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Das Aus. Erst brach Biles den Teamwettbewerb ab, dann sagte sie die Teilnahme am Mehrkampf ab.

© Mike Blake/REUTERS

Mentale Probleme im Sport: Die wahre Stärke der Simone Biles

Dass US-Superstar Simone Biles und andere Topathletinnen offen über ihre Probleme reden, kann den Sport nachhaltig verändern - zum Positiven. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Katrin Schulze

Ein gutes Körpergefühl gehört zu den Grundvoraussetzungen eines jeden Leistungssportlers - das gilt ganz allgemein und im Besonderen für Turner:innen. Wer in einer Übung nur kurz lockerlässt, für eine Sekunde die Anspannung verliert oder die Konzentration, scheitert oder verletzt sich mitunter schneller als er oder sie mit beiden Beinen wieder auf dem Boden stehen kann.

Kaum eine weiß das besser als die US-Amerikanerin Simone Biles. Was sie mit ihrem Körper auf den Turnmatten und Geräten dieser Welt möglich gemacht hat, schien bis vor ein paar Jahren ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Vor allem aber hat Biles gelernt, dass zum Körper auch der Kopf zählt.

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Wenn sie wie jetzt wegen mentaler Probleme Wettkämpfe abbricht oder Starts absagt, zeugt das vielleicht von mehr Körperbeherrschung als es ihre vier olympischen Goldmedaillen von Rio 2016 können. Dabei geht es nicht nur um die Entscheidung an sich. Klar ist eine Tugend, rechtzeitig zu merken, wann es zu viel wird, aber ist es nicht noch viel mehr ein Talent, dies so offen von innen nach außen zu tragen?

„Es bricht mir das Herz, weil ich fühle, dass sich das, was ich liebe, von mir entfernt“, ließ Biles ein Millionenpublikum wissen. Diese Olympischen Spiele, die sie diesmal wirklich nur für sich bestreiten wollte, habe sie doch in erster Linie wieder für andere auf sich genommen. Sagt Simone Biles über Simone Biles.

Naomi Osaka, Serena Williams, Simone Biles

Dazu muss man wissen, wie viel Aufmerksamkeit die Turnerinnen in Amerika bekommen. Wie sehr sie beobachtet, beklatscht oder halt belächelt werden. Doch auch dort, wo die Übungen normalerweise bis ins kleinste Detail analysiert werden, wird die Entscheidung von Simone Biles nun größtenteils bejubelt.

Sie ist ja nicht allein. Naomi Osaka, Serena Williams, Simone Biles: Es ist bemerkenswert, wie Topsportlerinnen ihre mentalen Probleme im Moment thematisieren, über Therapien, Zusammenbrüche, Neuanfänge sprechen. Sie machen klar, was längst klar sein sollte, aber für einige noch immer nicht ins Bild von Leistungssportlern passt: dass Sport und Leistung mehr sind als die Summe von Medaillen.

Die Botschaft, die Simon Biles mit ihrem Auftritt in Tokio vermittelt, ist ihr selbst möglicherweise noch gar nicht bewusst, aber für den Sportlernachwuchs und auch für alle anderen von ziemlicher Bedeutung: Nehmt Rücksicht, nehmt Acht - vor allem auf euch selbst. Wer das schafft, verinnerlicht und danach handelt, ist ein Champion. Auch wenn er oder sie nicht bei Olympia turnt.

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