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Jubeltrubel: Juventus Turin holte sich die neunte Meisterschaft in Folge.

© Marco Alpozzi/Imago

Maurizio Sarris Team wird Italienischer Meister: Juventus Turin – das Team, das weniger schlecht war als alle anderen

Mit 61 Jahren gewinnt Maurizio Sarri seinen ersten Titel in Italien, Juventus überzeugt dabei jedoch nicht. Die Zweifel am Trainer dürften bestehen bleiben.

Die Berichte über den Inhalt der kleinen schwarzen Sprühdosen, die am späten Sonntagabend in der Turiner Kabine zum Einsatz kamen, gingen auseinander. Massenhaft weißer Schaum – Rasiercreme sagten die einen, Freistoßspray die anderen – quoll jedenfalls aus ihnen hervor.

Juventus’ Trainer Maurizio Sarri musste die Kleisterei seiner Spieler tapfer über sich ergehen lassen, ehe er sich den Lustbarkeiten zuwenden konnte, denen der 61-Jährige sonst eher zugeneigt ist: Der riesigen Flasche Champagner, die er mit beiden Händen stemmte, und einer der Zigaretten, die er schon den ganzen Abend über wahlweise zwischen Fingern und Mundwinkel balanciert hatte.

Bei Juventus Turin muss sich Maurizio Sarri weiterhin beweisen

Die nervöse Marotte des Kettenrauchers („Ich rauche 60 Zigaretten pro Tag, wahrscheinlich sind das ein bisschen viele“), während des Spiels auf einem Zigarettenstummel herumzukauen, ist beileibe keine ganz neue Entdeckung mehr. Auch deshalb ist eher nicht davon auszugehen, dass Sarri in Zukunft auf diesen Fimmel verzichten wird – obwohl sich die Anspannung des Trainers nach Juves 2:0-Heimsieg gegen Sampdoria Genua und dem Gewinn des 36. Meistertitels ein Stückchen gelegt haben dürfte.

Einen nationalen Titel hatte Sarri, der lange Jahre nur Amateurteams trainierte und nebenbei für eine Bank arbeitete, vorher schließlich noch nicht gewonnen. Und dass er nicht nur aufstrebende Teams wie den SSC Neapel oder den FC Empoli nach oben führen kann, sondern auch Starensembles wie das von Juventus, das musste er in Italien erst noch einmal beweisen.

Keine ganz leichte Aufgabe jedoch, wenn man dann auch noch ein Team übernimmt, das in den vergangenen Jahren einen nationalen Titel nach dem anderen eingestrichen hat. Achtmal in Folge hatte Juventus zuletzt die Meisterschaft gefeiert. „Den Scudetto zu gewinnen, wird jedes Jahr schwieriger“, betonte Sarri deshalb am Sonntag, nachdem es allen Schwierigkeiten zum Trotz auch ein neuntes Mal geklappt hatte. „Für eine Mannschaft, die Erfolge gewohnt ist, ist es nicht einfach, die Motivation zu finden.“

Ausgebufft und losgepafft: Trainer Maurizio Sarri wurde zum ersten Mal Italienischer Meister.
Ausgebufft und losgepafft: Trainer Maurizio Sarri wurde zum ersten Mal Italienischer Meister.

© Daniele Buffa/Imago

Tatsächlich musste Sarri in seiner ersten Saison als Turiner Coach all die Hakeleien über sich ergehen lassen, die zum Präsentkorb eines jeden erfolgsverwöhnten Weltklubs gehören, der etwas auf sich hält. Denn besonders rund lief es für Juventus nach dem Re-Start der italienischen Liga eigentlich nicht. Nur zwei Siege holte das Team aus den vergangenen sechs Spielen.

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Dass aus zu Wiederbeginn einem Punkt Vorsprung an der Tabellenspitze nun zwei Spieltage vor Saisonende trotzdem sieben geworden sind, lag vor allem an der Konkurrenz, die sich noch sehr viel weniger mit Ruhm bekleckerte. Lazio Rom, lange der ärgste Verfolger, blieb zuletzt sogar fünf Spiele in Folge sieglos. „Die beste Mannschaft war nur weniger schlecht als die anderen“, kommentierte es die große Tageszeitung „La Repubblica“.

Immer wieder hatte Juventus in den vergangenen Spielen Vorsprünge aus der Hand gegeben. Der Spannungsverlust wurde auch Sarri angekreidet. Sein gefürchteter „Sarrismo“, der überfallartige wie spektakuläre Kombinationsfußball, wollte bei seinen Profis nicht so recht verfangen. „Ich kriege die Spieler nicht dazu zu verstehen, wie wichtig es ist, den Ball zügig laufen zu lassen“, musste er sich selbst eingestehen.

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Nachdem er seinem Überfußballer Cristiano Ronaldo dann auch noch die geliebten Vorstöße über die linke Seite verleiden wollte, hieß es bald, er habe sich mit dem Team überworfen. Und weil Juventus zuletzt den früheren Mittelfeldregenten Andrea Pirlo als U-23-Coach installierte, gilt Sarri vielen inzwischen nun nur noch als Übergangslösung.

Sarri nahm es mit einer Portion Sarkasmus. „Meinen Spielern habe ich gesagt: Wenn ihr mit mir den Titel geholt habt, seid ihr wirklich stark, denn bisher hatte ich noch nichts gewonnen“, erklärte er am Sonntag den Medien – ehe auch Juves Torhüter Wojciech Szczesny vorbeischaute. Vor den Kameras reichte er seinem zunächst verdutzten, dann amüsierten Coach eine Zigarette und ließ ihn dabei wissen: „Du hast es verdient!“ Ganz so schlecht scheint es um das Verhältnis zwischen Team und Trainer also auch wieder nicht zu stehen.

Leonard Brandbeck

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