zum Hauptinhalt
Beim Frankfurter Marathon war nicht jeder Läufer gut vorbereitet.

© Silas Stein / AFP

Kolumne: So läuft es: Marathon ist auch Verantwortung

Unser Autor hat bei seinem jüngsten Marathon viele im Einsatz befindliche Sanitäter gesehen. Und das ist vermutlich kein Zufall gewesen.

Ich hatte mich sehr darauf gefreut, meinen besten Freund beim Marathon in Frankfurt begleiten zu dürfen. Für uns beide war dieser Lauf der Test um zu überprüfen, ob wir nach nicht unkomplizierten Operationen, nach guter Vorbereitung in der Lage sein würden, einen Marathon gut zu überstehen.

Nicht nur die Vorbereitung hat uns gut getan, auch die sehr klare Strategie, vernünftig zu bleiben. Keine Wunschzeit zu definieren, sondern sacht und achtsam zu laufen. In den Körper zu hören und zu spüren, langsam zu laufen, mit dem einzigen Ziel: gesund und heil im Ziel anzukommen. Diese Strategie ist aufgegangen, und wir waren uns nicht zu schade, die ein oder andere Träne zu vergießen. Vor Glück, vor Dankbarkeit, dass es wieder läuft. Sich dabei gegenseitig zu unterstützen, zu halten, füreinander da zu sein, fühlte sich nicht nur richtig an. Es gab Kraft, Energie und hat unsere Freundschaft – so empfinde ich es – auf eine neue Stufe gehoben. Laufen verbindet eben, das ist nicht neu. Aber es tut gut, dies immer wieder neu zu spüren.

Gut ist, dass immer mehr Menschen genau dieses Gefühl erfahren. Denn es gibt immer mehr Läufer in Deutschland, sagen die Statistiken. Der Frankfurt-Marathon konnte einen neuen Teilnehmerrekord vermelden. Somit ist er nun hinter Berlin und vor Hamburg auf Platz zwei der beliebtesten Marathon-Veranstaltungen in Deutschland. Gut für die Veranstalter, teilweise kritisch für die Läuferinnen und Läufer, denn es wurde streckenweise sehr eng, es war an einigen Stellen deutlich zu viel Läuferverkehr. Stürze waren programmiert, und es ist nur dem Glück zu verdanken, dass hier nicht mehr passierte. Steigende Teilnehmerzahlen sind für jeden Veranstalter vorab klar zu erkennen. So ist es nicht zu verstehen, weshalb man die Strecke nicht dahingehend ändert, dass alle genug Platz haben.

Marathon zu laufen ist längst ein Trend geworden

Noch mehr Sorge bereitet mir allerdings der Eindruck, dass nicht nur immer mehr, sondern auch immer schlechter vorbereitete Menschen Marathon laufen. Selten habe ich derart viele Marathonies gesehen, die ihren Magen auf der Straße entleert haben, so wie am Sonntag. Selten habe ich mehr Einsätze von Sanitätern an der Strecke feststellen können, weil Läufer zusammenbrachen. Und diese Bilder kommen immer häufiger, unabhängig von Stadt und Veranstalter.

Marathon zu laufen ist längst ein Trend geworden. Wer heute läuft, aber nicht Marathon läuft, der ist Jogger. Ernstgenommen wird nur noch der, der 42 Kilometer am Stück rennen kann. Dieses Denken ist deshalb absurd, weil ein Marathonlauf mindestens Leistungssport ist. Und dafür ist nun mal nicht jeder gemacht und in der Lage.

Ja, jeder trägt für sich und seine Gesundheit allein die Verantwortung. Mag sein, aber: Verantwortung zu übernehmen bedeutet meiner Meinung nach auch, klare Regeln für die Teilnahme an einem Marathon aufzustellen. Wer mit Übergewicht oder Krankheit belastet ist, wer einen solchen Lauf als Mutprobe ohne entsprechende Vorbereitung absolvieren will, den sollte man vielleicht vor sich selbst schützen. In jedem Fall müssen wir den „Trend Marathon“ einmal überdenken. Und uns wenigstens fragen: Müssen wir immer Spitze sein? Oder ist es nicht auch okay, im Mittelfeld zu spielen, achtsam mit uns zu sein?! So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

Zur Startseite