starken Druck reingehen, in jeglicher Hinsicht. Wir haben im vorigen Jahr zwei ATP-Turniere organisiert in Köln, dazu die bett1aces in Berlin und in diesem Jahr endlich die bett1open im Steffi-Graf-Stadion. Und das machen wir jetzt die nächsten Jahrzehnte. Das hört sich vielleicht komisch an, aber anders geht es nicht. Und für uns bedeutet das eben auch Nachwuchsförderung. Sie sehen ja, was wir in der TV-Werbung machen. Andere kleckern, wir geben deutlich mehr aus. Tennis in Deutschland zum Volkssport zu machen, das ist unsere Zielsetzung.

Hat die Coronakrise denn einen Bogen um Ihr Unternehmen gemacht?

Szpyt: Wir sind davon nicht so betroffen, wir sind betroffen von anderen Faktoren. Der Markt, in dem wir uns bewegen, ist hart umkämpft. Bei uns läuft das Geschäft gut, wir bieten nach wie vor die meistgekaufte Matratze an und wir wollen expandieren. Auch über Tennis. Das ist gut angelegtes Geld.

Gab es im Unternehmen keine Widerstände gegen Ihr Tennis-Engagement?

Szpyt: Überhaupt nicht. Wir fragen unsere Mitarbeiter auch, die meisten finden das toll.

Wie ist denn die Resonanz auf „Tennis macht Schule“ bisher?

Zoecke: Von den rund 400 Grundschulen in Berlin machen etwa 200 mit. Es gibt kein vergleichbares Projekt an Schulen, welches vom Start weg 50 Prozent Teilnehmer hatte. Einige Schulleiter haben geschrieben, dass sie immer schon mal Tennis spielen lassen wollten, aber sie hatten das Equipment nicht. Warum nicht? Klar, weil es teuer ist. Dann habe ich Post von einer Sportlehrerin erhalten. Da sind 800 Schülerinnen und Schüler an einer Brennpunktschule, sie hat gefragt, ob sie vielleicht zwei Tonnen haben könnte. Und dass sie das toll findet, dass Kinder, die selten die Chance hätten, mal Tennis zu spielen, jetzt eine Gelegenheit bekommen. Selbst der traditionsreiche Rochusclub in Düsseldorf hat gefragt, ob er so eine Tonne haben kann. Also, es schlägt Wellen. So einfach die Idee ist, hatte es eine Initialzündung gebraucht, und jemanden, der diese Idee eben trägt. Wir haben das Glück mit bett1 und durch die Unterstützung vom Senat, dass wir Tennis nun an die Schulen bringen können.

Ähnliche Aktionen unternahm das Tennis schon vor ziemlich genau 50 Jahren. Es kam damals in die Schullehrpläne, 1986 wurde Tennis in die „Jugend-trainiert-für-Olympia“-Bewegung aufgenommen. Ohne durchschlagenden Erfolg. Was macht Sie sicher, dass es jetzt klappt?

Zoecke: Es ist nicht damit getan, dass wir eine Tonne in die Schule schicken, dann steht die da in einer Ecke. Wir werden uns darum kümmern, Vereine, der Verband, ich selber werde mich darum kümmern. Zur Erinnerung: Wir hatten damals die schweren Holzknüppel und Bälle, die uns über den Kopf gesprungen sind. Das ist heute anders. Mit kleineren Schlägern, die dem kleinen Körper angepasst sind, mit den unterschiedlichsten Ballhärten, dass die Bälle nicht so hochspringen. So kommt ein Spiel zustande, da fliegt der Ball hin und her. Das macht Spaß. Tennis ist heute einfacher als vor 20 oder 30 Jahren.

Szpyt: Ein weiterer Unterschied ist, dass die Vereine mitmachen. Uns ist klar, dass das, wenn man es richtig macht, sehr personalintensiv ist. Wir haben zunächst das Finanzielle geschaffen, jetzt kommt das Equipment in die Schulen, das war lange ein Hemmnis. Ich habe während meiner 13 Schuljahre nie einen Tennisball in die Hand bekommen. Ich wollte, aber in meinem Elternhaus waren die finanziellen Ressourcen dafür nicht da. Tennis ist ein wunderbarer, sehr fairer Sport. Und jetzt schaffen wir neue Realitäten. Ich will das jedes Kind, das will, auch einen Tennisschläger in die Hand bekommen kann. Die Ausrüstung muss da sein, das Kind muss sich keine Gedanken machen müssen, ob die Eltern Tennisbälle kaufen können. Die Vereine sind hungrig auf Nachwuchs, was wir so nicht erwartet hatten. Und wir haben in Berlin eine lange Tradition. Es ist ja vieles da, das Steffi-Graf-Stadion, die Infrastruktur, die Clubs. Ich glaube, wir haben ins Schwarze getroffen. Auch, weil wir uns das angeguckt haben, wie das früher alles lief.

Wie muss man sich das praktisch an den Schulen vorstellen?

Zoecke: Wir wissen, dass bei 20-25 Schülern im Sportunterricht nicht jedes Kind immer einen Schläger in der Hand hat. Wir haben vier Felder, wir haben im Training im Club aber auch bis zu sechs Kinder auf einem Kleinfeld. Anders als im Club gehen wir bei „Tennis macht Schule“ aber davon aus, dass die Kinder noch nie gespielt haben. Und natürlich muss man sich dann anstellen und den Schläger mal weitergeben. Das Ziel ist, dass die Kinder überhaupt erst einmal mit dem Tennissport in Berührung kommen.

„Tennis macht Schule“ soll also ein integraler Bestandteil des Schulsports werden?

Szpyt: Richtig. Der Tennissport ist jetzt von der ersten bis zur sechsten Klasse im Unterricht dabei.

Und wie stellen Sie sicher, dass mit dem Equipment auch das gemacht wird, was gemacht werden soll?

Zoecke: Die zentrale Frage ist, wie kriegt man Kinder dazu, damit sie mit dem Ball und dem Schläger Spaß haben? In der Regel nimmt der jeweilige Sportlehrer die Tonne entgegen, wir sind jederzeit ansprechbar, die Vereine helfen mit. 40 der 120 Vereine aus der Region sind schon mal dabei, andere haben nachgefragt. Wir haben eine Landkarte erstellt, welche Schule im Einzugsgebiet welches Vereins ist. Der nächste Schritt ist jetzt, die Kontakte zusammenzubringen. Das wird forciert, damit das Projekt lebt und blüht. Mit dem Sozialträger Tentaja haben wir eine weitere gute Plattform, im Hangar 1 des ehemaligen Flughafens Tempelhof gibt es da jetzt auch einen Tennisplatz. Dort ist auch ein Film entstanden, den alle Schulen bekommen. Dazu gibt es viele weitere Aktionen, die wir planen, weshalb ich mir sicher bin, dass dieses Projekt nicht verpufft wie früher, sondern Berlin auch zur Tennishauptstadt wird.

Und was machen Sie, wenn auch andere Bundesländer mitmachen wollen?

Zoecke: Natürlich haben wir darüber nachgedacht. Klar, kann man Schritt für Schritt auch in andere Bundesländer oder in deren Hauptstädte gehen. Aber wir wollten hier erst einmal starten und schauen, wie das funktioniert. Hier sind wir vor Ort und können uns kümmern, aber über den nächsten Schritt muss man dann schon sprechen.

Szpyt: Die Strukturen müssen natürlich erst einmal aufgebaut werden. Dafür haben wir dieses Pilotprojekt hier in Berlin-Brandenburg. Das müssen wir aber auch erst einmal bewältigen, personell und finanziell. Sonst nörgeln alle rum, von wegen das funktioniert nicht. Da gucken wir uns erst einmal die Resonanz an, aber natürlich sollte das irgendwann ein bundesweites Projekt sein.

Wie viel vom LTTC Rot-Weiß Berlin steckt denn in der Initiative?

Szpyt: Die Zusammenarbeit mit Rot-Weiß ist super. Das liegt ja auch an den Statuten des Clubs. Denn da steht drin, dass der Jugendsport gefördert wird, deswegen funktioniert das auch fantastisch. Rot-Weiß ist unser Pilot und der zentrale Club, mit dem wir das machen.

Zoecke: Ich habe mich nach sieben schönen Jahren als Sportdirektor bei Rot-Weiß jetzt für neue Herausforderungen entschieden. Das Projekt ist eigenständig und wurde weiterentwickelt und letztlich in die Umsetzung gebracht.

Wie langfristig ist das Projekt ausgelegt?

Szpyt: So verrückt es auch klingt: Wir wollen Tennis zum Volkssport machen. Das geht nicht in ein, zwei oder drei Jahren und deswegen ist das Engagement von uns auf Jahrzehnte angelegt. Wir haben in Deutschland nur Fußball, Fußball, Fußball. Wie kann es sein, dass Tennis so ins Hintertreffen geraten ist? Da sind in den letzten Jahren offenbar irgendwelche Hemmschwellen entstanden und es ist kein Interesse mehr da, weil Boris Becker vielleicht nicht mehr Wimbledonsieger wird oder Steffi Graf oder Frau Kerber. Das finde ich schockierend, denn ich weiß, welches Potenzial dieser Sport hat. Ich denke, dass durch unsere Aktion viele Kinder am Tennis hängen bleiben. Und wir brauchen doch die Talente und werden sie auch bekommen. Da bin ich mir ganz sicher.

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