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"Viele hatten Motivationsprobleme, weil Motivation stark mit konkreten und nahen Zielen in Verbindung steht", sagt Caterina Granz. 

© Sven Hoppe/dpa

Leichtathletin Granz über Sport in Corona-Zeiten: „Unter solchen Bedingungen will ich nicht starten“

Die Berliner Läuferin Caterina Granz erzählt vom merkwürdigen Umgang der Leichtathletik mit dem Virus - und was die Pandemie mit ihrem Trainingsplan macht.

Frau Granz, ist der 1500-Meter-Lauf ein Kontaktsport?
Das kann man schon sagen. Wir kommen uns bei Wettkämpfen sehr nahe, es wird immer wieder gerangelt. Solche Rennen können sehr taktisch sein, ein bisschen Ellenbogen ist da immer mit dabei.
 

Dann können Sie verstehen, dass – Stand heute – bei den Deutschen Meisterschaften im August in Braunschweig keine Läufe ab 1500 Metern stattfinden, weil sie nicht mit dem Infektionsschutz zu vereinbaren sind?
Streng genommen ist es, wenn man sich an die Auflagen der Bundesländer hält, verständlich. Die Sache ist nur, dass es beim Fußball oder Basketball auch geht, weil dort Tests auf das Coronavirus durchgeführt werden. Vermutlich scheitert dies in der Leichtathletik an den finanziellen Voraussetzungen. Das ist schade. Aber ich denke nicht, dass es sich der Deutsche Leichtathletik-Verband mit dieser Entscheidung leicht gemacht hat. Außerdem bemüht sich der Verband, Anpassungen vorzunehmen. Ich wundere mich eher über andere Dinge.
 

Über was denn?
Zum Beispiel darüber, dass die 800-Meter-Läufe ausgetragen werden sollen. Die finden, wenn es so bleibt, unter keinen regulären Bedingungen statt. Jeder soll in einer eigenen Bahn starten mit reichlich Abstand zur Nebenfrau. Deswegen sind die Teilnehmerinnen auf ihren Bahnen weit voneinander versetzt. Die Starterinnen auf der Außenbahn starten sehr weit vor den anderen und sehen das ganze Rennen über keine andere Läuferin, wohingegen die Starterinnen auf der Innenbahn das ganze Feld beobachten können. Das ist ein riesiger Vorteil. Unter solchen Bedingungen will ich nicht bei den Meisterschaften starten.
 

Über was wundern Sie sich noch?
Nicht nachvollziehbar ist, dass wir bei den Deutschen Meisterschaften nicht normal starten können, aber in der Schweiz jetzt schon Mittel- und Langstreckenläufe angeboten werden und wir als Deutsche die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen. Es waren auch schon deutsche Läuferinnen und Läufer bei Wettbewerben in der Schweiz, und auch ich plane, Rennen im Ausland zu bestreiten. Überhaupt ist das Problem eben, dass es mit dem Infektionsschutz überall anders gehandhabt wird, sogar auf Bundesländerebene.
 

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Wie empfinden Ihre Läuferkolleginnen die Situation?
Viele haben sich über die Entscheidung gegen die Mittel- und Laufstrecken bei den Meisterschaften aufgeregt. Es war gut, dass sich Gesa Krause dazu laut geäußert und die bisherigen Pläne kritisiert hat. Ihr Wort hat Gewicht beim Deutschen Leichtathletik-Verband. Und offenbar überlegt der DLV, ob man nicht doch ein neues Konzept vorlegt mit Läufen auf der Mittel- oder Langstrecke. Eine Möglichkeit wäre zudem, dass man die Meisterschaften in diesen Disziplinen einen Monat später beim Istaf in Berlin nachholt.
 

Sie hatten ein erfolgreiches vergangenes Jahr, waren in einer starken Form. Fühlen Sie sich besonders hart getroffen von den jüngsten Entwicklungen?
Nein, ich hatte hier in Berlin trotz der Krise sehr gute Trainingsmöglichkeiten. Beim Olympiastützpunkt war das Training auf den Bahnen und im Kraftraum früh wieder möglich. Und was das Startverbot über meine Paradestrecke 1500 Meter bei den Meisterschaften angeht, bin ich recht entspannt. Die Meisterschaften haben in diesem Jahr keinen sehr hohen Stellenwert für mich, zumal die Ergebnisse dort für die Olympiaqualifikation irrelevant sind.
 

Wie haben Sie die Absage der Olympischen Spiele in diesem Jahr aufgenommen?
Das war für uns alle ein Schock. Einige mir bekannte Athletinnen und Athleten hatten danach große Motivationsprobleme, weil Motivation stark mit konkreten und nahen Zielen in Verbindung steht. Bei mir ging es eigentlich, weil ich es schnell geschafft habe, mich auf meine eigene Entwicklung im Training zu fokussieren. Und wenn ich noch etwas mehr Zeit für die Olympischen Spiele habe, kann ich vielleicht noch besser werden.
 

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Was konkret bedeutet die Coronavirus-Pandemie für ihren Trainingsplan?
Zunächst bedeutet es eher eine Veränderung der Inhalte: Wir haben das Grundlagentraining ausgedehnt. Außerdem können wir an Stellschrauben drehen, für die sonst kaum Zeit ist. Allgemein haben wir Athleten eine Phase zum Durchatmen bekommen. Nach der langen vergangenen Saison mit der späten Weltmeisterschaft in Doha und den für dieses Jahr früh angesetzten Olympischen Spielen in Tokio war ein gewisser Druck auch im Training in den Monaten vor Corona immer präsent. 

Von daher hatte das für mich auch etwas Gutes. Und was sich natürlich durch Corona auch geändert hat: Die Fernreisen zu den Höhentrainingslagern fallen aus. Aber auch das trifft mich nicht so sehr, weil ich Höhe bislang nicht so gut vertragen habe.  

Klingt ganz so, als wären Sie eine Gewinnerin der Coronavirus-Pandemie?
Ich versuche, nicht allzu viel zu jammern und denke, dass die Umstände für mich ganz gut waren. Der große Vorteil beim Laufen ist einfach, dass man von nichts abhängig ist. Man kann einfach in den Wald gehen und alleine laufen.

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