zum Hauptinhalt
Selbst das Pokemon Pikachu läuft.

© AFP

Kolumne: So läuft es: Echte Läufer spielen nicht Pokémon Go

Was ist kaputt in unseren Köpfen, dass sich Deutschland von einer Pokémon-App nahezu kontrollieren lässt? Unser Kolumnist setzt auf die Lauf-Realität.

Eigentlich wollte ich nur einen Freund in der Nähe von Köln besuchen, um mit ihm zu laufen. Ich kam nicht weit mit dem Auto, denn es schmissen sich drei erwachsene Menschen vor mir auf die Straße. Auf dem Mittelstreifen vor mir saß ein Pokémon. Tat mir echt leid, wie konnte ich auch so vermessen sein und beinahe drei Menschen umnieten. Ich hätte einfach aufpassen müssen. Klar! Tut mir leid, Taubsi, Rattfratz, Sterndu, Ponita, wen auch immer ich beinahe platt gefahren hätte. Auf den Schreck nahm ich erstmal ein Bonbon, das ich mir gar nicht verdient hatte. Denn, ich traue es mich kaum zu sagen, ich bin sowas von ohne Humor, ich lache auch nur wenn ich laufe, aber: Ich spiele Pokémon Go nicht!

Es war ein wunderbarer Lauf mit meinem Lauffreund. Bis zu dem Moment, als wir um die Kurve bogen. Mit recht hoher Geschwindigkeit. Das Pokémon-Stauende befand sich hinter einer Kurve, und wir knallten voll hinein. Ein völliger Skandal, denn die Gruppe von erwachsenen Menschen brütete gerade Pokémon aus, um Sternenstaub zu bekommen, der sie ins nächste Level katapultieren sollte.

Der Hype ist doch pathologisch

Was ist eigentlich kaputt in unseren Köpfen? Deutschland scheint recht wenige Probleme zu haben, wenn es sich von einer Pokémon-App nahezu kontrollieren lässt. Wenn sich Menschen in der Tat in Gefahr bringen, die App sogar beim Autofahren benutzt wird, weil ein Pokémon auf dem Lenkrad sitzt. Und allen Ernstes unterstützen Fitnesstrainer und Ernährungswissenschaftler den Einsatz des Spiels. So kommen Kinder endlich mal spielerisch wieder an die frische Luft, heißt es. So bewegen sie sich endlich wieder. Auch alle Bürohengste bekommen so wieder mehr Bewegung.

Ein mir bekannter Fitnesscoach behauptete nun: Ein Big Mac hat 500 Kalorien. Um die zu kompensieren müsste man 150 Minuten Yoga machen. Oder aber nur 130 Minuten bei Pokémon Go Eier ausbrüten. Leute, das ist doch pathologisch, oder nicht?

Auch echte Gegner sind möglich

Also, klare Sache: Wenn es schon ein Big Mac sein muss, dann reichen etwa 50 Minuten Laufen. Dann ist das Ding verbrannt. Auf jeder ordentlichen Laufstrecke kommen Euch kläffende kleine Hunde entgegen. Fangt sie, und gebt sie den Besitzern zurück. Die schenken Euch dafür vielleicht ein Bonbon. Und Ihr werdet Euch fühlen, wie auf dem nächsten Level.

Wer noch verrückter sein will, der läuft einfach mal quer durch den Wald. Mit etwas Glück begegnet Euch ein Reh-Pokémon. Ein echtes! Versucht es mal mit der Handykamera einzufangen, und ein Bild zu schießen. Ein riesen Spaß. Ehrlich!

Und wer ganz verwegen ist, der läuft einer sexy Läuferin oder einem sexy Läufer hinterher. Sehr sehr leise. Als ob Ihr etwas ausbrüten würdet. Und wenn Ihr ganz keck seid, dann schlagt Ihr zu – und fangt das Läufer-Pokémon ein. Ihr werdet Euch wie ein Gewinner fühlen.

Anstatt die kleinen Monster in der Arena gegeneinander kämpfen zu lassen, sucht Euch einen echten Laufgegner. Und werdet schneller und besser. Aber Achtung! Das ist das wahre Leben. Also echtes Leben. Mit Luft und Wald und ohne digital und so. Kennt Ihr das noch? Versucht es einfach mal. Ist total verrückt. Gibt’s sicher bald auch als App. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

Zur Startseite