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Lena Gohlisch, 27, (rechts) spielt im dritten Jahr für die Frauen von Alba. Am Samstag (19.30 Uhr) bestreitet die Ärztin mit ihrem Team das erste Heimspiel.

© Philipp Sommer

Lena Gohlisch ist Ärztin und spielt bei Alba Berlin: „Es war unrealistisch, mit Basketball meinen Lebensunterhalt zu verdienen“

Lena Gohlisch über Fortschritte und Probleme im Frauen-Basketball, ihre Ziele mit Alba Berlin sowie die Herausforderung, Sport und Beruf zu vereinen.

Lena Gohlisch, 27, spielt im dritten Jahr für die Frauen von Alba Berlin. Die gebürtige Berlinerin hat vor Kurzem ihre Doktorarbeit abgegeben und arbeitet nun als Assistenzärztin in einem Krankenhaus. Mit Alba musste die Spielmacherin fast ein Jahr lang pausieren, weil für die Zweitliga-Mannschaft pandemiebedingt kein Spielbetrieb stattfand. Am Samstag haben die Berlinerinnen ihr erstes Heimspiel in der Liga gegen den SC Rist Wedel 58:72 verloren. Gohlisch war mit 14 Punkten, 6 Steals,, 4 Assists und 4 Rebounds eine der auffälligsten Berlinerinnen. Zuvor war sie mit ihrer Mannschaft im Pokal gegen einen Erstligisten ausgeschieden und hatte zum Ligaauftakt auswärts souverän gewonnen.

Frau Gohlisch, nach fast einem Jahr Pause hat der Spielbetrieb vor zwei Wochen wieder begonnen. Wie hat es sich angefühlt, endlich wieder auf dem Feld zu stehen?
Wir hatten im Sommer ein 3-gegen-3-Turnier und das war ein kleiner Einstieg in die Competition. Im Pokal war es aber hart, gleich gegen einen Erstligisten zu starten. Da hat man schon gemerkt, dass wir ein sehr junges Team sind, und wurden in den ersten Vierteln einfach überrannt. Wir brauchen noch Zeit, um uns richtig zu finden. Ich war aber trotz der Niederlage einfach glücklich, wieder spielen zu können. Es war so eine lange Zeit, in der wir nicht spielen durften, lange durften wir auch nicht als Team trainieren, manche durften gar nicht trainieren. Wir sind alle sehr froh, dass ein bisschen Normalität zurück ist und wir als Team auch mal was zusammen machen können. Das war in dieser Zeit total verloren gegangen.

Wie haben Sie sich fit gehalten?
Ich durfte ein bisschen trainieren, weil ich einen Halbprofistatus habe. Ich erinnere mich aber an eine Phase, die für mich mental sehr schwer war. Wir durften wochenlang nur werfen, nur individuell arbeiten, ohne Kontakte untereinander. Das hat sich angefühlt wie eine Saisonvorbereitung, die nie endet, ohne Ziel. Da habe ich mich schon mal gefragt, ob es überhaupt wieder los geht.

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Haben Sie in dieser Phase auch mal daran gedacht, mit Basketball aufzuhören, und sich voll auf den Beruf als Ärztin zu konzentrieren?
Ich habe mich schon gefragt, wozu ich überhaupt noch trainiere, wenn wir nicht spielen dürfen. Ich habe vor einem Jahr mein Studium beendet und vor Kurzem meine Doktorarbeit abgegeben. Der Berufseinstieg ist auch ohne Basketball schon schwer genug. Ich habe dann aber relativ früh für mich entschieden, dass ich gerne versuchen möchte, weiter zu spielen. Ich habe dann auch mit dem Verein gesprochen und viel Rückhalt bekommen. Das hat mir sehr geholfen.

Wie bekommen Sie Ihr Doppelleben als Ärztin und semiprofessionelle Basketballerin unter einen Hut?
Ich habe gerade erst als Assistenzärztin im Krankenhaus angefangen, aber bis jetzt klappt es einigermaßen. Zum Glück sind die Wege zur Max-Schmeling-Halle und in die Schützenstraße, wo wir trainieren, nicht so lang. Außerdem habe ich nicht so viele Dienste, die sind mit 21 beziehungsweise 24 Stunden dafür sehr lang. Der Vorteil ist, dass ich unseren Chefcoach Cristo Cabrera gut kenne und er auch weiß, dass es Dinge gibt, die ich nicht planen kann. Im Worst Case geht die Arbeit natürlich vor, aber im Team wissen sie, dass ich alles tue, um es zum Training zu schaffen. Basketball ist für mich ein ganz wichtiger Ausgleich, gerade jetzt in der stressigen Anfangszeit im Krankenhaus.

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Alba hat sein Engagement im Frauenbereich deutlich gesteigert und peilt perspektivisch die Erste Liga an. Ist der Aufstieg schon in dieser Saison möglich?
Wir haben kein konkretes Ziel formuliert, dieses Jahr sind wir aber wirklich sehr, sehr jung. Daher ist es etwas zu früh, um vom Aufstieg zu sprechen. Wir müssen schauen, dass wir die Spielerinnen halten, die jetzt aus der Schule kommen. Wir müssen ihnen eine Perspektive geben und sagen, in der nächsten oder spätestens in der übernächsten Saison wollen wir aufsteigen. Das hängt aber auch sehr von der Besetzung in der Liga ab. Letztes Jahr hatten wir mit den Bergischen Löwen einen Gegner, der Spieler verpflichtet hat, die in der Zweiten Liga nichts zu suchen haben. Da hätte man sehr viel investieren müssen, um mitzuhalten. Das ist nicht das Konzept, das Alba verfolgt.

Sondern?
Wir setzen sehr auf junge Spielerinnen und auch die Profis, die wir haben, sind sehr jung. Die sollen sich entwickeln. Wenn es dieses Jahr mit dem Aufstieg klappen sollte, wäre das natürlich toll. Aber bei uns sind neun von 16 Spielerinnen unter 20 Jahre alt, da kommt das wahrscheinlich zu früh. Mittelfristig ist die Erste Liga aber natürlich das Ziel.

Wäre das für Sie neben dem Beruf noch machbar?
Damit habe ich mich noch nicht richtig beschäftigt – nur so weit, dass ich mich dafür entschieden habe, den Facharzt für Allgemeinmedizin zu machen. Das heißt, dass ich für eine überschaubare Zeit im Krankenhaus bleibe, und dann relativ früh in die Praxis gehen kann. Da gibt es geregeltere Arbeitszeiten und man kann auch eher über ein Teilzeitmodell nachdenken. Über alles Weitere mache ich mir erst Gedanken, wenn es so weit ist. Aber ich habe hier angefangen, Basketball zu spielen, da wäre es natürlich auch sehr schön, irgendwann mit Alba in der Ersten Liga zu spielen.

Wie sehen Sie die allgemeine Entwicklung im deutschen Frauen-Basketball?
Ich habe das Gefühl, dass es ein Loch gab, dass sich seitdem aber einiges verbessert hat. Als ich in der Jugend-Nationalmannschaft gespielt habe, muss man schon sagen, dass wir da zu den schwächeren Nationen gehört haben. Wir haben B-Europameisterschaft gespielt. Inzwischen ist mehr Qualität und Aufmerksamkeit im weiblichen Bereich da. Da spielen in erster Linie die Sabally-Schwestern eine Riesenrolle. Aber auch dass Marie Gülich in der WNBA gespielt hat und sich in Europa durchsetzt, zeigt jungen Spielerinnen eine Perspektive auf, die ich nicht hatte.

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Wie war es bei Ihnen und beneiden Sie Ihre jungen Mitspielerinnen manchmal um diese Chance?
Ich habe mich damals für diesen dualen Weg entschieden, weil er für mich eigentlich alternativlos war, und ich gar nicht richtig wusste, welche Möglichkeiten es gibt. Mit 18 war es völlig unrealistisch für mich, mit Basketball meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich muss aber sagen, dass ich in meinem Jahr als Vollprofi in Frankreich gemerkt habe, dass es mir schwerfällt, nur Basketball zu spielen.

Was hat Ihnen dabei gefehlt?
Der Ausgleich. Für mich war es von der Persönlichkeit der richtige Weg und ich habe als Basketballerin trotzdem viel erlebt. Vielleicht nicht den ganz großen Erfolg, aber viele schöne Erfahrungen: Ich war bei den Olympischen Jugendspielen in Singapur und habe in meiner ersten Saison bei Alba vor 2000 Leuten in der Mercedes-Benz-Arena gespielt. Dieses Semiprofessionelle hat für mich gepasst und es freut mich natürlich, dass sich strukturell einiges verbessert hat. Die Chancen, es aufs College zu schaffen, sind heute viel größer, und auch in Deutschland gibt es mittlerweile einen ganz guten Stamm an Vereinen, die in diesem Bereich gut organisiert sind.

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Die meisten Vereine und Verbände sind aber noch sehr männerdominiert.
Ja, das stimmt. Es wäre schon wichtig, wenn es auch dort, wo die Entscheidungen getroffen werden, mehr Frauen geben würde, vielleicht auch ehemalige Spielerinnen. Denn momentan hat man oft das Gefühl, dass dort Personen sitzen, die sehr weit entfernt sind von dem, was für uns wichtig ist.

Ihr Team musste fast ein Jahr pausieren, während in anderen Bundesländern und bei den Männern weitergespielt wurde. Konnten Sie das nachvollziehen?
Dass die ProB der Männer spielen durfte, die ja eigentlich eine Liga unter uns ist, hat schon die Frage aufgeworfen, ob das gerechtfertigt ist. Irgendwann haben wir uns damit abgefunden, dass es halt so ist – und dass die Alba-Männer spielen durften, hat uns eher gefreut, weil wir so die Spiele gucken und zumindest irgendwie dabeibleiben konnten. Gerade aus medizinischer Sicht konnte ich natürlich schon verstehen, dass es im Rahmen einer Pandemie nicht so sinnvoll ist, jedes Wochenende durch die Republik zu fahren. Aber das war trotzdem eine schwierige Zeit für uns.

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