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Kann passieren. Stürze gehören für Radsportler beinahe zum Alltag.

© Sunada/dpa

Kolumne „Abgefahren“: Warum Übermut beim Radfahren selten guttut

Unser Kolumnist ist mit dem Rad gestürzt. Weil nichts passiert ist und er das Ganze peinlich findet, möchte er aber kein Mitleid.

Michael Wiedersich ist Sportjournalist und Radsporttrainer und schreibt hier im Wechsel mit Läuferin Jeannette Hagen.

Neulich war es wieder einmal soweit. Lange ist es nicht mehr passiert, doch wie immer ging alles sehr schnell. Ich bin beim Radtraining gestürzt. Ab und an kommt so etwas schon mal vor. Nasses Laub, glitschiger Untergrund, das alles schränkt den Grip der Reifen ein. Glücklicherweise war das Tempo nicht sonderlich hoch und die Verletzungen nicht so schlimm. Aber ich möchte kein Mitleid, denn es war die eigene Schuld und es war peinlich.

Der Tag hatte gut angefangen. Irgendwie schaffte ich es, pünktlich und ohne Hetze zum Training meines Radsport-Vereins. Genug motivierte Spielgefährten für eine abwechslungsreiche Trainingsrunde waren schon da. Bis zur kleinen Serpentinen-Abfahrt an der Dampferanlegestelle Wannsee lief alles super.

Dann überkam mich eine Mischung aus Übermut, einer Portion Leichtsinn und einem Schuss Selbstüberschätzung. Mit Schwung von hinten kommend, versuchte ich, den vor mir fahrenden Begleiter vor einer Kurve auszubremsen. Der Überholvorgang auf der kurzen Geraden gelang mir noch ganz gut, nur klappte das dummerweise mit dem Bremsen nicht mehr. Ich war zu schnell, kam auf nassem Laub ins Rutschen und fand mich auf dem harten Steinboden wieder.

Die Prellungen an Arm und Bein standen einem verbogenen Schaltauge an meinem Crossrad gegenüber. Nach einem kurzen Material- und Körpercheck ging es aber weiter. „Nicht so schlimm, bei einem richtigen Radfahrer muss die Haut ja ohnehin einmal runter“ oder „Nasses Laub hat immer recht“ waren die höchst aufmunternden Sprüche meiner Mitfahrer. Wer den Schaden hat...

Das Schlüsselbein ist die häufigste Sollbruchstelle bei Stürzen

Das Stürzen gehört irgendwie zum Radfahren dazu, auch wenn jeder versucht, es zu vermeiden. Meist passiert nichts Schlimmeres als ein paar Hautabschürfungen und Prellungen. Weniger schön sind da schon die Knochenbrüche aller Art. Das Schlüsselbein ist die häufigste Sollbruchstelle. Aber auch der Schulterbereich, die Rippen, das Becken oder der Oberschenkel bleiben von Frakturen oft nicht verschont, ganz zu schweigen vom Kopf.

Vor einigen Jahren war ich dabei, als einer meiner Radsport-Freunde beim Training schwer stürzte, mitten im Grunewald. Der Rettungswagen fand den Weg sehr schnell zu uns. Die Sanitäter taten alles, um die Situation ein wenig aufzulockern. „Der Helm hat sie leider nicht vor dem gebrochenen Oberschenkel bewahrt“, lautete die schnelle Diagnose des Notarztes. Mein Radkumpel, der auch ein passionierter Reiter ist, wurde noch an Ort und Stelle sediert, damit er transportfähig war. „Bitte sag doch zuhause Bescheid, dass ich heute Nachmittag nicht mehr zum Reitunterricht kommen werde“, war seine größte Sorge, bevor er in den Krankenwagen geschoben wurde.

Einige Tage nach meinem Bodenkontakt war ich übrigens wieder mit den Vereinskollegen unterwegs. Der Chefscout unserer Trainingsgruppe kam kurz vor der Sturzstelle zu mir und sagte: „Junge, du musst heute ganz stark sein“. Um gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, fuhr ich in die Passage mit Schwung als erster hinein, übermütig, mit einer Portion Leichtsinn und einem Schuss Selbstüberschätzung. Diesmal blieb ich aber auf dem Rad.

Michael Wiedersich

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