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Wenn man erst mal den inneren Schweinehund überwunden hat, kann man auch in der Stadt gut laufen.

© Britta Pedersen/dpa

Kolumne: So läuft es: Jeder Lauf ist ein Geschenk

Gemeinsame Läufe helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden und die Bewegung richtig zu genießen – gerade im Winter.

Es waren 16 wunderbare Kilometer unter Lauffreunden. Schönhauser Allee, Pankow, Blankenburger Straße, Pasewalker Straße, Prenzlauer Allee und wieder auf die Schönhauser. 16 Kilometer mitten durch das Leben, vorbei an Geschäften, ein erfrischender Urban Run durch Berlin. Am Ende sagte Laurens voller stolz: „Danke für diesen tollen Lauf. Nach dem Frankfurt-Marathon habe ich nichts mehr gemacht. Und oft falle ich gerade im Winter in ein Loch, mache nicht viel. Aber dieser Lauf hat mich wieder komplett motiviert, bis zum Ende des Jahres durchzuziehen.“

Genau für solche Momente ist das gemeinsame Laufen da. Das sind die Situationen, in denen ich mir so oft denke: Jeder Lauf ist ein Geschenk, auf seine ganz eigene Art und Weise. Jochen und ich haben die 16 Kilometer genutzt, um uns endlich mal wieder auszutauschen, wir sehen uns deutlich zu selten. Wir sind gerne miteinander, genießen die Zeit. Beim Lauf in Berlin verging sie wie im Flug. Als wir starteten, hatte ich bereits einen Zwölf-Stunden-Arbeitstag hinter mir, mir war eher nach einer Badewanne. Ich bekam einen See voller Lachen und die anderthalb Stunden fühlten sich an wie 30 Minuten. Der Obdachlose am U-Bahnhof Pankow ist mir jedoch nicht entgangen. Bewegen konnte er sich kaum, gezeichnet von Drogen und Alkohol. Sein Hund spendete ihm ein wenig Wärme an diesem frischen Herbstabend. Unsere Kollegin Karen hatte erst gar keine Chance, uns zu begleiten, denn nach einer schweren Operation ist für sie überhaupt noch nicht ans Laufen zu denken.

Während unseres Laufs registrierte ich immer und immer wieder Blicke. Für mich fühlten sie sich beinahe sehnsuchtsvoll an. Als ob uns diese Menschen sagen wollten: „Au Mann, ich würde auch gerne mitrennen, aber der Schweinehund! Dieser verdammte Schweinehund!“ Oder auch: „Ich kann gerade nicht laufen, aus körperlichen Gründen, aber ich würde so gerne.“ Dann fragte mich Jochen: „Was meinst du? Was wird in Zukunft wichtig fürs Laufen sein? Wohin wird sich das Laufen entwickeln? Was wird es ausmachen?“

Meine Antwort lautetet: „Es wäre schön, wenn Menschen einfach das Gefühl bekommen würden, dass sie ihr eigener Held sind.“ Egal ob sie fünf, zehn, 21 oder 42 Kilometer laufen. Ob sie schnell oder langsam laufen, spielt auch keine Rolle. Zu performen kann wichtig sein, muss es aber gar nicht. Wirklich wichtig ist nur, dass sie sich gut fühlen. Dass sie ihre persönlichen Heldenerlebnisse haben, dass sie das Laufen wirklich als ein Geschenk betrachten. Es ist nicht selbstverständlich, laufen zu können. Alleine unser Abend hat mir das klar und deutlich gezeigt. Jeder Lauf ist ein Geschenk und nicht etwa ein lästiges Übel. Oder gar Mittel zum Zweck. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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