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Rettungskräfte suchen im Mai 2016 nach zwei verschwundenen indischen Bergsteigern am Mount Everest.

© AFP

Kolumne: So läuft es: Vegan bis in den Tod?

Eine vegane Läuferin bricht bei der Besteigung des Mount Everest zusammen und stirbt. Im Internet hagelt es wegen ihrer Ernährung Hasskommentare. Erbärmlich, findet unser Kolumnist.

Wenn Ernährung zur Religion wird, wenn die Haltung zum Essen militante Formen annimmt, dann wird es nicht nur albern. Sondern auch in der Tat gefährlich. Wenn es um vegane Ernährung geht, explodiert regelmäßig eine gefährliche Suppe aus Spott, Hohn, Beleidigung, Hass und Unmenschlichkeit. Und zwar an allen Fronten. Auf beiden Seiten. Vegane Ernährung ist nicht nur einfach ein Hipster-Ding, vegane Ernährung ist eine Lebenseinstellung, vegane Ernährung ist Zeitgeist und hat auch bei den Läufern einen festen Platz gefunden. Daran ist nichts auszusetzen, mir persönlich ist es völlig egal, wer was isst. Hauptsache es wird gegessen, und man hat Spaß miteinander. Der Spaß hört dann auf, wenn es militant und manipulierend wird. Noch unspaßiger wird es, wenn es anhand der Ernährung darum geht, wer nur der bessere Mensch, der bessere Sportler ist. Das ist absurd. So absurd, dass nun ein Mensch gestorben ist.

Die Bergsteigerin Maria Strydom aus Südafrika hat ihr Leben verloren. Sie bestieg den Mount Everest aus einem besonderen Grund. Kurz vor ihrer Reise zum höchsten Punkt der Erde erklärte sie: „Menschen denken, dass Veganer schwach sind. Wir wollen das Gegenteil zeigen. Veganer können alles. Und noch mehr.“ 100 Höhenmeter vor ihrem Ziel musste Maria Strydom entkräftet umkehren. Im Lager wurde sie mit Medikamenten versorgt, litt jedoch schon an der Höhenkrankheit und verstarb kurze Zeit später, wahrscheinlich an Sauerstoffmangel, im Beisein ihres Mannes, mit dem sie gemeinsam für die vegane Sache den Gipfel erklimmen wollte.

Ihr Tod war schlicht unnötig. Niemandem ist damit geholfen. Und nein! Wenn Veganer nun auf die wirre Idee kommen: „Ihre Geschichte hat es in die Medien geschafft, ist doch gut für vegan“, der geht in der Tat über Leichen. Erschreckend ist, dass Maria Strydom weder sich selbst noch einer offenen Ernährungsdebatte einen Gefallen getan hat. Denn sie hat die Vegan-Hasser-Geister gerufen. All die, die nicht besser sind als militante Veganer selbst. Diese schmieren ihre Hasskommentare unter den Trauerpost ihrer Mutter. Stimmen werden laut wie: „Anscheinend hat sie, nachdem sie bewusstlos wurde und im Krankenhaus aufwachte, zwei Stunden nach dem Fahrer des Krankenwagens gesucht, um ihm noch zu sagen, dass sie Veganerin ist.“ Und das obwohl Maria nicht deshalb gestorben ist, weil sie Veganerin ist. Hohn, Spott und Hass zum Thema Maria Strydom machen sich im Netz breit. So wie es immer ist, gerade wenn es um vegane Sporternährung geht.

Erbärmlich ist das. Schon lange ist das auch unter Läufern so. Und es macht mich einfach unfassbar traurig. Warum laufen wir nicht einfach leise? Für uns selbst. Warum betreiben wir nicht einfach Sport? Für uns selbst. Warum ernähren wir uns nicht einfach so wie wir wollen? Warum dürfen wir nicht einfach still und leise sein wie wir wollen? Jeder für sich. Maria Strydom postete noch am 7. März auf ihrer Seite: „Ich bin anders, ich war immer anders. Ich habe akzeptiert, dass ich trotzdem zauberhaft bin. Nicht für jeden zu verstehen, deshalb fragen sie. Das ist okay. Ich werde meinen Weg weitergehen, und zauberhaft und all das bleiben.“ Lassen Sie uns alle zauberhaft und all das sein. Es muss niemand dafür sterben. So läuft es!

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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