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Kein schöner Land: AC Mailands dunkelhäutige Spieler Kevin-Prince Boateng (l.) und Mario Balotelli nach dem Spielabbruch gegen den AS Rom.

© Reuters

Kommentar: Rassismus in Italien: Balotelli und noch mehr

Wieder einmal ist Italiens Fußball vom Rassismus eingeholt worden: Italien, dieses so gastfreundliche Land?, wundern sich Ausländer. Doch trotz aller internationalen Migrationsströme war die italienische Gesellschaft bis vor kurzem rein weiß geprägt.

Erst kürzlich wurde vom AC Mailand das Testspiel beim italienischen Viertligisten mit dem Klubnamen „Pro Patria“ wegen rassistischer Beleidigungen aus dem Publikum abgebrochen. Kevin-Prince Boateng, Milans dunkelhäutiger Mittelfeldspieler, hatte als Antwort auf ständige Verhöhnungen den Ball statt aufs gegnerische Tor demonstrativ in die Zuschauerränge gejagt und den Platz verlassen.

Jetzt am Wochenende war in Italiens erster Liga, der Serie A, wieder ein Spiel des AC Milan betroffen: Fans des AS Rom hatten Mailänder Spieler wie den dunkelhäutigen Mario Balotelli derart geschmäht, dass der Schiedsrichter die Partie vorübergehend unterbrach. Ansonsten gilt Romas Konkurrent Lazio, der Verein von Miroslav Klose, als Hort neofaschistischer Mitglieder und Tifosi. Die Kette rassistischer Ausschreitungen in den Stadien zwischen Verona und Palermo ist lang, sie wird immer länger.

Und Ausländer wundern sich. Weil Italien, von Touristen seit Jahrhunderten besucht, ein so gastfreundliches Land ist. Doch trotz aller internationalen Migrationsströme war die italienische Gesellschaft bis vor kurzem rein weiß, auch Italiens Fußballnationalmannschaft. Farbige, das waren die Brillen- und Taschenhändler am Strand, die man „Vucumbras“ („Wilschtgaufn“) nannte. Mario Balotelli gilt dagegen als Phänomen – während der letzten EM bei seinen Toren gegen Deutschland bejubelt und bestaunt. Aber nicht nur wegen seines unberechenbaren Temperaments bis heute: nie geliebt.

Es gibt tiefere Ursachen der aggressiven oder latenten Verdrängung. Silvio Berlusconi beispielsweise hat in den letzten 20 Jahren seiner Politik und Medienherrschaft die faschistische Ära Mussolinis eher verklärt, der Genozid der Italiener an hunderttausenden Äthiopiern in ihrem mit Giftgas geführten Annexionskrieg 1935/36 ist bis heute kein Thema im Geschichtsunterricht. Und die vor allem im reichen Norden noch immer maßgebliche Lega Nord ist eine offen fremdenfeindliche Partei. Deshalb haben sie in der Regierung in Rom noch viel zu tun: die aus Deutschland stammende neue Sportministerin Josefa Idem und die im Kongo geborene neue Integrationsministerin Cecile Kyenge.

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