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Trainer Jeff Tomlinson wirkt nach der Niederlage gegen Straubing ratlos.

© Imago

Krise bei den Eisbären: Ist Jeff Tomlinson der richtige Trainer?

Nach dem verpatzten Saisonstart und dem Sturz auf den letzten Tabellenplatz rückt beim deutschen Eishockeymeister Eisbären Berlin zunehmend auch die Arbeit von Trainer Jeff Tomlinson in den Fokus.

Berlin - Jeff Tomlinson bat seinen Manager um Hilfe. Auf Wunsch des Trainers der Eisbären hielt Peter John Lee eine Ansprache an die Spieler in der Mannschaftskabine. Dass etwas passieren musste, war im Erdgeschoss der Arena am Ostbahnhof klar. Am elften Spieltag war der Berliner Klub ans Tabellenende der Deutschen Eishockey-Liga gestürzt. Die Eisbären, der Serienmeister. Doch nun, am Sonntag, als Lee zu den Spielern sprach, da war beim 2:4 gegen Straubing gerade das siebte Saisonspiel verloren gegangen und wurde auch dem Letzten klar, dass die Berliner inmitten ihrer größten sportlichen Krise seit Jahren angekommen sind.

Nun ist es ungewöhnlich, dass ein Trainer den Manager um eine Ansprache an die Spieler bittet. Doch im Falle von Tomlinson, seit dieser Saison Cheftrainer der Eisbären, könnte es als Offenbarungseid interpretiert werden. So nach dem Motto: „Mach du mal, ich weiß nicht mehr, ich kann nicht mehr!“ Es gibt Anzeichen, die das Berliner Engagement des smarten Kanadiers unglücklich erscheinen lassen. Ist Tomlinson wirklich der richtige Trainer für die Eisbären?

Mannschaftskapitän André Rankel beantwortete am Sonntag die Ist-der-Trainer-Schuld-Frage mit einem knappen „nein“. Was sonst? Die Spieler waren vor der Saison kollektiv glücklich, als ihr alter Nachwuchs- und Co-Trainer nach zwei guten Trainerjahren in Düsseldorf und einem schlechten halben Trainerjahr in Nürnberg in Berlin das Erbe des erfolgreichen Don Jackson antrat. Er freue sich auf „Tommer“, sagte Rankel. Und da deutete sich an, was für Tomlinson zum Problem wird: Der Kumpeltyp, den er nicht spielen will. Aber aus der Rolle kommt er nicht schadlos heraus bei den Eisbären. Alte Freunde nehmen es einem alten Freund im Normalfall übel, wenn er nicht mehr ihr Freund sein will. Offensichtlich befolgen die Spieler nicht immer seine Ansprachen. So wollte der Trainer wie beim 4:3-Erfolg in Augsburg am Freitag gegen Straubing abwartend defensiv spielen lassen, doch seine Profis agierten offensiv gewagt. Und das, wie ihr Trainer fand, ohne Emotionen: „Die habe ich vermisst, und das ist ein ganz großes Thema.“

Jeff Tomlinson sagt: „Ich bin schon zehn Jahre im Verein, ich habe schon andere Krisen erlebt.“ Das stimmt, betrifft aber vor allem seine Zeit als Spieler. Als Tomlinson selbst über das Eis lief, waren die Eisbären noch nicht der Spitzenklub, zu dem sie in elf Jahren unter den Trainern Pierre Pagé und Don Jackson wurden. Tomlinson hat allerdings auch nicht die Möglichkeiten seiner Vorgänger. Der Trainer kann es sich nicht leisten, die formschwache Sturmreihe mit Darin Olver, Barry Tallackson und Florian Busch etwa im nächsten Spiel am Freitag gegen Hamburg zu degradieren. Wer soll dann angreifen? Die Berliner haben in den jüngsten Jahren zu viel Substanz verloren, darunter Anführer auf dem Eis wie Steve Walker, Denis Pederson, Stefan Ustorf, Richie Regehr und den für die Tiefe wichtigen Sven Felski. Gekommen ist kaum adäquater Ersatz: Vergangene Saison hat Manager Lee sieben neue Spieler verpflichtet. Eine Saison später stehen von diesen Profis nur noch der Dauerverletzte Matt Foy und Ersatztorwart Sebastian Elwing im Kader.

Dass die Eisbären vergangene Saison Meister wurden, war angesichts ihrer Besetzung eine Überraschung und zum großen Teil auch ihrem in den Jahren unter Jackson gewachsenen Selbstbewusstsein geschuldet. Doch Jackson ist in Salzburg, damit scheint sich auch das Selbstbewusstsein verflüchtigt zu haben. Verwalten lässt sich die Mannschaft nicht, das ist das große Dilemma des Jeff Tomlinson. Dass er von seinem Freund und Manager Lee nicht infrage gestellt wird, ist wenig erstaunlich. Seitdem Uli Egen 2002 gehen musste, haben die Eisbären keinen Trainer mehr gefeuert. Tomlinson ist erst der dritte Trainer nach Egen. Wer den Erfolg jahrelang durch Kontinuität erreicht hat, der braucht eben etwas länger, um in der neuen Realität anzukommen.

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