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Ist schon ein paar Tage her: Manuel Neuer im Trikot des FC Schalke 04.

© picture alliance/dpa

Kolumne - Meine Champions: Manuel Neuer und die magische Nacht von Porto

Später wird Manuel Neuer Welttorhüter und Weltmeister. Aber das vielleicht größte Spiel seiner Karriere macht er im Trikot von Schalke 04.

Einmal sieht es so aus, als habe Manuel Neuer sich in der Sportart geirrt. Das passiert Mitte der zweiten Halbzeit in diesem Achtelfinale der Champions League. Offiziell spielt der FC Porto gegen Schalke 04, aber eigentlich spielt nur eine Mannschaft. Gnadenlos hetzt Portugals Meister die Deutschen über den Platz. Allein, es will kein Tor fallen, weil da immer einer im Weg steht.

Der Held dieser Nacht ist groß und blond und breitschultrig, wie man sich halt einen teutonischen Helden vorstellt. Jetzt aber ist es um die Schalker geschehen. Flanke von links, in der Mitte steht Portos Stürmer Tarik Sektoui drei Meter vor dem Tor, er wuchtet den Ball mit der Stirn unter die Latte, hebt schon die Arme zu Jubel… Doch dann kommt Manuel Neuer herangeflogen. Aus dem Nichts. Wieder einmal. Sein linkes Bein klappt nach oben, weit über die Hüfte, und mit der Fußspitze kickt er den Ball zurück ins Irgendwo.

Gummimensch? Außerirdischer?

Vielleicht ist er auch gar nicht Manuel Neuer. Sondern eine Balletttänzerin oder ein Gummimensch oder ein Außerirdischer. Der „Vielleicht bin ich auch gar nicht“- Werbespot hat Manuel Neuer vor ein paar Jahren allerlei Popularität jenseits des Fußballplatzes verschafft. An diesem kühlen Abend vor gut zehn Jahren aber erkennt die Welt erstmals auf der größten Bühne des Klubfußballs, dass da in Gelsenkirchen ein Jahrhunderttalent heranwächst. Einer, der das Torhüterspiel auf eine neue Ebene heben wird, aber wer ahnt das schon im März 2008?

Manuel Neuer hat mit Deutschland die Weltmeisterschaft gewonnen und mit dem FC Bayern die Champions League. Aber das vielleicht beste Spiel seiner Karriere hat er für Schalke 04 gemacht. Für seinen Jugendverein, den er selbst noch als Fan angefeuert hat. Manuel Neuer ganz allein verdankt Schalke in der dramatischen Nacht von Porto die Qualifikation für die Runde der besten acht Mannschaften Europa. Da trifft es sich gut, dass Schalke am Mittwoch zum Jubiläum dieses denkwürdigen Abends mal wieder im Estadio do Dragao gastiert. Nicht wie vor zehn Jahren im Rückspiel des Achtelfinales, aber allemal in einem wichtigen Spiel, es könnte die vorzeitige Qualifikation für die K.o.-Runde bedeuten. Passend dazu hat es auch Manuel Neuer am fünften Spieltag der Champions League mit einer portugiesischen Mannschaft zu tun. Beim Duell der Bayern mit Benfica Lissabon dürfte weniger der Münchner Torhüter im Blickpunkt stehen als sein Trainer, aber das ist eine andere Geschichte.

Manuel Neuer ist 21 Jahre alt, als er mit Schalke in Porto aufläuft. Ein blonder Hüne mit noch kindlichen Gesichtszügen, noch kein Thema für die Nationalmannschaft und auf Schalke keineswegs unumstritten. Trainer Mirko Slomka hat ihn ein wenig überraschend an Stelle des Routiniers Frank Rost zum Stammtorhüter gemacht, wofür die Kollegen von der „Süddeutschen Zeitung“ die schöne Überschrift ersinnen: „In den Händen eines Buben.“

Im Alltag der Bundesliga sind dem Buben vor der Abreise nach Porto ein paar blöde Fehler passiert, wie sie 21-jährigen Torhütern nun mal passieren. Die Portugiesen haben Schalke zu ihrem absoluten Wunschgegner für das Achtelfinale erklärt und gehen nach der knappen 0:1-Niederlage in Gelsenkirchen entsprechend siegessicher ins Rückspiel. Aber da kennen sie Manuel Neuer noch nicht – oder jedenfalls nicht gut genug.

Neuer entnervt die Gegner

Schalkes Torhüter pariert schnell zwei Distanzschüsse des Argentiniers Lisandro Lopez, dann dreht er einen ersten Kopfball von Sektiouni um den Pfosten. Porto stürmt weiter und prallt doch immer wieder an Neuer ab. Als er dann Mitte der zweiten Halbzeit die Ballett-Nummer mit dem nach oben schnellenden linken Fuß abzieht, verliert Sektiouni für einen Moment die Fassung. Verzweifelt schaut er erst auf das so riesig große und verführerisch nahe Tor, danach auf den sich nur kurz berappelnden Neuer. Eine Minute später holt Trainer Jesualdo Ferreira den Marokkaner vom Platz.

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Porto stürmt, schafft drei Minuten vor Schluss noch das Siegtor und belagert auch in der fälligen Verlängerung das Schalker Tor. Aber Manuel Neuer mag nicht mehr zulassen, auch nicht gegen den Dribbelkünstler Ricardo Quaresma, der sonst an jedem vorbeikommt, nur eben nicht an diesem Torhüter.

Elfmeterschießen. Teil zwei der großen Manuel-Neuer-Show.

Als erster läuft der Portugiese Bruno Alves an, sein Schuss ist weder platziert noch hart und stellt keine Herausforderung für Neuer dar. Wie aber schafft er es nur, Portos zweiten Versuch zu entschärfen? Lisandro Lopez schießt mit aller Wucht hoch ins rechte Eck, es ist ein annähernd perfekter Elfmeter. Doch Neuer hebt ab, reißt den Arm hoch und pariert erneut. Erst beim dritten Versuch landet Porto durch den Argentinier Luis Gonzalez den ersten Treffer. Hilft alles nichts, weil nämlich alle Schalker problemlos verwandeln, namentlich Rafinha, Ivan Rakitic, Halil Altintop und Jermaine Jones.

"War ein Sahnetag"

Später in der Nacht tappst Manuel Neuer linkisch von Mikrofon zu Mikrofon und soll erklären, was denn da passiert ist. Damit tut er sich schwerer als vor vorher auf dem Platz. „War ein Sahnetag“, sagt er, und: „Ich habe den Leuten gezeigt, dass nicht alles schlecht ist, was ich mache.“ Ja, da ist was dran.

Sven Goldmann schreibt immer dienstags in den Spielwochen der Champions League über Kicker, Klubs und Klassiker in Europas Fußball.

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