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Lisa-Marie Kwayie war überglücklich nach ihrem Sieg in Braunschweig.

© imago images/Chai v.d. Laage

Update

Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig: Lisa-Marie Kwayie - eine Erfolgsgeschichte aus Neukölln

Sprinterin Lisa-Marie Kwayie siegt bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig. Möglich macht das auch ein Unternehmensnetzwerk aus Neukölln.

Die Enttäuschung währte nur kurz, dann legte sich flugs ein Grinsen über ihr Gesicht. Dabei war Lisa-Marie Kwayie soeben über 200 Meter noch kurz vor dem Ziel von Jessica-Bianca Wessolly (23,07 Sekunden) und Laura Müller (23,14) abgefangen worden. In einer Zeit von 23,14 Sekunden wurde Kwayie am Sonntag Dritte bei den deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Braunschweig.

Die knappe Niederlage über 200 Meter konnten die gute Laune der 23-Jährigen nicht trüben. Am Vortag hatte sie der Konkurrenz über 100 Meter ihre Hacken gezeigt und sich ihren ersten Meistertitel geholt. „Wir hatten in der Corona-Zeit einfach viel mehr Zeit – und die haben wir gut genutzt. Ich bin unheimlich glücklich“, sagte sie. In 11.30 Sekunden stürmte sie am Samstag ins Ziel. Danach aber blickte sie mit großen Augen auf die Anzeigetafel. Rebekka Haase war ihr am Ende sehr nahe gekommen. Doch es reichte.

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Den Erfolg ersprintete sich Kwayie ganz alleine. Doch es ist auch ein bisschen eine Neuköllner Erfolgsgeschichte. Kwayie war drei Jahre alt, als ihr Vater mit ihr Ghana verließ und in Neukölln sesshaft wurde. Früh war ihren Lehrern das außerordentliche läuferische Talent von Kwayie aufgefallen. Ihr Grundschullehrer musste sie drei Jahre lang überreden, in einen Sportverein zu gehen, ehe sie es dann endlich tat. Sie ging zu den Neuköllner Sportfreunden – wo sie bis heute ist.

Ihr Trainer Frank Paul, ein Gymnasiallehrer aus Lichtenrade, widmete sich in den vergangenen Jahren mit viel Hingabe seiner Sprinterin. Paul kümmerte sich nicht nur um die sportfachlichen Belange, sondern auch darum, dass die äußeren Bedingungen für Kwayie stimmen. Er schaffte es, beim Unternehmensnetzwerk Neukölln Südring sowie dem Estrel-Hotel ihre finanzielle Grundlage abzusichern. „Ich habe denen gesagt, dass Lisa bei entsprechender Unterstützung gerne bei den Sportfreunden bleiben würde und dass sie in Tokio dann unter 11 Sekunden laufen kann“, erzählte Paul im vergangenen Jahr dem Tagesspiegel. „Was soll ich sagen: Sie haben uns geglaubt.“

Ein Firmengeflecht aus Neukölln unterstützt Kwayie

Und das Firmengeflecht aus Neukölln tut das immer noch, wie Paul am Sonntag bestätigte. Dabei können er und Kwayie ihr sehr ambitioniertes Versprechen in diesem Jahr nicht einlösen, weil die Olympischen Spiele bekanntlich auf das nächste Jahr verschoben worden sind. Die Olympia-Absage war wie für fast alle Athleten auch ein sehr harter Schlag für Kwayie. „Aber wir haben gesagt, wir ziehen unser Programm voll durch“, sagte sie am Samstag. „Es hilft mir, wenn ich im nächsten Jahr abliefern will.“ Der Titel bei den Meisterschaften war für Kwayie also nur ein erster Schritt, um 2021 in Tokio gut abzuschneiden. Nichts ist für Leichtathleten bedeutsamer als eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen.

Dabei war der Sieg in Braunschweig keinesfalls eine Selbstverständlichkeit für Kwayie. Zumal sie nach der Absage von Gina Lückenkemper als Favoritin in das Rennen gegangen war, eine ungewöhnliche Rolle für sie. „Es war eigentlich untypisch von mir, zu sagen, dass ich unbedingt den Titel will“, sagte sie. „Aber warum eigentlich sollte ich es nicht aussprechen?“ Sie fand keine Gründe.

Wird Almas der neue deutsche Top-Sprinter?

Da ging es ihr ähnlich wie dem Sieger über die 100 Meter bei den Männern. Deniz Almas schaffte einen sportlichen Höhepunkt an diesem Wochenende in Braunschweig. Der Sprinter vom VfL Wolfsburg gewann die Konkurrenz in 10,09 Sekunden. Eine Top-Zeit, auch über die Landesgrenzen hinaus. Von den Europäern war in diesem Jahr bisher nur einer besser als der 23-Jährige: Almas selbst mit seinen 10,08 Sekunden vor wenigen Tagen in Weinheim. Hierzulande sehnt man sich seit vielen Jahren nach einem Sprinter, der international etwas reißt. Almas könnte dieser Sprinter werden.

„Ich war heute der Favorit und das war sehr angenehm für mich“, sagte Almas. Es habe immer Leute gegeben, die an ihm gezweifelt hätten, weil er nur 1,75 Meter groß sei, erzählte er. „Heute habe ich bewiesen, dass ich es kann.“ Zur Klarstellung an all die Zweifler von Almas sei auch noch gesagt: Der aktuelle Sprint-Weltmeister Christian Coleman bringt es auf eine Größe von, genau, 175 Zentimetern.  

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