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Rein damit. Nico Schulz erzielt bei seinem Debüt das 2:1-Siegtor gegen Peru.

© dpa

Länderspiele nach der WM: DFB-Team mit Herz und Haltung

Die Länderspiele gegen Frankreich und Peru verschaffen Bundestrainer Joachim Löw eine Atempause. Doch es gibt noch einige Probleme.

Selbst im beschaulichen Sinsheim, wo die deutsche Nationalmannschaft empfangen wurde, als hätte es nie das WM-Debakel gegeben, rührten sich am Schluss nur noch wenige Hände zum Applaus. Dass sie das überhaupt noch taten, wird vermutlich an Nico Schulz gelegen haben. Der Berliner, früher in Diensten von Hertha BSC und inzwischen beheimatet bei der ansässigen TSG Hoffenheim, erzielte kurz vor dem Spielende das siegbringende 2:1. Es war ein Schuss, der diese Bezeichnung allerdings nur bei allergrößtem Wohlwollen verdient. Aber wie es im Fußball oft genug so ist: hinterher fragt danach kein Mensch mehr. Der 25-Jährige, der als Linksverteidiger sein Debüt für Deutschland gab, rettete halbwegs den Abend in der ausverkauften Arena.

Eine Woche war die deutsche Nationalelf nun zusammen seit ihrem kollektiven Desaster in Russland. Und ja, sie hat sich berappelt. Die Spieler haben die Primärtugenden wiederentdeckt, sie haben, insbesondere im Spiel gegen Weltmeister Frankreich, Leidenschaft, Herz und Haltung gezeigt – und im Auftreten wie in ihren Wortmeldungen gaben sie sich durchaus reuig, ob Weltmeister von 2014, Confed-Cup-Sieger von 2017 oder Debütant, von denen der Bundestrainer Joachim Löw in Sinsheim neben Schulz auch noch Thilo Kehrer, 21, und Kai Havertz, 19, einwechselte.

Was den Bundestrainer selbst anbelangt, so darf gesagt werden, dass er von seiner arroganten Spielweise, die bei der Weltmeisterschaft zum aus deutscher Sicht schlechtesten Abschneiden der Geschichte führte, abgekommen ist. Zudem hat Joachim Löw seine Außendarstellung überarbeitet, er wirkte gedanklich präsent, willens und engagiert. All das hatte man vom 58-jährigen Schwarzwälder beim Turnier in Russland vermisst.

Mangelnde Effizienz

Am deutlichsten war das Ende der Arroganz im Spiel gegen die Franzosen zu beobachten, wenngleich man sagen muss, dass die aufopferungsvolle Defensivleistung zu Kosten der Offensive ging. Zwar war in den Schlussminuten durchaus ein Siegtreffer möglich, doch die Franzosen hatten sich in Spiel eins nach ihrem Triumph merklich zurückgehalten.

Dennoch lässt sich auf die Leistung von München aufbauen. Leider tat die Nationalmannschaft das am Sonntagabend in Sinsheim nur eine Halbzeit lang. Das Team um den verbesserten Ilkay Gündogan und den motivierten Toni Kroos spielte flüssig nach vorn. Doch es zeigte sich abermals ein Manko, das die Nationalelf seit vielen Monaten mit sich umherschleppt – die Effizienz im Torabschluss. „Natürlich haben wir keinen, der der Torjäger Nummer eins ist und der jedes Spiel bombt“, sagte hinterher Julian Brandt, der die Führung der Peruaner durch Luis Advíncula schnell ausgeglichen hatte. Der 22 Jahre alte Leverkusener erinnerte an die Mittelstürmer der jüngeren deutschen Geschichte wie Sandro Wagner, Mario Gomez oder Miroslav Klose, er befand: „Einen klassischen Neuner haben wir im Moment nicht.“ Die letzten neun Tore der deutschen Elf erzielten neun verschiedene Spieler. Timo Werner und Marco Reus, die sich gegen Frankreich und Peru im Toreschießen versuchten, ließen gerade auch gegen die Südamerikaner im ersten Abschnitt „gute bis sehr, sehr gute Gelegenheiten“ aus, wie es hinterher Löw sagte.

„Wenn wir die Chancen machen, hätten wir einen ruhigeren Abend gehabt“, sagte etwa Joshua Kimmich, der auf seiner neuen Position im zentralen, defensiven Mittelfeld erneut ein gutes und engagiertes Spiel bot. Im zweiten Abschnitt allerdings fielen alle im deutschen Team ab, was nur teilweise mit den Wechseln zu tun hatte. Man hatte bisweilen den Eindruck, als würde die Mannschaft wieder die WM-Vorrunde spielen. Sie agierte planlos, war unorganisiert und überaus anfällig für gegnerische Konter.

Ilkay Gündogan noch leicht verunsichert

Der wiedererstarkte Ilkay Gündogan spürte „noch eine leichte Verunsicherung in der Mannschaft aufgrund der Geschehnisse in den letzten Monaten“, wie er sagte. Zwei passable Halbzeiten gegen Frankreich und eine gegen Peru sollten der Mannschaft Zutrauen schenken. Die zweite Halbzeit von Sinsheim war da eher ein Rückfall in gruselige Zeiten.

Im Oktober wird sich die Mannschaft in Berlin versammeln. Dann stehen zwei schwierige Auswärtsspiele in der neugegründeten Nations League in Paris gegen Frankreich und in Amsterdam gegen die Niederlande an. Dann wird die Mannschaft zu beweisen haben, wie weit es her ist mit dem viel propagierten Neuanfang.

Gerade auch Joachim Löw, für den Russland eine schwere wie persönliche Niederlage darstellte, weiß, wie wackelig das Mannschaftsgebilde und wie dünn das Eis ist, auf dem er steht. Dass neben den Spielern auch er weiter „unter Beobachtung“ steht, wie er sagte. „Damit sich die Fans wieder voll und ganz mit der Mannschaft identifizieren können, braucht es noch einige sehr gute Leistungen. Aber wir haben gezeigt, dass wir gewillt sind, das zu tun“, sagte Löw.

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