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Bedröppelt: Die Stimmung bei Hertha BSC war schon einmal ausgelassener als unter Trainer Jürgen Klinsmann (links).

© Britta Pedersen/dpa

Jürgen Klinsmanns andere Seite: Warum Herthas Team in zwei Gruppen gespalten ist

Unter Trainer Jürgen Klinsmann rumpelt es hinter den Kulissen von Hertha BSC. Spieler beschweren sich, das Team driftet in eine Zweiklassengesellschaft.

Als Trainer Jürgen Klinsmann am Mittwochmittag vom Trainingsplatz kam und die kleine Gruppe junger Fans erreichte, ließ er ein knalliges „Mahlzeit“ stehen. Das war insofern bemerkenswert, als dass einige Spieler seiner Mannschaft gerade gehörig bedient sind, um nicht zu sagen – die Schnauze voll haben.

Seit Wochenbeginn haben sich drei Profis von Hertha BSC über den Umgang mit ihnen beschwert, wahlweise von fehlender Perspektive, fehlendem Respekt oder mangelhafter Kommunikation beim Berliner Fußball-Bundesligisten gesprochen. Es waren nicht irgendwelche Spieler, sondern Spieler aus dem Zentrum der Mannschaft. Etwa Salomon Kalou, 34, Herthas vielleicht prominentester Spieler der vergangenen Jahre. Oder Vizekapitän und Nationalspieler Niklas Stark, 24. Und Edeltalent Arne Maier, 21, der den Klub am liebsten sofort verlassen möchte.

Die Stimmung bei Hertha BSC war schon einmal ausgelassener

Kalou gewann 2012 mit dem FC Chelsea die Champions League und hat in etwas mehr als 150 Bundesligaspielen für Hertha fast 50 Tore geschossen. Unter Klinsmann Vorvorgänger Pal Dardai war der Ivorer gesetzt – Kalou zahlte es mit Toren zurück. Zudem ist er in der Mannschaft beliebt und geschätzt.

„Ich bin nicht erst seit fünf oder fünf Monaten hier, sondern seit fünf Jahren“, sagte Kalou dem „Berliner Kurier“ und monierte, dass erfahrene Spieler anderswo respektvoller behandelt werden: „Ich habe so etwas noch nie erlebt. Nicht mal beim großen FC Chelsea.“ Herthas Führung hatte Kalou vom Trainingslager freigestellt, damit er sich einen neuen Verein suchen kann. Zuletzt trainierte Kalou individuell und nicht mit der Mannschaft. Am Mittwoch war er gar nicht zu sehen.

Dafür kam Klinsmanns erster Assistent Alexander Nouri mit der Taktiktafel vom Übungsplatz. Sehr oft hatte er die Einheit korrigierend unterbrochen, Szenen nachstellen oder sie wiederholen lassen. Er redete oft in Englisch, wie übrigens auch Klinsmann. Der Zaungast konnte den Eindruck gewinnen, dass Englisch die neue Amtssprache ist. Überhaupt herrschte schon mal mehr Ausgelassenheit während der Trainingseinheiten bei Hertha. Da wurde gelacht, geneckt und geflachst. Auch am Mittwoch war die Stimmung an- bis verspannt. Die Spieler verließen den Schenckendorffplatz tröpfchenweise.

Not amused: Salomon Kalou beklagt sich über seine Situation bei Hertha BSC.
Not amused: Salomon Kalou beklagt sich über seine Situation bei Hertha BSC.

© Andreas Gora/dpa

In einer ersten Gruppe gingen Jordan Torunarigha, Niklas Stark und mit etwas Abstand Dodi Lukebakio. Reden mochte keiner, auch nicht Vedad Ibisevic. Herthas Kapitän ist unter Klinsmann einmal ein- und einmal ausgewechselt worden. Klinsmann zog dem routinierten Stürmer mehrfach die glücklosen Davie Selke und Pascal Köpke vor. Ibisevic hätte allen Grund, Frust zu schieben. Am Mittwoch legte der 35-Jährige beim Verlassen des Platzes ein Tempo auf, das wohl bedeutete: Sprecht mich bloß nicht an!

Es rumpelt hinter den Kulissen von Hertha. Seit der Klub auf die Millionen des Investors Lars Windhorst zurückgreifen kann und dessen eigentlich als General-Bevollmächtigter für den Aufsichtsrat ausgeguckter Klinsmann auch noch das Traineramt übernommen hat, ist einiges in Bewegung geraten. Die einen finden das gut, die anderen nicht.

Hertha BSC scheint in zwei Lager gespalten

Viele sehen den Klub in zwei Lager gespalten: hier die alte Hertha um die Achse aus Manager Michael Preetz und Präsident Werner Gegenbauer, die Bewahrer; da die neue Hertha um Klinsmann und Windhorst, die Erneuerer. Das offen auszusprechen, traut sich niemand. Hinter vorgehaltener Hand gibt es solche Aussagen.

Die Veränderungen sollen auch schon Bereiche im Hintergrund des Vereins getroffen haben, die nicht so im Fokus stehen wie die Mannschaft. Einiges von dem, was Klinsmann einbringt, wirke ganz bewusst einem Ziel folgend, ist zu hören. Anderes dagegen trage viel Spontanes in sich.

Kritisch beäugt: Nationalspieler Niklas Stark (im Vordergrund) muss sich unter Trainer Jürgen Klinsmann mit einer kleineren Rolle begnügen.
Kritisch beäugt: Nationalspieler Niklas Stark (im Vordergrund) muss sich unter Trainer Jürgen Klinsmann mit einer kleineren Rolle begnügen.

© Andreas Gora/dpa

In der vergangenen Woche etwa funktionierte Klinsmann plötzlich eine öffentliche Einheit in ein Geheimtraining um. Künftig werde für Fans (und Medien) nur noch das Aufwärmprogramm einsehbar sein, hieß es auf einem offiziellen Vereinskanal. Das begeisterte den Anhang nicht gerade.

Das war wohl auch der Grund, warum die Sache rasch wieder einkassiert wurde, obwohl offiziell von einem Missverständnis die Rede war. Drei Tage später stellte Klinsmann sich in bester Walter-Ulbricht-Manier hin und sagte, er habe niemals die Absicht gehabt ...

Vielleicht war es wirklich nur eine kleine Kommunikationspanne. Schwerwiegender ist die Tatsache, dass die Mannschaft sich in eine Zweiklassengesellschaft aufgeteilt fühlt. Es gibt die Profis, die unter Klinsmann Stammspieler geworden und in der Hierarchie aufgestiegen sind. Und es gibt jene, die kaum oder gar nicht mehr spielen und intern gefallen sind. Das ist die andere Seite von Jürgen Klinsmann.

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