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Viermal wurde Tony Martin Weltmeister, zwischen 2011 und 2013 dominierte er im Kampf gegen die Uhr und holte sich drei WM-Titel in Serie.

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Update

Karriereende nach Straßenrad-WM in Flandern: Tony Martin hofft auf eine Medaille zum Abschied

In den vergangenen Jahren musste Radprofi Tony Martin einige schlimme Stürze verkraften. Auch deshalb kündigt er nun an, nach der WM aufzuhören.

Von einem unauffälligen Jahr bei Tony Martin zu sprechen, wäre eine glatte Untertreibung. Auch wenn der 36 Jahre alte Radprofi des Teams Jumbo-Visma keine großen Ergebnisse vorzuweisen hat, lieferte er trotzdem beständig Spektakuläres ab.

Leider waren es die schlimmen Stürze, die Martin Schlagzeilen brachten. Bei der Tour de France erwischte es ihn gleich zweimal. Zum Auftakt löste eine Zuschauerin einen Massencrash aus, weil sie sich mit einem Pappschild vor das Feld gestellt hatte. Martin, der an der Spitze fuhr, konnte nicht mehr ausweichen und zog sich Prellungen und Schürfwunden zu. Noch heftiger war sein Sturz auf der Etappe zum Mont Ventoux, nach dem er blutend im Straßengraben saß und schließlich aufgeben musste.

Noch heute hat er mit den Folgen zu kämpfen. „Drei Vorderzähne sind noch leicht locker", sagte er in einem Interview der Deutschen Presseagentur (dpa) und offenbarte, dass er deswegen immer noch nicht wieder richtig kauen könne: „Ich vermeide es noch, harte Sachen abzubeißen. Messer und Gabel sind Standardprogramm bei jedem Essen, auch bei Brot oder bei Äpfeln.“

Auf dem Fahrrad sitzt er trotz aller Beeinträchtigungen wieder, professionell allerdings nur noch bis kommenden Mittwoch. Denn die Straßenrad-WM bildet den Abschluss seiner Karriere, das kündigte er vor dem Zeitfahren zum Auftakt der Titelkämpfe in Flandern am Sonntag an (15.15 Uhr/Eurosport). "Eine solch weitreichende Entscheidung fällt einem natürlich nicht leicht. Der Radsport hat den Großteil meines bisherigen Lebens geprägt", erklärte Martin in einer Pressemitteilung.

Eigentlich wäre sein Vertrag beim Team Jumbo-Visma noch ein Jahr weitergelaufen, doch er fühle sich nicht mehr in der Lage, die Risiken, die der Straßenradsport mit sich bringt, weiterhin einzugehen. Trotz vieler Diskussionen um Streckenführungen und Absperrungen habe sich die Sicherheit nicht verbessert, kritisierte Martin.

Am Sonntag will Martin zeigen, dass er es immer noch drauf hat

Viermal wurde der gebürtige Cottbuser Weltmeister, zwischen 2011 und 2013 dominierte er im Kampf gegen die Uhr und holte sich drei WM-Titel in Serie. 2016 gab es in Doha die letzte Goldmedaille, seither sind Siege für ihn seltener geworden. Im Team Jumbo-Visma war er als Helfer für Primoz Roglic oder Wout van Aert der Mann für das Tempo im Feld. Oft sah man ihn deshalb an der Spitze für die Mannschaft arbeiten, eigene Ambitionen hat er längst zurückgestellt. „Ich mache diese Arbeit von vorn, weil ich es kann“, sagte er.

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Beim WM-Zeitfahren kann er nun noch einmal für sich selbst fahren. Er glaubt: „Das ist zu 100 Prozent meine Strecke“ und sieht sich in guter Form für das Rennen. Er ist eben eine Rouleur, ein Fahrer, der lange hohe Geschwindigkeiten und dicke Gänge treten kann. Diese Fähigkeiten sind es, die gute Zeitfahrer ausmachen. Am Sonntag zwischen Knokke-Heist und Brügge will Martin ein letztes Mal zeigen, dass er es immer noch draufhat. „An einem guten Tag fahre ich um die Medaillen mit“, sagte er selbstbewusst und wurde bei der dpa sogar noch forscher: „Als vierfacher Weltmeister muss ich mir nicht einen fünften Platz als Ziel setzen.“

Topfavoriten sind dennoch andere. Titelverteidiger Filippo Ganna aus Italien oder der Schweizer Europameister Stefan Küng. Auch Teamkollege Wout van Aert rechnet sich im eigenen Land etwas aus. All das weiß Tony Martin natürlich, großen Stress macht er sich wegen der WM keinen. Stattdessen will er die Rennen – er startet am kommenden Mittwoch auch noch in der Staffel – vor allem genießen.

Vertrag läuft erst 2022 aus

Dafür bietet der Austragungsort der Weltmeisterschaften vermutlich gute Gelegenheiten. In Flandern steht sozusagen die Wiege des Radsports, auch deshalb ist es sicherlich kein Zufall, dass die Titelkämpfe zu ihrem 100. Geburtstag in Belgien Station machen. Beim Straßenrennen der Männer am Sonntag in einer Woche werden bis zu einer Viertelmillion Zuschauer an der Strecke erwartet, doch auch beim Zeitfahren dürften schon viele Menschen den Profis zujubeln.

Einen besseren Abschluss für eine Karriere könnte es eigentlich kaum geben. Vielleicht hat sich Tony Martin auch deshalb entschieden, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen. Idealerweise noch einmal mit einer WM-Medaille.

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