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Sport: Jetzt hat er kein Vorbild mehr

Vor anderthalb Jahren hatte sich Ruslan Ponomarjow in seiner Heimatstadt zu einem Jurastudium angemeldet, an der Universität im ostukrainischen Kramatorsk. Am Mittwoch ließ der 18-Jährige Gnade vor Recht geschehen: In der siebten Finalpartie der Schachweltmeisterschaft in Moskau gönnte er seinem Landsmann Wassili Iwantschuk trotz deutlicher Vorteile ein Remis nach 22 Zügen.

Vor anderthalb Jahren hatte sich Ruslan Ponomarjow in seiner Heimatstadt zu einem Jurastudium angemeldet, an der Universität im ostukrainischen Kramatorsk. Am Mittwoch ließ der 18-Jährige Gnade vor Recht geschehen: In der siebten Finalpartie der Schachweltmeisterschaft in Moskau gönnte er seinem Landsmann Wassili Iwantschuk trotz deutlicher Vorteile ein Remis nach 22 Zügen. Dieses Ergebnis genügte ihm, um jüngster Weltmeister aller Zeiten und um eine halbe Million US-Dollar reicher zu werden. Allerdings muss Ponomarjow wie alle anderen WM-Teilnehmer noch 20 Prozent seines Preisgeldes an den Weltschachbund Fide abführen.

"Als Kind waren Kasparow und Karpow meine Vorbilder, mittlerweile habe ich keine mehr", sagte Ponomarjow nach seinem 4,5 : 2,5-Sieg im Moskauer Metropol-Hotel. Vergleichsweise spät, im Alter von sieben Jahren, hatte er die Schachregeln von seinem Vater erklärt bekommen. Danach offenbarte sich rasch sein erstaunliches Talent: Im Jahr 1995 gewann Ponomarjow die U 12-Weltmeisterschaft. Fortan trainierte er durchschnittlich etwa sechs Stunden am Tag und wurde von der ukrainischen Aktiengesellschaft Danko gesponsert. Kurz nach seinem 14. Geburtstag war er jüngster Großmeister aller Zeiten, im gleichen Alter auch U 18-Weltmeister.

Anfang dieses Monats tauchte sein Name erstmals in den Topten auf. Doch noch ist Garry Kasparow die Nummer eins der Weltrangliste. Dieser hatte abermals nicht an der K.-o.-WM teilnehmen wollen, ebensowenig wie Braingames-Weltmeister Wladimir Kramnik. Allerdings kommentierte Kasparow das Geschehen auf seiner Webseite - gewohnt scharf. So gehöre die umstrittene Entscheidung des Fide-Präsidiums, die Bedenkzeit von sieben auf höchstens vier Stunden zu verkürzen, zu einer "Politik der Zerstörung von Schachtraditionen". Wenn dieser Zeitmodus auch künftig angewendet werde, sinke die Qualität der Partien beträchtlich. Auch Kramnik, der Weltranglistenzweite, hält nichts von dem Fide-Modus: "Der Weltmeister sollte nach traditionellem System ermittelt werden, nicht in einem Glücksspiel." Demgegenüber hatte Ponomarjow schon früher eine Verkürzung der Bedenkzeit begrüßt. Er bevorzuge die sportlichen Aspekte beim Schach, sagte er einmal.

Tatsächlich mussten die Spieler, denen etwa anderthalb Stunden weniger zustanden, diesmal viele Entscheidungen schnell und intuitiv treffen. Oft waren sie schon ab dem 30. Zug zum Blitz-Schach gezwungen und konnten sich in den kritischen Partiephasen nicht wie gewohnt die Zeit nehmen, um das Wesen einer Stellung tiefgründig zu erfassen. Mehr als sein Finalgegner schien Iwantschuk unter diesen Bedingungen zu leiden. In der zweiten und fünften Partie verpatzte er klare Siegchancen, auch das Springer-Läufer-Endspiel in der vierten war womöglich gewonnen. Ponomarjow hingegen spielte solide, "ohne irgendwelche Hochs oder Tiefs", wie Kasparow analysierte.

Im Frühjahr nimmt der junge Weltmeister erstmals in seiner Karriere an einem der so genannten Super-Turniere teil. Im spanischen Linares wird er sich unter anderem gegen Kasparow beweisen müssen.

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