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Jesse Lingard (l.) versemmelt kurz vor Schluss den Siegtreffer für England.

© Reuters/Toby Melville

Länderspiel in London: Der ausgelassene Sieg - Deutschland gegen England endet torlos

Die deutsche Nationalmannschaft trennt sich von England im Wembley 0:0. Trotzdem entwickelte sich ein munteres, ein phasenweise sogar schwungvolles Spielchen.

Das Freundschafts-Länderspiel hatte gerade eine kleine schöpferische Pause eingelegt, und so flogen ein paar Dutzend selbstgefalteter Papierflugzeuge von den Rängen des mit 81 382 Zuschauern nicht ganz ausverkauften Wembley-Stadions. Es stand 0:0, aber auch keines der kleinen Kunstwerke sollte an diesem Abend den Weg ins Tor finden. Und weil der Unterhaltungswert nicht mehr vergleichbar war mit dem der ersten Spielhälfte, trennten sich am Ende Englands Fußball-Nationalmannschaft und die des Weltmeisters aus Deutschland 0:0.

Im vorletzten Länderspiel des Jahres schonte Bundestrainer Joachim Löw Abwehrspieler Jerome Boateng und seinen Chef-Strategen Toni Kroos. Spieler wie Thomas Müller oder Manuel Neuer sind verletzt und waren erst gar nicht angereist. Aber auch bei den Gastgebern fiel eine Reihe von Stammkräften aus, darunter Mittelfeld-Ass Dele Alli und Torjäger Harry Kane.

Trotzdem entwickelte sich ein munteres, ein phasenweise sogar schwungvolles Spielchen, das der Weltmeister in der ersten Hälfte dominierte. Löw hatte sich für ein 3-4-3-System entschieden, welches bei Confed-Cup erfolgreich erprobt worden war, wobei der Comebacker Ilkay Gündogan und – etwas überraschend auf der Sechser-Position gelandet – Mesut Özil das zentrale Paar bildeten. Sie führten aber eine Stunde geschickt Regie, entzogen sich gefällig ihren Bewachern und brachten den einen oder anderen gefährlichen Spielzug auf den heiligen Rasen des Wembleys. Dem Leipziger Timo Werner boten sich allein im ersten Abschnitt drei Torchancen, dreimal scheiterte er am guten englischen Torhüter Jordan Pickford.

Gündogan merkte man seine lange Spielpause an

Ganz ähnlich erging es Leroy Sané. Der erste Schuss des Offensivspielers von Manchester City ging knapp am Tor vorbei, sein zweiter Versuch vom Strafraumeck knallte gegen die Unterkante der Latte und von da ins Feld zurück. Das sollte letztlich das einzige Manko des deutschen Spiels werden, die ungenügende Chancenverwertung. Der Gastgeber kam nur kurz vor dem Halbzeitpfiff zu zwei Halbchancen. Zunächst landete ein von Antonio Rüdiger unglücklich abgefälschter Schuss knapp neben dem deutschen Tor. Anschließend klärte Matthias Ginter für den von Englands Sturmspitze Jamie Vardy schon überlupften Torwart Marc-André ter Stegen. Rüdiger und Ginter bildeten zusammen mit dem zentral postierten Ersatzkapitän Mats Hummels die deutsche Dreier-Abwehrkette.

Ihre an diesem Abend beste Chance bot sich den Gastgebern gleich zu Beginn der zweiten Hälfte – erneut durch Vardy, dessen Kopfball ter Stegen mit einer Glanztat gerade noch parieren konnte. Hummels hatte den Stürmer von Leicester City einen Moment aus den Augen verloren. Danach aber war der Abwehrchef wieder auf der Höhe des Geschehens und konnte zweimal dicht hintereinander bereinigend eingreifen.

Die Deutschen konnten nun aber nicht mehr ihr variables Offensivspiel durchziehen, Gündogan merkte man seine lange Spielpause an. Er selbst sagte vor zwei Tagen, dass er erst bei 70, 75 Prozent sei, doch Gündogan musste bis kurz vor dem Abpfiff durchhalten, als Löw noch einmal Sebastian Rudy und Julian Brandt (für Sané) reinwarf. Zunächst hatte der Bundestrainer Emre Can für den blassen Julian Draxler gebracht, kurz darauf ersetzte der hünenhafte Sandro Wagner den wuseligen Werner. Doch Wagner konnte von seinen Mitspielern längst nicht mehr so in Szene gesetzt werden, wie anfangs noch Werner.

Das Ergebnis sei zwar wichtig, aber „nicht maßgeblich“, hatte der Bundestrainer vor dem Spiel gesagt. Er wollte mit Blick auf die WM im kommenden Sommer ein paar Dinge ausprobieren und Erkenntnisse gewinnen. Zu den positiven Überraschungen zählte Debütant Marcel Halstenberg von RB Leipzig. Der 26 Jahre alte Abwehrspieler wirkte gestern in beiden Spielrichtungen sicher. In dieser Form ist er ein echter Konkurrent für Herthas Linksverteidiger Marvin Plattenhardt, der gestern nicht zum Einsatz kam. Dass die Mannschaft seit dem Halbfinale der EM im vorigen Sommer in Frankreich ungeschlagen bleibt, wird für Löw ein schwacher Trost sein. Chancen für einen Sieg in Wembley gab es genügend. (Tsp)

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