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Novak Djokovic nach seinem Wimbledon-Sieg

© Andrew Couldridge/REUTERS

Update

Längstes Wimbledon-Finale der Geschichte: Novak Djokovic gewinnt in einem beinahe endlosen Drama

Was für eine Spannung: In einem denkwürdigen Wimbledon-Finale setzt sich Novak Djokovic gegen Roger Federer durch.

Roger Federer stürmte ans Netz, den Sieg in Wimbledon vor Augen. Doch der von Novak Djokovic gespielte Vorhandball segelte am Schweizer vorbei ins Feld. Matchball vergeben, sogar schon den zweiten. Eine halbe Stunde später schleppte sich Federer eher gemessenen Schrittes dem Netz entgegen – zur Gratulation für seinen Gegner.

In einem dramatsichen Finale der Männer bei den 133. All England Championships von Wimbledon setzte sich Djokovic mit 7:6 (7:5), 1:6, 7:6 (7:4), 4:6 und 13:12 (7:3) durch und gewann seinen fünften Titel beim wichtigsten Tennisturnier der Welt. „Ich war einen Schlag davon entfernt, zu verlieren. In diesen Momenten versuche ich, den Glauben an mich nicht zu verlieren und einfach den Ball zurückzuspielen", sagte der 32-Jährige später auf der Pressekonferenz.

4:57 Stunden hatten sich die beiden Finalisten über den Centre Court getrieben und damit für das längste Männer-Endspiel in der Wimbledongeschichte gesorgt. Und wenn es in diesem Jahr nicht erstmals eine Tiebreak-Regelung für den Entscheidungssatz gegeben hätte, wäre dieses Match womöglich noch ewig weitergegangen.

Kurioserweise hatte es im gesamten Turnier zuvor in keinem Einzel einen finalen Tiebreak benötigt, um den Sieger zu ermitteln – weder bei den Frauen noch bei den Männern. „Ich werde versuchen, es zu vergessen“, sagte Federer im Interview auf dem Platz und hatte die Lacher auf seiner Seite.

Mit einem Erfolg wäre er zum ältesten Sieger bei einem Grand-Slam-Turnier aufgestiegen, doch auch darüber konnte er schon scherzen. „Ich denke, ich habe gezeigt, dass es mit 37 Jahren noch nicht vorbei ist“, sagte er. Djokovic griff die Vorlage direkt auf und meinte seinerseits: „Ich bin einer der Leute, die hoffen, dass es mit 37 noch nicht vorbei ist.“

4:57 Stunden trieben sich die Finalisten über den Platz

Der Titelverteidiger bewies in seinem sechsten Wimbledonfinale einmal mehr, dass er erst bezwungen ist, wenn er den letzten Punkt auch wirklich verloren hat. Danach sah es aus seiner Sicht beim Stand von 7:8 im fünften Satz und 40:15 bei Aufschlag Federer aus, aber es geschah eben nicht.

Federer verschlug zunächst eine Vorhand, dann wurde er passiert. „Klar, das war entscheidend. Du versuchst danach weiter daran zu glauben, das Spiel war ja noch nicht zu Ende. Aber es war schon hart, diese Chancen nicht zu nutzen“, sagte Federer nach dem Match.

Die Fans auf dem Centre Court hätten ihm den neunten Triumph in Wimbledon von Herzen gegönnt. Immer lauter wurde die Anfeuerung für ihn während das Spiel fortschritt. „Roger, Roger“-Sprechchöre wechselten sich mit„Let's go, Roger“-Gesängen ab. Allein: Djokovic zeigte sich davon einmal mehr unbeeindruckt.

Auch das ist eine Qualität, die ihn auszeichnet. Gegen alle Widerstände setzt sich der Serbe oft genug durch, mögen sie auch noch so groß sein und nicht nur auf der anderen Seite des Netzes stehen. „Ich wusste, wie die Atmosphäre sein würde. Trotzdem war es das mental forderndste Match meiner Karriere“, sagte Djokovic später.

Am Sonntag bewies er dazu wieder eine unglaubliche Nervenstärke, nicht nur bei den abgewehrten Matchbällen. Federer spielte insgesamt sogar konstanter, aber in den entscheidenden Situationen war Djokovic zur Stelle. Den ersten Satz holte er sich mit 7:5 im Tiebreak, ließ den zweiten Durchgang dann laufen, nur um dritten wieder im Tiebreak zur Stelle zu sein, diesmal mit 7:4. Der Serbe führte mit 2:1 nach Sätzen, obwohl er sich bis dato nicht einen Breakball erspielen konnte. Im vierten Satz schaffte Djokovic dann endlich ein Break, aber da lag er schon 2:5 zurück und konnte nur noch Ergebniskosmetik betreiben.

Djokovic fraß Gras - im wahrsten Sinne des Wortes

Dann ging es in den fünften Satz. Die Zuschauer wurden immer frenetischer, auch die Sonne schaute nun über dem Platz zu. Djokovic holte sich eine 4:2-Führung, Federer konterte aber sofort. Nach den vergebenen Matchbällen hatte Federer bei 11:11 noch einmal eine Breakchance, aber es folgte wieder einer dieser Momente, in denen Djokovic nicht zurückweicht, sondern aktiv bleibt. Im letzten Tiebreak war es dann wie zuvor; der Serbe war voll da, während sein Gegenüber plötzlich leichte Fehler einstreute.

„In den wichtigen Momenten, besonders in den drei Tiebreaks, habe ich mein bestes Spiel gefunden“, sagte er. Nach dem Erfolg ließ sich Djokovic auf dem Rasen nieder und steckte sich wie nach all seinen Siegen in Wimbledon ein paar Halme in den Mund. Viel mehr ließ er in diesem Moment nicht an Emotionen erkennen. Innerlich dürfte die Genugtuung umso größer gewesen sein. Mit dem 16. Erfolg bei einem Grand-Slam-Turnier liegt er nur noch vier hinter Federer. Spielt er wirklich bis zum Alter von 37 weiter, dürfte die Diskussion über den größten Tennisspieler der Geschichte in den kommenden Jahren noch ausgiebig geführt werden.

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