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Hans Lindberg, 35, gilt als einer der besten Rechtsaußen in der Geschichte der Handball-Bundesliga. Nur neun ausländische Profis haben mehr Tore geworfen als der Däne. Am Sonntag spielt er mit den Füchsen Berlin im EHF-Pokal gegen Saint Raphael.

© imago/Eibner

Interview mit Füchse-Handballer Hans Lindberg: „Im Fußball war ich nicht gut genug“

Hans Lindberg über seine Handballkarriere, Konkurrenz bei den Füchsen und Leistungssport im Alter.

Herr Lindberg, wir würden gern mit einer Fangfrage beginnen.

Dann mal los.

Zwischen Berlin und Hamburg gibt es eine ausgeprägte Konkurrenz. Sie haben neun Jahre für den HSV Handball gespielt und sind nun seit einem Jahr bei den Füchsen. In welcher Stadt gefällt es Ihnen besser?

Ganz ehrlich: Ich finde Hamburg schöner. Ich habe da so viel erlebt habe und weiter sehr gute Verbindungen und Freunde. In Berlin habe ich jetzt vielleicht die Hälfte der Stadt gesehen, langsam entdecke ich aber immer mehr hübsche Ecken und Stadtteile.

Der größte Unterschied?

Wenn ich in Hamburg unterwegs war, gab es ein Stadtzentrum, da hat sich alles abgespielt. In Berlin ist das eine ganz andere Nummer, es gibt viele kleine Zentren, jeder Bezirk hat sein eigenes Leben. Die kleinen Bezirke sind über die Jahrzehnte zu einer riesigen Stadt zusammengewachsen, das merkt man. Grundsätzlich sehe ich eine große Entwicklung in Berlin: überall wird gebaut und renoviert.

Aufgewachsen sind Sie in einem kleinen Dorf in Dänemark.

Eigentlich bin ich Isländer. Dort bin ich geboren und habe die ersten zwei Lebensjahre verbracht, ehe meine Eltern nach Dänemark gezogen sind. Das haben sie mir aber erst viele, viele Jahre später erzählt, es war lange gar kein Thema. Bis ich als Jugendlicher in Dänemark irgendwann finanzielle Unterstützung für mein Studium beantragt und zu hören bekommen habe: Geht nicht, weil Sie gar kein Däne, sondern Isländer sind!

Wie kann das denn passieren?

Das ging wohl auf einen Formfehler bei der Ummeldung von Island nach Dänemark zurück. War aber kein Problem. Heute habe ich eine doppelte Staatsbürgerschaft, fühle mich aber als Däne. Ich bin in Dänemark groß geworden, auch wenn der Großteil meiner Familie auf Island lebt und mich lieber im isländischen Nationaltrikot sehen würde.

Ihre Heimatstadt, so heißt es, soll kein ganz einfaches Pflaster gewesen sein.

Stimmt, es war damals sehr multikulti, viele Hochhäuser, günstige Wohnungen, aber im Umgang miteinander total cool. Heute ist es, nach allem was ich so höre, ein Ghetto geworden, in das die Polizei nicht gern fährt. Da können schon mal Steine auf den Einsatzwagen fliegen.

War Sport auch eine Art Ausweg für Sie?

So habe ich das nie gesehen. Ich war kein ruhiges Kind, im Gegenteil. Ich war verrückt nach Bewegung und Sport im Allgemeinen, das lag schon in der Familie. Meine Mutter war Nationalspielerin im Handball und im Fußball, mein Vater bis zu seiner Knieverletzung ebenfalls Handballer. In meiner Jugend habe ich fast alles einmal ausprobiert: Tennis, Tischtennis, Trampolinspringen, Schwimmen, meine Eltern haben mir nie etwas vorgeschrieben. Mein Vater war aber ganz froh, dass ich mich am Ende für Handball und nicht für Fußball entschieden habe. Ich glaube, er hätte keinen Bock gehabt, immer draußen im Regen zu stehen.

Warum die Entscheidung für Handball?

Im Fußball war ich einfach nicht gut genug. Außerdem hat es keinen Spaß gemacht, bei Minusgraden auf Ascheplätzen zu spielen, die Grätschen taten immer unfassbar weh. Als Handballer hat es zwei Monate gedauert, dann war ich schon in einer Regionalauswahl, zwei Jahre später in der Jugend-Nationalmannschaft. Ich hatte in meiner Karriere das große Glück, auf Trainer zu treffen, die mir vertraut und Zeit eingeräumt haben, mich entwickeln zu können.

Sie sind dann auch relativ spät in die Bundesliga gewechselt, mit 25 Jahren.

Ich hätte auch zwei Jahre früher gehen können, aber ich habe mich damals noch nicht bereit gefühlt. Ich wollte der beste Rechtsaußen der Welt werden, das war mein Anspruch, und dazu musste ich mich in der Bundesliga durchsetzen, das war klar und brauchte eine gewisse Vorbereitung und einen Reifegrad.

Hatten Sie Startschwierigkeiten?

Nein, Sprache und Mentalität waren kein großes Thema. Ich musste mich zwar an ein paar Sachen gewöhnen, aber das war kein Problem. Pünktlichkeit zum Beispiel: Wenn man sich in Dänemark um neun verabredet, ist es total okay, wenn man um viertel nach Neun erscheint. Undenkbar in Deutschland!

Mit dem HSV haben Sie alle großen Titel gewonnen: Deutsche Meisterschaft, Pokalsieg, Champions-League-Sieg, zweimal Bundesliga-Torschützenkönig. Was war die lehrreichste Erfahrung aus dieser Zeit?

In Hamburg war es ja so, dass wir immer gewinnen mussten. Platz zwei war keine Leistung, kein Erfolg. Eine Saison ohne Titel war immer eine schlechte. Ähnlich ist es mit der dänischen Nationalmannschaft. Bei der WM 2013 in Spanien haben wir ein Riesenturnier gespielt und nur das Finale verloren. Und am Flughafen? Hat kein Mensch auf uns gewartet. Ich habe also gelernt, in wichtigen Situationen mit Druck umzugehen. Das gehört bei Sportlern auf diesem Niveau dazu, und ich finde das auch richtig geil.

Wie meinen Sie das?

Ich hatte Mitspieler, die damit nicht klargekommen sind, die gesagt haben: die Leute erwarten zu viel, die Presse auch. Da konnte ich nur entgegnen: Tut mir leid, aber wenn du darauf keinen Bock hast, dann hör auf mit Handball. Deswegen werden wir bezahlt: Weil wir in eine Halle mit 10 000 Zuschauern gehen, die alle gegen dich sind und pfeifen, und wir liefern trotzdem ab und bringen die Halle zum Schweigen. Ich habe das immer als positiv betrachtet, es motiviert mich.

Bei den Füchsen Berlin gibt es große Konkurrenz auf Rechtsaußen, Sie konkurrieren mit Schwedens Nationalspieler Mattias Zachrisson. Wie gehen Sie damit um?

In den Augen vieler sind wir Konkurrenten, und das stimmt natürlich. Andererseits sind wir Teamkollegen, Angestellte eines Vereins mit großen Zielen. Die Füchse wollen irgendwann sicher auf einem besseren Tabellenplatz als dem vierten landen, und dafür braucht man zwei starke Spieler auf jeder Position.

Sie werden am Ende der Saison 36 Jahre alt. Sind Sie froh, dass Sie auf einer Außenposition spielen, die den Körper nicht so verschleißt wie andere im Handball?

Man kriegt auf Außen nicht so viel auf die Fresse, das stimmt. Klar ist aber auch: Ich liebe Handball, würde aber nicht mehr spielen, wenn ich kein Geld dafür bekäme. Schließlich richte ich mein ganzes Leben nach dem Sport aus.

Was tun Sie denn für ihren Körper, um noch möglichst lange spielen zu können?

Ich weiß, dass ich nicht mehr 25 bin und besser auf mich aufpassen muss. Ich esse gesund und bin erfahren genug um zu wissen, was ich im Fitnessraum machen muss und was ich lieber lasse. Grundsätzlich gilt: 60 Minuten spielen und danach feiern gehen – früher gar kein Problem. Wenn ich das jetzt mache, liege ich drei Tage im Bett. Aber das ist okay so, ich habe in meinem Leben genug gefeiert, jetzt haben wir ein Kind und andere Prioritäten. Trotzdem will ich bis mindestens 40 spielen, wenn ich gesund bleibe.

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