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In Tokio 2021 holte Krawzow Gold in ihrer Paradedisziplin über 100 Meter Brust.

© dpa

Kolumne „Meine Paralympics": Elena Krawzow steht vor ihrem schwersten Kampf

Elena Krawzow will für ihr Leben kämpfen, am Mittwoch soll ihr ein Hirntumor entfernt werden. Unsere Kolumnistin wünscht ihr für die OP alles Gute.

Elena Krawzow hat mit ihren 28 Jahren schon viele Herausforderungen gemeistert. Am heutigen Mittwoch ist es eine besondere. Der Berlinerin soll in der Charité ein Hirntumor so weit es geht entfernt werden. Es ist ein diffuser Tumor im linken oberen Frontallappen. Die gute Nachricht bei der Schockdiagnose: es ist ein gutartiger. Doch so eine OP ist einschneidend, ich habe es im privaten Bekanntenkreis mitbekommen. Und nach der OP kommt anderes wie Chemotherapie oder Bestrahlung.

Bei Elena Krawzow liegt der Tumor an den Arealen, die die Persönlichkeit ausmachen. Sie sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Ich habe Angst, dass ich nach der OP eine andere bin.“ Und: „Ich möchte wieder zurück sein, so wie ich bin, voller Lebensfreude.“

Es sind Tage, in denen die vielen beglückenden Erfolge als Leistungssportlerin in den Hintergrund treten. Bei der Europameisterschaft 2020 schwamm sie über 100 Meter Brust zum ersten Platz, wie so oft davor. Und die vielen andere Erfolge: Freistil, Rücken, Schmetterling, Lagen.
Dann wären da die Ehrungen, 2012 wird Elena Krawzow mit dem silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet. Ein Jahr später wurde sie Juniorsportlerin des Jahres beim Sonderpreis Behindertensport der Deutschen Sporthilfe. 2016 wird sie Allianz-Sportlerin des Monats Juni 2016, und 2019 Berlins Sportlerin des Jahres.

Erst mit 13 lernte sie schwimmen

An so etwas hat sie als Kind nicht gedacht, als die in Nowo-Woskressenowka geborene Elena Krawzow mit elf Jahren 2005 mit ihren Eltern als Spätaussiedlerin aus dem neuntgrößten Land der Welt Kasachstan nach Deutschland, Bamberg, zieht. Das Mädchen mit russischen und deutschen Wurzeln kann die neue Heimat mit den Augen nicht richtig wahrnehmen. Denn als sie sieben ist, bricht bei ihr die Erb-Erkrankung Morbus Stargardt aus, die die Sehfähigkeit stark einschränkt.

Nach einem Jahr in Deutschland wechselt sie nach Nürnberg auf das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte (bbs). Erst mit 13 Jahren lernt sie Schwimmen. Sie trainiert dann beim TSV Altenfurt bei Günter Zirkelbach, auf nationaler Ebene startete sie für den Verein Behinderten-, Versehrten- und Rehabilitationssport (BVSV). Mit dem Umzug nach Berlin wechselt sie zum Berliner Schwimmteam des Paralympischen Sport Clubs (PSC Berlin).

Philipp Semechin war ihr Trainer und ist mittlerweile ihr Lebensgefährte.
Philipp Semechin war ihr Trainer und ist mittlerweile ihr Lebensgefährte.

© imago/Camera 4

Fast nebenbei schließt Elena Krawzow im August 2015 ihre Ausbildung zur Physiotherapeutin ab. Beim PSC nimmt sie Phillip Semechin unter seine Fittiche. Er ist ihr Trainer, er wird ihr Lebensgefährte.

„Ich kämpfe für mein Leben.“

Nun feierten sie am 26. Oktober noch ihren 28. Geburtstag, und dann wollten sie laut dpa unbedingt vor der OP heiraten; ursprünglich sollte die Hochzeit am 12. November sein. Alles hing am wegen der Staatsbürgerschaften noch benötigten Ehefähigkeitszeugnis, dafür telefonierte Freundin und Ex-Schwimm-Star Britta Steffen herum, erfolgreich, wie die „Bild“-Zeitung schrieb. Nun wird Phillip Semechin, früher mal Techniktrainer und Lebensgefährte der querschnittgelähmten Paralympics-Gold-Schwimmerin Kirsten Bruhn, heute bei der OP mitbangen, wie so viele andere Menschen.

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Die es im Übrigen inklusiv fanden, dass sich Elena Krawzow, mit so gut wie keiner Sehstärke mehr, beinahe wie zum Trotz vor den Paralympics 2020 für Männeraugen und den Playboy-Titel auszog. Dass sie trotz der öffentlichen Diskussion ums Nackt-Zeigen und trotz der Hochstufung von Startklasse SB12 zu SB13, mit geringerem Behinderungsgrad, in Tokio 2021 Gold in ihrer Paradedisziplin über 100 Meter Brust holte.

Jetzt sagt sie der dpa: „Ich kämpfe für mein Leben.“ Erst war die Para-Euphorie, „und dann ist von einer Sekunde auf die andere alles anders“.

Aber sie sei glücklich, „dass ich leben darf. Es hätte ja auch sein können, dass ich nur noch ein paar Monate habe.“ Es sei der jungen Frau mit dem sympathisch fränkisch rollenden „R“ von Herzen nur das Beste gewünscht.

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