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Lars Windhorst hat weiterhin ehrgeizige Ziele mit Hertha BSC. Mit der Zweiten Liga beschäftigt er sich nicht.

© dpa

Lars Windhorst über seine Pläne mit Hertha BSC: „Der Investor ist doch nicht der Diktator“

Lars Windhorst ist im Sommer 2019 bei Hertha BSC eingestiegen. Im dpa-Interview äußert er sich über seine Ziele mit dem Verein.

Lars Windhorst, 44, wurde im Teenager-Alter zum deutschen Unternehmer-Jungstar. Dem Höhenflug folgte der Absturz bis zur Privatinsolvenz. Heute ist er mit seiner Tennor-Group im internationalen Investment-Geschäft tätig. Bei Hertha BSC engagiert er sich seit 2019 als Geldgeber. Das Interview mit ihm führte Arne Richter von der Deutschen Presseagentur.

 

Herr Windhorst, welche Fußball-Position passt am besten zum Menschen Lars Windhorst: Torwart, Abwehrchef, Mittelfeldstratege oder Torjäger?

Ich würde sagen, ich bin eine Kombination aus Mittelfeld und Torjäger, definitiv Allrounder, der offensiv ausgerichtet ist.

Wie sehr ärgern Sie Niederlagen wie das 0:1 gegen die Bayern? Fühlt sich das wie eine persönliche Niederlage an?

Nein, das nicht gerade, aber natürlich ist man emotional mit den Spielern und dem Verein verbunden. Ich fiebere mit und das ist, was Fußball angeht, schon eine neue Erfahrung für mich. Das hatte ich das letzte Mal, als ich WM geschaut habe. Jetzt habe ich es, wenn Hertha BSC spielt. Das Spiel gegen Bayern macht Hoffnung auf mehr. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das in den nächsten Wochen auch sehen werden.

Wie halten Sie sich bei ihrem Arbeitspensum auf dem Laufenden? Können Sie alle Spiele schauen?

Natürlich klappt das nicht immer, dass ich die Spiele verfolgen kann. Aber ich versuche das so oft wie möglich. Und wenn es nicht geht, schaue ich mir später eine Zusammenfassung an.

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Sie prägten den Begriff Big City Club. War das ein Fehler?

Fakt ist, dass der Begriff Big City Club beschreibt, dass Hertha der Fußballverein der größten Stadt Deutschlands ist. Berlin ist eine weltweite Marke, eine tolle Bühne und ein tolles Umfeld für einen Fußballklub, um sich positiv und international zu entwickeln. Ist doch klar, dass der Einstieg eines Investors bei einem Verein wie Hertha einen Kulturwandel und eine Herausforderung bedeuten, die nicht reibungslos verlaufen. Das ändert nichts daran, dass ich weiter daran glaube, dass Berlin als große Stadt und Metropole Deutschlands und Europas mit Hertha BSC als Verein dieses Synonym rechtfertigt.

Kritiker sagen, das Engagement von Lars Windhorst bei Hertha hat sich schon bald wieder erledigt. Wie langfristig planen Sie wirklich?

Es ist sehr langfristig angelegt. Wir können uns durchaus vorstellen, hier zehn, zwanzig, dreißig Jahre engagiert zu bleiben. Es gibt auch Beispiele, wo andere Unternehmen sich langfristig im Fußball engagiert haben, Juventus Turin zum Beispiel mit der Familie Agnelli. Es würde mich freuen, wenn das möglich ist, das ist definitiv mein Wunsch. Niemand kann die Zukunft vorhersagen, ich auch nicht, aber es ist mein Anliegen, mich langfristig zu engagieren.

Hand aufs Herz. Wie oft haben Sie das Investment schon bereut?

Gar nicht, noch nie. Ich bin doch nicht mit der Erwartungshaltung eingestiegen, dass Hertha BSC zwölf Monate später einen Riesen-Börsengang hinlegt, Champions League spielt und ich mein Geld verdoppelt habe. Natürlich gab es gewisse Hürden, gewisse Dinge, die nicht so gelaufen sind, wie ich es mir erhofft hatte. Im schlimmsten Fall haben wir jetzt ein paar Monate Zeit verloren, das heißt aber doch nicht, dass die langfristigen Ziele nicht zu erreichen sind.

Aufsichtsrat Jens Lehmann forderte mehr Dankbarkeit für Sie in den Gremien des Vereins. Hat er Recht?

Hertha BSC als traditionsreicher Verein hat in seiner Geschichte seine eigene Kultur entwickelt. Ich bin ja komplett neu von außen dazugekommen. Es ist doch klar, dass da zwei unterschiedliche Kulturen und Mentalitäten aufeinanderstoßen. Das hat in vielen Bereichen etwas Eingewöhnungszeit in Anspruch genommen. Mir ist öfter von Finanzinvestoren oder selbst von Leuten in meiner Gruppe vorgehalten worden: Was ist denn das für ein Investment, kein Gewinn, kein Erfolg und nichts zu bestimmen? In der Finanzwelt ist ein solches Investment schon ungewöhnlich oder sogar exotisch. Dessen war ich mir ja bewusst. Aber ich habe die historische Chance gesehen, dass sich dieser Verein in und mit der Stadt, die ich liebe, zu etwas Großem entwickelt. Die Ruckeleien zwischen Investor und Vereinsführung sehe ich als gegenseitiges Abtasten. Klar hätte man weiter sein können. Aber gemessen am Gesamtziel sind die paar Hürden doch überwindbar.

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Das heißt, Sie haben Vermittlungsprobleme für das Investment in der Finanzbranche?

Natürlich gibt es da Erklärungsbedarf, weil - wie gesagt - aus Sicht der Finanzinvestoren dieses Investment ungewöhnlich ist. Aber wir stehen absolut dazu. Und wir sind ja alle gerade erst gestartet.

Mit Georg Kofler ist Ihr Aufsichtsrat-Quartett komplett. Carsten Schmidt ist neuer starker Mann in der Geschäftsführung. Wird es nach dem Aus von Manager Michael Preetz weitere Personalveränderungen in den Hertha-Gremien geben?

Das ist natürlich Sache der Vereinsführung. Aus eigener Erfahrung aber weiß ich, dass es immer Optimierungsbedarf gibt. Man darf nicht erwarten, dass mit einigen Personalentscheidungen schon der große Durchbruch kommt. Das ist jetzt ein wichtiger erster Schritt auf einem Weg, der für die Verantwortlichen noch viel Arbeit bedeutet.

Endet Ihr Engagement, wenn Hertha BSC in die Zweite Liga absteigt?

Ich gehe fest davon aus, dass wir nicht absteigen werden. Deshalb denke ich gar nicht daran. Ich glaube fest an die Qualität der Mannschaft und an den Trainer, der es schafft, diese Qualität in eine geschlossene Einheit zusammenzuführen. Das werden wir in den nächsten Wochen schon sehen. Von daher stellt sich die Frage nicht.

Das klingt sehr optimistisch für die aktuelle Lage. Andere Clubs stiegen auch schon ab, obwohl niemand daran glauben wollte.

Fragen Sie mich, wenn es eingetreten sein sollte. Wird es aber nicht, warum sollte ich mich heute damit beschäftigen?

Sogar Union Berlin hat der Hertha den Rang abgelaufen. Wurmt sie das?

Das ist beeindruckend. Mir zeigt es, wie schön emotional Fußball ist. Das ist positiv zu sehen, ärgert mich überhaupt nicht. Es ist für Berlin und Deutschland ein absoluter Gewinn, dass wir hier zwei große Vereine haben, die in der Bundesliga spielen. Ich würde mich freuen, wenn das langfristig so bleibt, dass wir einen intensiven Wettbewerb haben.

Ist die 50+1-Regel ein großes Ärgernis für Sie als Investor?

Das ist ein hoch emotionales Thema, das in Deutschland aktuell leider festgefahren ist. Dabei ist es nicht schwarz oder weiß. Klar, es gibt Beispiele, wo sich Investoren nicht hundertprozentig positiv für den Verein verhalten haben, sondern geschadet haben. Es gibt aber auch viele Beispiele, bei denen es durch die Investoren positive Entwicklungen gegeben hat, die den Vereinen genutzt haben. Schauen Sie einmal nach Großbritannien, wo die Wahrnehmung der Investoren durch die Fans eine ganz andere, positivere, als in Deutschland ist. Ich würde mir wünschen, wenn mein Engagement bei Hertha, unsere Zusammenarbeit, langfristig einen positiven Einfluss auf diese Diskussion bei uns hätte.

Fans machen aber unverändert Front gegen eine Abschaffung der Regel.

Ich will doch als Investor bei Hertha keine Fans verprellen oder gegen mich aufbringen. Im Grunde haben wir doch alle das gemeinsame Ziel, den Verein nach vorn zu bringen und Spaß am Fußball zu haben. Und Wettbewerb im Fußball, zu dem auch die finanzielle Ausstattung gehört, ist doch nichts Negatives. Wettbewerb macht doch Spaß.

Viele haben Angst vor einer Alleinherrschaft des Geldgebers.

Im Ernst, der Investor ist doch nicht der Diktator, der alles von oben vorgibt. Es geht darum, Menschen mitzunehmen, zu motivieren, für eine gemeinsame Sache zu kämpfen. Selbst wenn wir jetzt 100 Prozent hätten oder 50,1 Prozent Stimmrechte, kann ich als Finanzinvestor nicht einfach permanent reinregieren oder bestimmen. Ich brauche doch die Fans, die Mitglieder, die Fußball leidenschaftlich leben und den Verein tragen. Als außenstehender Investor kann ich das doch gar nicht leisten.

Kritiker sagen, Sie investieren bei Hertha nur aus Marketing-Gründen. Stimmt das?

Nein, das spielt für unser sonstiges Geschäft gar keine Rolle. Wir haben ja nicht Konsumenten als Zielgruppe, bei denen eine breite Öffentlichkeit helfen würde.

Sind für das Ziel Champions League weitere Investitionen als die bisher vereinbarten 374 Millionen Euro nötig?

Das kann man nicht vorhersagen. Schauen sie sich Frankfurt an. Die haben keine externen Mittel gehabt und erreichen wahrscheinlich trotzdem die Champions League oder Union, die haben noch weniger Mittel gehabt, und sie waren in den letzten Wochen auf einem Europapokalplatz.

Sind neue Investitionen denn geplant?

Es ist nichts geplant. Wir werden Hertha BSC langfristig begleiten und werden alles, was in unserem Einflussbereich steht, dafür tun, dass dieses Projekt zum Erfolg führt. Wir haben uns definitiv nicht engagiert, um auf halber Strecke eine Niederlage einzustecken.

Wir nehmen Sie mit in den Online-Fan-Shop der Hertha und spendieren Ihnen ein Pal-Dardai-T-Shirt, einen Fan-Schal Spree-Athen oder die Kaffeetasse mit den Wappen aller Berliner Bezirke. Was würden Sie sich aussuchen?

Ich nehme die Kaffeetasse, weil ich an Berlin in seiner Vielfalt glaube, absolut.

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