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Werbemann. Jan Frodeno, zweifacher Gewinner des Ironman-Triathlons auf Hawaii.

© Daniel Karmann/dpa

Kolumne: Meine Paralympics: Der nächste Meilenstein

Der Werbespot eines Automobilherstellers ist lobenswert, findet unsere Kolumnistin. Weil er ganz selbstverständlich mit Athleten mit Behinderungen wirbt.

Meine Gedanken waren im Jahresendmodus bei dem, was war, und bei dem, was kommen möge, da verharrte mein Blick beim Werbespot im Fernsehen.

Der baute ganz herkömmlich Spannung auf – und dann: Das muss doch eine Paralympionikin sein! Diese Frau mit Prothese, die für einen Wettkampf trainiert. Ihre kleine Tochter will erst nicht mit anfeuern, sie muss den Unfall der Mutter, die einst begeisterte Bergsportlerin war und jetzt begeisterte Triathletin mit Amputation ist, erst noch verkraften. Dann aber ist sie doch da, mit ihrem Papa, der die Kleine im Geländewagen mit viel Platz für alles zum Wettkampf mitnimmt.

Der 30-Sekunden-Spot ist so berührend, dass ich anfange zu googeln. Wer und was steckt dahinter? Und ich finde einen Fünf-Minuten-Film zu dem kinofilmreifen Spot.

Was soll’s, jetzt nenne ich einfach mal Ross und Reiter: Das Unternehmen, das hier neue Trends setzt, ist der Automobilhersteller mit dem Silberstern. Es ist der Spot „In the long run“ für ein neues Auto von Mercedes-Benz, der mich so berührt hat. „Cold Little Heart“ heißt der emotionale Song dazu vom englischen Soulmusiker Michael Samuel Kiwanuka, das war der Titelsong der US-Serie „Big Little Lies“.

Veröffentlicht wurde der in Österreich gedrehte Werbespot auf Youtube am 3. Dezember 2018, das ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen. Geschaffen worden ist „In the long run“ von Antoni Garage. Der zweifache Gewinner des Ironman-Triathlons auf Hawaii, Jan Frodeno, taucht in einer Gastrolle auf. Regie führte das schwedische Filmemachertalent Niclas Larsson, hinter der Kamera stand Oscar-Preisträger Linus Sandgren. In den sozialen Medien gibt es unterschiedliche Schnittvarianten.

Nur eine Information fehlt

Mich erinnert der Film mit seiner emotional-actionreichen Bildsprache an den Werbefilm der London-Paralympics 2012, als der britische Fernsehsender „Channel 4“ mir mit „Meet the Superhumans Annotated Version“ Tränen der Ergriffenheit und der Freude bescherte.

Warum ich das alles so herunterdoziere?

Weil es ein weiterer Meilenstein in unser aller Leben ist, dass ein weltweit führender Autokonzern so einen Film in die Wohnzimmer schickt. Da kann ich sogar mal alle Dieselskandale der Neuzeit kurz vergessen.

Eine wesentliche Info fehlt aber in all den umfassenden Angaben zu diesem großartigen Spot. Wer bitte ist denn die Hauptdarstellerin? Wer ist diese so starke Frau und Mutter, die mit Kampfgeist und Lebenswillen und auch dank der Unterstützung ihres Mannes sich bis an die Grenzen der körperlichen und mentalen Erschöpfung zurück ins Glück kämpft?

Sie ist nirgends zu finden. Im Film fährt die Kamera über Zeitungsartikel zu einer Bergsteigerin Susan Larsen, die die Tochter wehmütig anschaut.

Das Nachschlagwerk Internet bringt mich da nicht weiter. Also frage ich Heinrich Popow, die deutsche Leichtathletiklegende. Er sieht gleich, dass die Frau eine Prothese eines Alltagsbeins trägt, mit dem sie bei Paralympischen Spielen keine Chance hätte.

Und die Moral hinter der Geschichte? Sich zum Start des neuen, besseren Jahres darüber freuen, dass jetzt noch mehr große Unternehmen ganz selbstverständlich mit Athleten mit Behinderungen werben. Autonomes Fahren ist mir persönlich zwar unheimlich, aber es ist eine Befreiung für Menschen mit Körperbehinderungen. Mehr dazu verrate ich in meiner nächsten Kolumne – und auch, wer sich hinter Susan Larsen versteckt.

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