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Jubelt an diesem Wochenende nicht in Braunschweig: Konstanze Klosterhalfen.

© dpa

Leichtathletik-DM in Braunschweig: Klosterhalfen, Lückenkemper und die Frage des Anstands

Die Stars fehlen bei den deutschen Leichtathletikmeisterschaften. Das erregt auch die Gemüter mancher Kollegen.

Ob das nicht ein Etikettenschwindel ist? Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) schreibt auf seinem Verbandsorgan leichtathletik.de zu den Deutschen Meisterschaften kurz und knapp: „Wann: 8./9. August 2020. Wo: Braunschweig. Wer: Deutschlands allerbeste Leichtathleten.“ Mehr muss man nicht nicht wissen. Das Problem ist nur: Deutschlands beste Athleten werden gewiss nicht alle am Start sein.

Die in den USA weilende Mittelstrecklerin Konstanze Klosterhalfen etwa wollte lieber am Freitag noch einen Testwettkampf in den USA bestreiten und erst in der kommenden Woche nach Europa reisen. Sprinterin Gina Lückenkemper startete unter der Woche bei einem kleinen Meeting in Finnland. Die deutschen Meisterschaften kämen für sie noch zu früh, sagt sie. Und für Diskuswerfer Christoph Harting war die Saison bereits mit der Olympia-Absage tot. Deutsche Meisterschaften, das machte er schon im vergangenen Jahr klar, betrachtet er eher als Bürde.

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Die Abstinenz der bekanntesten Gesichter der deutschen Leichtathletik bei den Titelkämpfen in Braunschweig empfinden Funktionäre wie auch einige Athleten als unanständig. Am lautesten dazu äußerte sich nun der Speerwerfer Johannes Vetter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Was ist das denn für eine Botschaft, wenn unsere Aushängeschilder passen?“, fragte der 27-Jährige. „Gerade auch für unsere motivierten Nachwuchsathleten gibt das doch ein schlechtes Bild ab, wenn sie ihre Idole nicht sehen und sich fragen: Warum kommen die nicht?“

Vetters Kritik ist Ausdruck eines seit wenigen Jahren schwelenden Konflikts in der deutschen Leichtathletik. Es geht darum, dass einigen deutschen Athletinnen und Athleten die Bedingungen hierzulande nicht mehr gut genug sind. Entweder fühlen sie sich wie der Diskuswerfer Christoph Harting vom Verband gegängelt, oder sie sehen im Ausland bessere Entwicklungspotenziale. Wer das nötige Geld hat wie Klosterhalfen, der versucht sein Glück in den USA.

Johannes Vetter ärgert das Verhalten der Kolleginnen und Kollegen

Die Frage ist, inwieweit das verwerflich ist. In anderen Sportarten ist es seit Jahrzehnten gang und gäbe, dass die Sportler ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegen, wenn das ihren sportlichen (und finanziellen) Ambitionen nützt. Andererseits aber entsteht der Eindruck, dass den emigrierten deutschen Leichtathletik-Stars die nationalen Wettbewerbe hierzulande mehr und mehr egal sind.

Dabei kämpft die deutsche Leichtathletik in vielen Disziplinen schon lange gegen einen immer größer werdenden Bedeutungsverlust. Johannes Vetter ärgert das Verhalten der Kolleginnen und Kollegen. Besonders in der coronabedingt auch für die Leichtathletik schwierigen Zeit hätte er sich mehr Unterstützung erhofft. Es habe durch die Coronavirus-Pandemie große Sorge um den Sport gegeben, im BMI sei ein Nachtragshaushalt für den Sport eingeräumt, um die wirtschaftliche Bedrohung regulierbar zu machen. „Dadurch ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass manche Athleten die Meisterschaften aus nicht eindeutigen Gründen absagen.“

Doch müssen wegen des Fehlens einiger Stars die Meisterschaften in Braunschweig nicht zwingend enttäuschend werden. Sie bieten die Chance für noch unbekanntere Gesichter wie die Neuköllner Sprinterin Lisa Marie Kwayie. Außerdem wird Weltmeisterin Malaika Mihambo am Sonntag im Weitsprung antreten. Die 26-Jährige hat bislang zeitlebens in Deutschland trainiert. Aber auch sie hat für sich beschlossen, dass sie baldmöglichst ein neues sportliches Kapitel aufschlagen will: in den USA.

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