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Rarität. Die Franzosen sind noch nicht so in WM-Fieber wie die deutschen Fans.

© Sebastian Gollnow/dpa

Kolumne Tour de France: Frankreich muss sich noch an die Frauen-WM gewöhnen

Die Franzosen haben eins mit den DFB-Frauen gemeinsam: Sie müssen erstmal ins Turnier kommen. Am Sonntag war das Finale der French Open wichtiger.

Die Tür der Sportsbar in Lille ist weit geöffnet, davor stehen ein paar Stühle. So können die Gäste draußen sitzen und rauchen und haben trotzdem einen perfekten Blick auf die Leinwand. Noch sind keine Gäste da, nur der Barkeeper stimmt sich mit einem kleinen Cider auf den Arbeitsabend ein. Drinnen spielt sich Rafael Nadal gegen Dominik Thiem zu seinem zwölften Sieg der French Open. Das zeitgleich stattfindende Vorrundenspiel der Frauen-Weltmeisterschaft zwischen Brasilien und Jamaika hat eine geringere Priorität. „Nachher mache ich aber die WM an“, verspricht Danny, der Barkeeper.

Doch selbst wenn zeitgleich kein legendäres Tennis-Match laufen würde: Die Franzosen, die sich das Spiel der Fußballerinnen ansehen würden, passen wahrscheinlich in einen einzelnen Mannschaftsbus. Denn bislang wissen viele noch gar nicht, dass zurzeit das größte weltweite Fußballereignis des Jahres stattfindet – und zwar in ihrem Land. Menschen mit geschminkten Flaggen auf den Wangen und Trikots beim Public Viewing findet man noch seltener als das deutsche Team eine Lücke in der chinesischen Abwehr.  

Kurze Zeitreise zum vergangenen Samstag. In Rennes, dem Ort des Auftaktspiels des deutschen Teams, bauen einige Volunteers am Morgen des Spiels eine kleine Fanmeile auf. Am einen Ende kickt ein Vater mit seinen zwei kleinen Söhnen auf einem improvisierten Fußballfeld. Am anderen Ende läuft das gelbe Plüsch-Maskottchen Ettie auf und ab in der Hoffnung, dass doch irgendjemand endlich um ein gemeinsames Selfie bittet. Und mitten auf der Meile steht hinter einer deutschen und einer chinesischen Flagge ein DJ und versucht schon ab zehn Uhr morgens, den Rennais mit lauter Musik des amerikanischen Sängers Drake Lust auf Fußball zu machen.

Das funktioniert ähnlich gut wie die Halbzeitshow von Helene Fischer im DFB-Pokal-Finale. Zumindest wirken die Franzosen in den umliegenden Cafés wenig begeistert und so, als würden sie lieber ungestört weiter brunchen. Dann läuft ein älteres Ehepaar langsam auf die Meile. Sie hält den Stadtplan fest gespannt zwischen ihren Armen, er blickt über ihre Schulter und sagt auf Deutsch: „Wo sind wir denn jetzt gerade?“ Ein deutsches Paar. In Rennes. Am Tag des Deutschlandspiels. Auf der Fanmeile. Bestimmt Fans des DFB-Teams, oder? 

Fans sind vor allem "nur zufällig da"

„Wir sind nur zufällig da“, sagt sie. Auch eine Gruppe von deutschen Endzwanzigern im Café wundert sich, warum vor ihnen Flaggen mit „World Cup“ wehen. „Ich glaube echt, hier ist WM“, sagt einer der Männer. Immerhin: Ein paar Minuten später spaziert eine Frau im Deutschland-Trikot auf die Meile. Laudehr steht auf ihrem Rücken. Simone Laudehr, langjährige Spielerin der Nationalelf, wurde für die WM nicht mehr nominiert. Das Trikot trägt jetzt Nico, die seit Jahren Fan des deutschen Teams ist. Sie lobt vor allem, dass Frauenfußball technisch attraktiv ist und es keine Hassgesänge gibt. Tatsächlich gibt es in Rennes noch gar keine Gesänge.

Im Stadion ändert sich das, mehr als 15.000 Menschen sind zum Spiel zwischen Deutschland und China gekommen. Und je weiter das Turnier voranschreitet, desto größer wird auch das Interesse der Franzosen an der WM. Meint zumindest Danny, der Barkeeper aus Lille. Wie das deutsche Team müssen die französischen Fans also erstmal ins Turnier kommen. 

Danny stellt nach dem Matchball von Nadal wirklich sofort um und zeigt das WM-Spiel England gegen Schottland. Aus einer Ecke seiner Bar hört man nun immer wieder Jubelschreie. Englische Fans? Schottische Fans? Fußballfans? Nein, nur ein paar Franzosen beim Kartenspiel.

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