zum Hauptinhalt
Innehalten und den Augenblich genießen: Das kann unser Kolumnist vor allem im Herbst.

© imago/Photocase

Kolumne: So läuft es: Beim Laufen auch mal stehenbleiben

Mit einem Knall ist der Herbst da. Ohne Übergang. Einfach so. Die beste Zeit fürs Laufen, findet unser Kolumnist.

Der Sommer geht, Dante ging im Sommer, und der erste harte Schmerz dass ich ohne ihn in den Herbst laufen muss, verblasst ein klein wenig. Und doch ertappe ich mich dabei, dass ich mich ab und an umdrehe. In der Hoffnung, dass er doch voller Freude aus dem Gebüsch auftaucht. So wie es immer war. Und immer war es Dante, der gerade im Herbst trödelte. Weil es nach Eichhörnchen roch, überall. Und das war ihm immer stets wichtiger, als stumpf der Herde hinterherzurennen.

Seit Dante gegangen ist, läuft es anders bei mir. Ich merke, dass ich achtsamer mit mir sein muss. Eine Phase, die jeder Läufer irgendwie kennt. Ich laufe zwar lange Strecken, beinahe täglich zwischen 15 und 20 Kilometer. Aber ich laufe sehr langsam. Und es gibt viele Tage, an denen ich einfach stoppe. In die Sonne schaue, in den blauen Himmel, die kalte Luft einatme, der Natur lausche. In den letzten Monaten bin ich zwar viel gelaufen, aber ich habe nicht viel von den Läufen mitbekommen. Ich habe die Wege wie immer genommen, aber ich kann mich kaum daran erinnern. Ich bin gelaufen um zu laufen. Aber ich habe keinen einzigen Moment genossen. Ich bin weggelaufen, ganz sicher auch vor dem Schmerz der sich durch Dantes Tod in mein Herz gefressen hatte.

Auch das Weglaufen gehört zu uns Läufern, machen wir uns nichts vor. Wir lenken böse Gedanken, Sorgen und Schmerzen einfach um. Wir brauchen diese Läufe, um all das Negative für uns zu verarbeiten. Wir lassen das Negative zurück, um zu neuen Zielen aufzubrechen. Vielleicht ist es unsere Art der Seelenreinigung. Umso mehr bleibe ich nun stehen. Ich muss nicht länger davonlaufen. Während meine jungen Hunde Bilbo und Kara lernen müssen, dass es nicht wirklich geil ist Eichhörnchen zu jagen, kümmere ich mich vermehrt um meine alte Hündin Spagna, Dantes große Liebe. Sie leckte sich nach seinem Tod vor Kummer die Pfoten blutig. Langsam bildet sich eine Kruste. Langsam vergeht ihr Schmerz. Langsam vergeht mein Schmerz.

Ich habe Spagna nun einige Wochen nicht bewusst wahrgenommen. Sie hat mich bewusst in Ruhe gelassen. Doch jetzt ist es Zeit, dass wir wieder miteinander „reden“. Es tut gut, stehenzubleiben. Es tut gut, den Lauf zu unterbrechen. Uns beiden tut es gut. Spagna lehnt sich wieder an mich an, so wie vor Dantes Tod. Wir halten inne. Wir spüren die Natur, die uns beiden neue Kraft gibt. Wir genießen den Moment des Verweilens, er gibt uns neue Kraft. Um weiterzulaufen. Wir fühlen, dass es wichtig ist, das Innehalten zuzulassen. Um Energie für all das zu haben was noch kommt. Um die Zeit zu nutzen, die uns noch bleibt. Lassen Sie den Herbst zu. Lassen Sie das Stehenbleiben zu. Manchmal ist es genau das, was uns stärker macht. So läuft es.

- Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false