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Umringt von sich selbst. Auf 240 Seiten hat Lothar Matthäus das aufschreiben lassen, was ihn in seinem Leben auf und neben dem Platz umtrieb und umtreibt.

© dapd

Matthäus stellt Autobiografie vor: Im Lothar-Modus

Deutschlands Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus hat geschrieben. Doch der Versuch, sein Bild in der Öffentlichkeit zu korrigieren, scheitert schon bei der Buchvorstellung.

Eine Dreiviertelstunde, bevor es losgeht, wird Platz geschaffen für Lothar Matthäus. Er wird aus der Plastikfolie befreit, und ein ganzes Regal für ihn leer geräumt. Als Letztes muss ein Buch mit dem Titel „Mein Name war Judas“ dran glauben. Stattdessen: „Lothar Matthäus: Ganz oder gar nicht“, die Autobiografie des deutschen Rekordnationalspielers, 28 Exemplare in Reih und Glied als film- und fototaugliche Kulisse.

Judas ist Matthäus auch einmal genannt worden, aber das liegt inzwischen so lange zurück wie sein erster und bis gestern einziger Besuch auf der Frankfurter Buchmesse. 25 Jahre sind seitdem vergangen, 28 sogar seit seinem Elfmeter-Fehlschuss im Pokalfinale 1984, als er im letzten Spiel für Borussia Mönchengladbach ausgerechnet gegen seinen künftigen Arbeitgeber Bayern München antreten musste. Die Münchner siegten, Matthäus weinte und Gladbachs Fans zürnten ihrem einstigen Helden, der mit einem Mal zum Verräter geworden war. „Das tut natürlich schon weh, wenn so eine dolle Zeit in einer Sekunde vergessen wird“, sagt Lothar Matthäus bei der Buchpräsentation am Messestand seines Verlages.

Dieses Gefühl, dass ihm Unrecht geschieht, dass längst vergessen ist, was er als Fußballer Dolles geleistet hat – dieses Gefühl zieht sich ein bisschen auch durch sein aktuelles Leben. Deshalb ist Matthäus jetzt hier, an Stand C 149 in Halle 3.0 der Frankfurter Messe. Deshalb hat er das alles auf sich genommen, „sich fünf Monate hinzusetzen“ und von einem Co-Autor sein Leben aufschreiben zu lassen. So, wie es wirklich war. So, „wie ich mich selbst sehe“. Und nicht so, wie er gesehen wird. Es sei ja typisch für Journalisten, „mit gewissen Berühmtheiten, ihre Späße zu machen“, klagt Matthäus. Irgendjemand unter den Zuschauern klatscht. „Wenigstens einer“, sagt Matthäus.

Wie kaum ein Zweiter hat der 51-Jährige die Öffentlichkeit in sein Leben gelassen – und trotzdem wundert er sich, dass man ihn einfach nicht in Ruhe lässt. „Es ist nicht so, dass ich die Kameras anrufe“, sagt Matthäus. „Ich werde auch verfolgt.“ Zehn Fernsehteams stehen ihm gegenüber, etliche Fotografen, dazu das normale Messepublikum. Matthäus deutet in die Runde. „Ich habe keinen eingeladen“, sagt er. Natürlich nicht, das hat sein Verlag getan. Und es sind so viele gekommen, dass die Sicherheitsleute schon fünf Minuten vor seinem Auftritt entschuldigend erklären: „Wir dürfen niemanden mehr reinlassen.“

Matthäus ist pünktlich um elf erschienen, obwohl er noch am Abend vorher bei Markus Lanz zu Gast war. „Mein Leben ist turbulent“, sagt er. Vorige Woche war er in Israel, anschließend in Kiew, gestern Hamburg, heute Frankfurt am Main und nächste Woche Monte Carlo. Er erzählt das, um zu verdeutlichen, dass er längst in einer anderen Welt zu Hause ist als seine Eltern, die im Grunde nie aus Herzogenaurach rausgekommen sind. Fast sechzig Jahre sind sie jetzt verheiratet. „Das wär’ auch mal mein Ziel gewesen“, sagt Matthäus. „Hat leider nicht funktioniert.“ Matthäus, vier Ehen, vier Scheidungen, trägt Jeans, dunkles Sakko und ein offenes weißes Hemd. „Schlecht sieht er ja nicht aus“, findet eine Frau im Publikum.

Lothar Matthäus sitzt gerade drei Minuten auf seinem Barhocker, als er den Moderator wissen lässt, dass er ja jetzt nicht so viel Zeit habe. Aber dann kommt er doch ins Plaudern, redet über dies und das, über Fußball, Frauen und Freunde. „War nett“, sagt der Moderator hinterher. Eine gute Viertelstunde dauert das Gespräch, dann wirft sich der Gast für die Fotografen und Kameraleute in Pose: Lothar Matthäus vor dem Lothar-Matthäus-Bücherregal, hinter einer Lothar-Matthäus-Bücherwand, vor einem Lothar-Matthäus-Plakat, das Lothar-Matthäus-Buch immer in der Hand. Bitte auch mal hierhin!, ruft jemand. „Freilich“, sagt Matthäus, dreht sich um und lächelt wieder.

Um kurz vor halb zwölf verschwindet der Stargast durch eine Tür in ein abgesperrtes Hinterzimmer. Drei Sicherheitsleute postieren sich vor dem Eingang. „Da, wo die Häufung von Menschen mit Knopf im Ohr besonders hoch ist, gibt es immer was Besonderes“, sagt eine Besucherin. Sie bleibt stehen und wartet. Fünf Minuten später kommt Sky du Mont zur Tür heraus.

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