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Das Kind an der Brust: Sophie Power bei UMTB.

© AFP

Kolumne: So läuft es: Sophie Power hat das Maß verloren

Drei Monate nach der Geburt ihres Babys läuft Sophie Power einen Ultramarathon - mit Kind. Unser Kolumnist kann das nicht nachvollziehen.

Bei der Gender Debatte, die seit Jahren tobt, bin ich als Mann vorsichtig geworden. Die Diskussion macht den Mann schnell zum gesellschaftlichen Problemfall. Er ist sexistisch, Extremist, Chauvinist, erhebt sich über das andere Geschlecht. Er ist Opfer des Feminismus, wenn er sich auch nur im Ansatz kritisch äußert.

Deshalb habe ich über Sophie Power zunächst mit Frauen gesprochen. Mit Frauen, die laufen. Die gerne viel laufen, die auch im besten Fall Mutter sind. Und unisono haben sie sich alle an den Kopf gefasst. Im besten Fall. Einige teilen meine Meinung: Wer als Frau ein Baby von drei Monaten hat, einen Ultramarathon läuft, sich an jeder Verpflegungsstation Milch abpumpt und diese dem Mann mitgibt, damit er das Baby füttern kann, hat den Schuss nicht gehört. Zwischendurch hat sie sich das Kind zum Stillen reichen lassen, während sie an der zweiten Brust weiter abpumpte. Dem Magazin Runnersworld sagte sie im Interview, dass sie damit etwas zeigen wolle. Dass es wichtig sei, in der Schwangerschaft und auch danach fit, stark und gesund zu bleiben.

Machen wir uns nichts vor: Einen Ultramarathon zu laufen hat nichts, aber auch gar nichts Gesundes. Wer seinen Körper solchen Strapazen aussetzt, der muss genau wissen, was er tut. Die Fitness wird durch einen Ultramarathon ganz sicher nicht besser, die Zellschädigung von Herz und Nieren ist nur einer von vielen Aspekten. Soweit so schlecht.

Diese Inszenierung ist aus einem anderen Grund kritikwürdig: Indem sie ein unrealistisches und gesundheitsschädliches Ideal vom Aussehen und Verhalten von Frauen kurz nach einer Geburt propagiert.

schreibt NutzerIn happyrocker

Sophie Powers Egoismus ist zu keiner Zeit nachzuvollziehen oder gar entschuldbar

Sophie Power hat dennoch für sich entschieden, den Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) zu laufen. Und dabei hätte sie es belassen sollen. Ein kleines Baby in den Extremsport gegen seinen Willen hineinzuziehen, das ist eine Form von Missbrauch. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens stillt sie ihr Baby in der Regel alle drei Stunden, das konnte sie beim UTMB nicht im Ansatz einhalten. Und zweitens hat sie ihren Sohn zu Werbezwecken eingesetzt. Wehren konnte sich Cormac dagegen nicht.

Sophie Powers Egoismus ist daher zu keiner Zeit nachzuvollziehen oder gar entschuldbar. Absurd ist zudem, dass sie der Veröffentlichung eines Fotos zugestimmt haben muss. Auf diesem Foto sieht sie alles andere als fit, gesund oder stark aus. An einer Brust stillt sie das Kind, an der anderen hängt die Milchpumpe. Wer ernsthaft glaubt, dass dieses Foto das perfekte Werbefoto für die Fitness und Gesundheit von jungen Müttern ist, der hat entweder das Maß verloren oder aber leidet unter Realitätsverlust.

In jedem Fall geht man so nicht mit Schutzbefohlenen um. Ultramarathonläufer sind ein besonderes Volk. Und so wollen sie auch oft wahrgenommen werden. Manchmal kommt mir ihr Hunger nach Applaus etwas übertrieben vor. Ob das gesund ist, möge jeder für sich selbst entscheiden. Die Haltung von Sophie Power ist in jedem Fall nicht gesund. Ein Vorbild ist sie ebenfalls nicht.

Kinder gehören nicht vor den Karren gespannt, Kinder gehören nicht auf einen Ultramarathon. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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