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Erwartungsvoll. Die Kroaten sind noch einen Schritt vom WM-Pokal entfernt.

© dpa

Kolumne: Liebesgrüße aus Moskau: Kein Favorit: Wer mit der Aufregung umgehen kann

Unsere Kolumnistin war bei zwei WM-Finals dabei und weiß: Die körperlichen Strapazen der letzten Wochen werden am Sonntag keine Rolle spielen.

Allen, die vor dem Finale davon ausgehen, dass die Kroaten nach den drei Verlängerungen nun müde sein werden, muss ich sagen: Ein Endspiel setzt unglaubliche Kräfte frei. Da siegt der Kopf über den Körper. Deshalb gibt es auch keinen klaren Favoriten. Denn die Franzosen und Kroaten spielen um die wohl einmalige Chance im Leben, den Weltmeistertitel gewinnen zu können. Und auch wenn die Spieler nun vorgeben sollten, sie würden das Finale gelassen angehen – das ist gelogen. So ein Spiel lässt keinen kalt. Wer mit der Aufregung besser umgehen kann, der wird gewinnen.

Ich war ja bei zwei WM-Finals dabei. Und so unterschiedlich die beiden Endspiele für mich waren, es war jedes Mal eine emotionale Katastrophe. Im ersten Finale 2003 war ich Ersatztorhüterin, ich hatte keine Chance einzugreifen. Ich saß also auf der Bank und konnte nur anfeuern – das war aber auch völlig aufreibend. Hinzu kommen die nervigen Ansagen der Fifa-Leute: Etwa vor dem Spiel, als ich mich warmmachen wollte und eine Fifa-Mitarbeiterin mir sagte, ich könne erst in 23 Sekunden auf den Platz, wegen der Vorgaben. Da fehlt der Fifa oft schon das Feingefühl.

Tausend Gedanken vor einem Finale

Vier Jahre später war ich Stammspielerin, aber es war auch mein erstes Turnier als Nummer eins. Ich war das Küken der Mannschaft. Da hätte ich am liebsten sofort am Tag nach dem Halbfinalsieg auch das Finale gespielt. Denn die Zeit bis zum Endspiel ist so lang – und dann laufen bei einem so viele Gedankenspiele ab: Hoffentlich mache ich keine Fehler! Hoffentlich bin ich nicht für eine Niederlage verantwortlich!

An das Finale 2007 habe ich kaum Erinnerungen. So gab es danach ein Feuerwerk, aber würde steif und fest behaupten: Ich habe kein Feuerwerk erlebt. Ich habe das Gefühl, das ganze Spiel gar nicht richtig mitbekommen zu haben – auch die Szene, als ich den Elfmeter der Brasilianerinnen halte, ist bei mir voll weg. Auch wenn ich mich während des Spiels wohl ganz abgeklärt gegeben habe, ich war überhaupt nicht abgeklärt. Ich dachte die ganze Zeit: „Schießt bloß nicht auf mein Tor!“ Habe aber versucht auszustrahlen: „Schießt ruhig! Ich pariere eh alles.“ Man muss da auf dem Platz auch ein guter Schauspieler sein.

Viele Etappen bis zu dem einen Ziel

All die Monate und Wochen, die man seit Beginn der Turniervorbereitung zusammen als Team verbracht hat, sind ja alle nur auf ein Ziel, auf ein Spiel ausgerichtet. Vorher denkt man in Etappen: das Eröffnungsspiel meistern, die Vorrunde gut abschließen, gut durch die K.-o.-Runde kommen. Wenn man danach hinter alles ein Häkchen machen kann und man alles erreicht hat, liegt dann nur noch ein weißes Papier vor einem. Es ist auf jeden Fall eine krasse Last von mir abgefallen nach dem Finalsieg – und ich brauchte wirklich ein paar Tage, um all das wirklich zu realisieren.

Viel Trainieren macht vor dem Finale nur wenig Sinn. Man muss vor allem regenerieren. Als Trainer hat man jetzt eh nicht mehr viel Einfluss. Es geht darum, wenige, präzise Anweisungen zu geben. In einem WM-Endspiel sind die Spieler motiviert genug, alle wollen einfach nur spielen und gewinnen.

Erfahren. Nadine Angerer weiß, wie man sich vor einem WM-Finale fühlt.
Erfahren. Nadine Angerer weiß, wie man sich vor einem WM-Finale fühlt.

© REUTERS

Nadine Angerer ist ehemalige Torhüterin der Frauen-Nationalmannschaft, mit der sie zweimal Weltmeister wurde. Hier schreibt sie im Wechsel mit Jens Hegeler, Sven Goldmann, Philipp Köster, Roman Neustädter, Harald Stenger und Frank Lüdecke.

Alle Infos rund um die WM gibt's in unserem Liveblog.

Nadine Angerer

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