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Die Erlösung. Tim Don läuft als 15. über die Ziellinie bei der Ironman Weltmeisterschaft 2015.

© Bruce Omori/dpa

Kolumne: So läuft es: Erst Genickbruch, dann Hawaii

Tim Don reiste vor einem halben Jahr nach Kona, um zu gewinnen. Beinahe hätte er alles verloren - jetzt will er wieder dorthin.

„Fühlst Du Dich glücklich... ich sicherlich“, twitterte Tim Don noch kurz vor seinem Comeback beim Boston-Marathon am vergangenen Montag. Und der Brite hat allen Grund glücklich zu sein. Er ist zurück im Leben. Tim Don ist 40 Jahre alt – und hält die Weltbestzeit beim Ironman. Niemand hat die Qual von 3,8 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen schneller durchgestanden als Tim Don. 2017 war er es, der beim Ironman auf Hawaii mächtig Druck auf Titelverteidiger Jan Frodeno und den späteren Gewinner Patrick Lange machen wollte. Tim Don reiste vor einem halben Jahr nach Kona, um zu gewinnen. Und beinahe hätte er alles verloren.

Drei Tage vor dem Triathlon brach er sich bei einem Trainingsunfall das Genick. „Ich bin auf dem Boden aufgewacht nach dem Unfall. Ich hatte eine Halsmanschette an und konnte mich nicht bewegen. Die Ärzte sagten mir später, mein Hals wäre gebrochen“, erzählt er in einer Dokumentation über den Sportler, die dieser Tage erscheinen wird. Und er sagt weiter: „Ich wollte einfach nur wieder Rennen bestreiten, das habe ich mir immer wieder gesagt.“

Die Ärzte verpassen Tim Don ein sogenanntes Halo. Ein Gestell, in das der Kopf komplett eingespannt wird, der Schädel wird mit Titanschrauben fixiert. Für Dons Ärzte war das der Schlüssel für eine komplette Genesung – wenn auch eine schlimme Erfahrung für den Verunfallten. „Halo war im Mittelalter ein Folterinstrument“, erklärte einer der Ärzte der „New York Times“ in einem Interview.

Monate lang arbeitete Tim Don wie ein Besessener. Immer in Gedanken an seine Familie, seine beiden Kinder, trainierte er hart. In diesem schrecklichen Gestell. Das einzige, was er tun konnte, war, daran zu glauben zurückzukehren. Und dieser Glaube muss unfassbare Kräfte in ihm freigesetzt haben. Er war und ist fest entschlossen, die Qualifikation für Kona 2018 zu schaffen. Denn selbst der „Man with the Halo“, der in der Tat wie ein Heiligenschein anmutet, muss die Qualifikation schaffen. Die Regeln gelten selbstverständlich auch für ihn. In Hamburg oder in Zürich soll es klappen. Dann soll die Starterlaubnis für Hawaii im Kasten sein. „Und dann“, sagt Tim Don: „Dann gewinne ich Kona.“

Mehrere Monate musste er den Halo tragen, der massive Schmerzen verursachte. Während er das Gestell trug, konnte er keine Nacht mehr als 90 Minuten schlafen. Teilweise musste er Nächte in einem Rollstuhl verbringen, um überhaupt Schlaf zu finden. Seine Hoffnung war, den Boston Marathon unter zwei Stunden und 50 Minuten laufen zu können. Beinahe unwirklich nach so einer Verletzung. Er hat es am Montag geschafft. So läuft es.

- Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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