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Hertha stellte sich ungeschickt an: Was ist das für ein Spielkonzept? Mit einem sieben Mal teureren Kader?

© Imago/Jan Huebner

Kolumne „Auslaufen mit Lüdecke“: Herthas Angriff auf Platz zehn

Unser Kolumnist hat – offen gesagt – mit einer Niederlage von Hertha BSC im Stadtderby beim 1. FC Union gerechnet. Aber doch bitte nicht so!

Was für ein Spieltag! Bayern verliert 1:5! Leipzig gewinnt 8:0! Und dann das große Stadtderby in Berlin! Und was hat das große Stadtderby zu diesem spektakulären Wochenende nicht alles beigetragen! Ich sage mal: Wenig erscheint hochgegriffen. Die bessere von zwei schwachen Mannschaften gewann die überschaubare Begegnung und am Schluss standen zwei Mitglieder des unteren Mittelfeldes auf dem Rasen: Platz 11 und Platz 14. Zwischendurch konnten dann noch einige Berliner Fußballfans ihrem Ruf gerecht werden: Sie sind in der Tat genauso blöd, wie es ihnen immer zugeschrieben wird.

Schade, wenn man bedenkt, was in anderen Stadien sportlich so los war und welch interessante Entwicklung diese Saison endlich mal zu nehmen scheint. Davon ist Berlin mal wieder abgekoppelt. Union kann man da keinen Vorwurf machen, denn sie sind absolut im Soll. Der Kader hat nach dem von Paderborn den niedrigsten Marktwert und dennoch hat Union bereits etliche Mannschaften hinter sich gelassen.

Aber Hertha? Mit einer Niederlage habe ich offen gesagt gerechnet, aber vom Ereignisfußball der letzten Spiele ist nun wirklich gar nichts übrig geblieben. Angelaufene Abwehrspieler spielen den Ball zum Torwart zurück und der knüppelt das Leder in die gegnerische Hälfte. Was ist das für ein Spielkonzept? Mit einem sieben Mal teureren Kader? Irritiert hat mich die Aussage des Hertha-Trainers nach dem Spiel. Man müsse nur auf die Tabelle schauen, um festzustellen, dass man immer noch vor Union stehe.

Natürlich muss eine Mannschaft dieser Qualität vor den Köpenickern stehen. Die Frage ist doch, auf welchem Platz? Kann der gegenwärtige Stand ein Anspruch sein? Wofür sind denn die kommenden 100 Millionen von Herrn Windhorst gedacht? Für den nachhaltigen Angriff auf Platz zehn?

Auch in München klaffen Anspruch und Realität derzeit auseinander, wenngleich auf deutlich höherem Niveau. Die Reaktion der Bayern ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Kaum 24 Stunden später trennte sich der Klub am Sonntagabend von Niko Kovac. Es muss ja nicht immer gleich ein Trainerwechsel sein – aber ich wünsche auch Hertha im Umgang mit Krisensituationen – oder sagen wir besser: fehlender Weiterentwicklung – eine deutliche Portion Offenheit und vor allem eine Prise Kreativität.

Das Hauptgefühl, das einem bei diesem Klub immer wieder umschleicht, ist doch: Irgendwie wäre hier mehr drin. Ich bin mir sicher, einen Satz wird man in München in diesen Tagen bestimmt nicht hören. Nämlich: „Schauen Sie auf die Tabelle, wir stehen immer noch vor Freiburg.“

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

Frank Lüdecke

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