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Im späten Herbst seiner Karriere. Mit 34 Jahren wurde Romed Baumann beim Abfahrtsrennen am Hahnenkamm starker Siebter. Ein solches Ergebnis kann er womöglich nicht mehr so häufig bestätigen.

© Joe Klamar/AFP

Legendärer Ski-Weltcup auf der Streif: Romed Baumann wird vom Judas zum Jubler

In Österreich wollten sie Romed Baumann nicht mehr, für den deutschen Skiverband legt er nun einen starken Auftritt in Kitzbühel hin.

Kleine Siege für das Ego sind etwas Besonderes. Romed Baumann kam am Sonnabend zwar nicht zu der Ehre, bei einer Siegerehrung das Podest betreten zu dürfen. Aber der in St. Johann unweit von Kitzbühel aufgewachsene alpine Skiprofi freute sich über eine Platzierung mit Sternchen. Nachdem das Abfahrtsrennen am Hahnenkamm quasi schon entschieden war, fuhr der mit 34 Jahren erfahrene Tiroler noch auf Platz sieben vor. Kurz nach der Zielankunft sagte er, es sei immer noch ein bisschen schwer zu glauben, „was da jetzt passiert ist, nach so einer anstrengenden Woche“. Hinter dem Auftritt des Tirolers gibt es eine Geschichte: In der Heimat rechneten sie nicht mehr mit ihm, seit dieser Saison startet der gebürtige Österreicher für den Deutschen Skiverband (DSV).

Skisport ist in Österreich ein heiliger Sport, und es spielt immer ein kleines großes Stück Nationalstolz hinein, wenn einer der vielen starken „eigenen“ Rennfahrer wieder einmal gewinnt. Besonders ist das natürlich beim Hahnenkammrennen so, bei der Weltcup-Abfahrt auf der Streif. Danach sah es am Sonnabend nicht aus. Bei diesigem „Norweger-Wetter“, wie es in der Szene bei schlechter Sicht heißt, waren andere wie etwa der Schweizer Beat Feuz die Favoriten. Doch gottlob gewann nach 2014 heuer mit Matthias Mayer endlich wieder ein Österreicher. Und dahinter landete mit Vincent Kriechmayr (zeitgleich mit Feuz) noch einer.

So gesehen wäre es in Österreich kaum ins Gewicht gefallen, dass mit der Startnummer 25 ein Skifahrer aus Tirol ins Ziel ging. Allerdings in der Wertung nicht als drittbester Österreicher, sondern als bester Deutscher – mit 0,83 Sekunden Rückstand auf den Sieger. Aber die Vorgeschichte um Baumann ist in Österreich bekannt, insofern war es kein Heimspiel für den Fahrer, angeblich wurde er am Morgen vor dem Start gar von einigen „noch nüchternen“ Zuschauern als „Judas“ beschimpft, wie DSV-Alpinchef Wolfgang Maier berichtete.

Baumann ist nicht der erste "Überläufer"

Romed Baumann fuhr noch im Vorjahr unter österreichischen Farben. Vor der Streif aber, dort kam er schon mal als Zweiter ins Ziel, versagten ihm Kraft und Nerven. Er startete im Januar 2019 nicht in Kitzbühel, weil er sich beim Training nicht mehr sicher fühlte. Im Verband seines Landes, dem ÖSV, hatte Baumann, so viel war klar, keine Zukunft mehr.

Nun ist der Wechsel zu einer anderen Nation nichts Ungewöhnliches im Skisport, aber in Österreich wird das mitunter mit Argwohn verfolgt, wenn ein guter Läufer sozusagen das Land verlässt. Mindestens seit Zeiten eines Marc Girardelli, der mit seinem Vater schon als Teenager die Heimat im Streit verließ und dann als Wahl-Luxemburger in den Neunzigerjahren ein ganz Großer im Slalom, Riesenslalom und Super-G wurde.

Ein prominenter Wechsel vom DSV zum ÖSV war der von Katrin Gutensohn, die Tirolerin wechselte Ende der Achtziger zum deutschen Verband, sie war mit einem Deutschen verheiratet, was die Einbürgerung einfach macht. Romed Baumann ist mit einer Deutschen verheiratet und wohnt schon seit Jahren in Kiefersfelden im Landkreis Rosenheim.

Das deutsche Team hat in der Abfahrt mehr Luft nach oben als die breiter aufgestellten Österreicher, ein Bauman kam da zu einer rechten Zeit. Allerdings ist der zweimalige Juniorenweltmeister nicht in der Blütezeit seiner Karriere. Ein starkes Ergebnis wie das vom Sonnabend auf der Streif kann er womöglich nicht mehr so häufig bestätigen. Baumann, der fesche und kantig ausschauende Kerl, war auch schon zum Ende seiner Zeit in Österreich im späten Herbst seiner Karriere, seit Jahren konnte er sich häufig nicht mehr für das ÖSV-Aufgebot qualifizieren. Immer wieder wurde er in die Qualifikationsrennen geschickt. „Ich habe das zwei Jahre mitgemacht, die Qualimühle reibt dich irgendwann auf“, erzählte er während der Renntage von Kitzbühel.

„Jetzt ist er bester Deutscher, das ist doch eine Hammergeschichte“

Vor seinem Wechsel zum deutschen Verband war ein zweiter Platz bei der Weltcup-Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen sein bislang letztes gutes Resultat. Trotzdem sagte er 2019: „Ich habe das Gefühl, dass es das noch nicht gewesen ist.“ Beide Verbände stimmten dem Wechsel dann zu, den Österreichern fiel der Verzicht auf den schon so gut wie ausgemusterten Fahrer nicht schwer.

Wolfgang Maier hat schon erzählt, dass er von Funktionären anderer Verbände aufgezogen worden sei, ob „der Lusche“, die er nun im Kader habe. Nach dem Rennen vom Samstag freuten sich allerdings Baumanns neue Teamgefährten über dessen Erfolg. An sich hatten sich Thomas Dreßen, Sieger von 2018, und Josef Ferstl auf der Streif mehr erhofft als einen Platz jenseits der besten 20 Rennfahrer. Aber Ferstl sagte: „Jetzt ist er bester Deutscher, das ist doch eine Hammergeschichte.“

Die deutsche „Hammergeschichte“ war für die Österreicher bei der Siegerehrung und den späten Festivitäten im „Kitz-Race-Club“, einer temporären Festhalle für gut betuchte Skifans hinter den Tribünen, eine eher kleine Geschichte. Dafür war es zu wichtig, dass bei der 80. Auflage des Rennens am Hahnenkamm ein doppelter Heimsieg herauskam, mit einem etwas unglücklichen Nachspiel, wie der Zweitplatzierte mit ironischem Unterton anmerkte. Vincent Kriechmayr sagte zu Streif-Sieger Matthias Mayer: „Du hast unsere Hymne falsch gesungen.“

So etwas ginge gerade in der Heimat nun mal gar nicht. Mayer konterte: „Ich war noch nie ein guter Sänger und daran wird sich auch nichts ändern.“ So heilig ihnen das Skifahren in Österreich oft ist, der Humor ist ihnen eben auch heilig.

Der Autor reiste auf Einladung der Marke Tommy Hilfiger nach Kitzbühel.

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