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Mit Zug. Eunice Beckmann (M.) nimmt es in dieser Szene mit gleich drei Potsdamerinnen auf.

© Jana Schreckenberger/FC

Interview mit Bundesligaprofi Eunice Beckmann: „In Deutschland haben selbst die Socken die gleiche Farbe“

Eunice Beckmann über die Individualität im Frauenfußball, Missstände bei der Nachwuchsförderung und die nervenden Vergleiche mit den Männern.

Von David Joram

Eunice Beckmann, 28, wechselte vor dieser Saison von Madrid CFF zum Bundesligisten 1. FC Köln. Die Stadt am Rhein ist bereits ihre achte Station im Profifußball. Mit den Bayern gewann die gebürtige Wuppertalerin zweimal die deutsche Meisterschaft, beim FC Basel wurde die Stürmerin Torschützenkönigin der Schweizer Liga. Seit 2018 ist Beckmann Uefa-Botschafterin für die Kampagne „We play strong“ und will mehr Mädchen für Fußball begeistern.

Frau Beckmann, Sie haben mal gegen Mario Götze gespielt...
… ja, früher mal, in der U15 oder so.

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Haben Sie noch Erinnerungen an den Spielverlauf und das Ergebnis?
Wir haben mit dem Wuppertaler SV verloren. Götze schoss drei Tore, wenn ich mich richtig erinnere. Das war natürlich ein Highlight gegen einen so großen Verein wie Borussia Dortmund zu spielen. Götze wurde da schon extrem gehypt, er hat uns auf dem Platz total auseinander genommen. 3:7 hieß es am Schluss, vielleicht auch 3:9. Für sein WM-Siegtor 2014 feiere ich Götze natürlich. Aber wenn ich ihn heute auf der Straße sehen würde, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr so ehrfürchtig. (lacht)

Als Jugendspielerin sollen Sie sich vorgenommen haben, als erste Frau den Sprung in die Fußball-Bundesliga der Männer zu schaffen. Stimmt das?
Ich habe eben jahrelang nur mit Jungs gespielt. Mädchen, die Fußball spielen, kannte ich nicht. Und wenn ich ganz ehrlich bin, dachte ich mit elf, zwölf Jahren auch, dass es überhaupt kein Mädchen geben würde, das so gut Fußball spielen kann wie ich. Deshalb kam mir als Kind der Gedanke, vielleicht könnte ich irgendwann mal in der Bundesliga der Männer spielen. Erst als ich in die Niederrhein-Auswahl kam, habe ich realisiert: Okay, hier sind doch ein paar Mädels, die richtig gut kicken können.

Wie alt waren Sie da?
Da war ich dann schon 16 und musste feststellen, dass es bei den Jungs physisch nicht mehr reicht. Wenn ich einen Schritt gemacht habe, haben die Jungs drei gemacht. Ab einem bestimmten Alter entwickeln die sich einfach extrem.

Nun ruht der Ball wegen der Corona-Pandemie auch beim 1. FC Köln, Ihrem Arbeitgeber. Sorgen Sie sich um Ihren Job?
Mein Vertrag gilt noch bis 2021, aber derzeit können ja alle nur abwarten. Einen solche Ausnahmefall wie derzeit gab es in der Fußballgeschichte noch nie. Wir müssen die Entscheidungen des Staates respektieren und uns an die Vorgaben halten. Ich hoffe, dass die Zahl der Infizierten und Toten so gering wie möglich bleibt und wir keine italienischen Verhältnisse bekommen. Aktuell gilt nur: die Gesundheit geht vor!

Wie sieht Ihr Alltag aus?
Wenn ich in meiner Wohnung in Köln alleine sitzen müsste, wäre mir wahrscheinlich schnell langweilig. Jetzt bin ich bei meinen Eltern in Wuppertal, im Wohnzimmer packen wir nun zusammen die Trainingsmatte aus. Ein-, zweimal am Tag gehe ich im Wald laufen – natürlich alleine.

Fußballpause. Auch Beckmann (l.) darf derzeit keine Zweikämpfe führen. Stattdessen joggt sie durch die Wälder Wuppertals.
Fußballpause. Auch Beckmann (l.) darf derzeit keine Zweikämpfe führen. Stattdessen joggt sie durch die Wälder Wuppertals.

© Jana Schreckenberger/FC

Sie haben viele Stationen hinter sich, unter anderem spielten Sie in den USA für die Boston Breakers, in Schweden für Linköpings FC, in der Schweiz für den FC Basel – und beim FC Bayern. Wo würden Sie denn gerne nochmal spielen?
Alle Länder, in denen ich gespielt habe, waren eine gute Erfahrung, auch wenn es Höhen und Tiefen gab. In Linköpings konnte ich meine Leistung nicht so bringen wie zum Beispiel in der Schweiz.

Woran lag's?
Ich war nicht fit und mit erst 21 Jahren einfach noch nicht ready, mental nicht stark genug. Die Erfahrung war trotzdem gut und Schweden ist ein wunderschönes Land. Aber ich konnte einfach meine Leistung nicht bringen und bin schließlich zum FC Bayern gewechselt. Die Zeit dort war überragend, natürlich auch dank der beiden Meisterschaften. Auf dem Rathausplatz mit Ribéry die Schale in die Luft zu stemmen, ist einfach überragend. Diesen Moment nimmt dir niemand.

Ribéry dürfte mindestens das 150-fache jährlich verdient haben. Wurde diese Differenz eigentlich mal unter den Münchner Fußballerinnen kritisch hinterfragt?
Dass er so viel verdient hat, war vollkommen in Ordnung. Darum geht es nicht.

Sondern?
Wenn ein bisschen mehr für den Frauenfußball getan würde, würde auch dort mehr Geld reinkommen. Aber da wird nicht genügend getan. Unsere Gehälter mit denen der Männer zu vergleichen, bringt leider nichts. Wenn x Trikots von Ribéry verkauft werden, hat er sich einen Anteil daran auch verdient. Was schön wäre: wenn zum Beispiel Trikots mit dem Namen Beckmann in Shops hängen würden. Oder in Stadien häufiger auch Bilder von uns Fußballerinnen zu sehen wären. Vielleicht sagt dann mal jemand: Oh cool, ich wünsche mir ein Trikot von Eunice Beckmann.

Feiern wie die Bayern. 2015 und 2016 gewann Beckmann mit den Münchnerinnen die deutsche Meisterschaft.
Feiern wie die Bayern. 2015 und 2016 gewann Beckmann mit den Münchnerinnen die deutsche Meisterschaft.

© dpa

Haben Sie das Gefühl, dass die Vereine ihre Frauenfußball-Teams ein bisschen verstecken?
Es wird ja etwas getan, die Bedeutung des Frauenfußballs beim FC hat zugenommen und wir haben hier noch viel vor. Bayern und Wolfsburg sind auch engagiert, verglichen mit vor zehn oder 20 Jahren ist die Lage besser. Als Spielerin wünscht man sich natürlich, dass schneller noch mehr passieren würde. Es kommt immer darauf an, ob die Vorstände in den Klubs etwas vom Frauenfußball halten oder nicht. Das Geld war im Fußball bislang da, es braucht nur einzelne Menschen, die sich einsetzen. Beim FC ist Geschäftsführer Alexander Wehrle ein großer Unterstützer des Frauenfußballs.

Frau Beckmann, Sie sind seit Anfang 2018 Botschafterin der Uefa-Kampagne „We play strong“. Worum geht es da genau?
Mit sehr vielen Social-Media-Aktionen wollen wir Aufmerksamkeit erzeugen. Da geht es auch um den Mädchenfußball; dass ich die jungen Spielerinnen überzeugen kann, an sich zu glauben und mit Fußball weiterzumachen, wenn sie zum Beispiel in die Pubertät kommen. Es lohnt sich, weiterzumachen, da kann ein gutes Beispiel sein: Hätte ich einen Nine-to-Five-Job begonnen, wäre ich sicher nicht so viel in der Welt herumgekommen. Ich habe aber sportlich etwas erreicht, und finanziell wird es immer besser – auch wenn wir das mit den Gehältern der Fußballer nicht vergleichen können. Für die nächste Generation würde ich mir wünschen, dass die Budgets dann höher liegen. Daran glaube ich auch.

Wie wurde die Uefa auf sie aufmerksam?
In meiner Bayern-Zeit gab es eine kleine Gruppe von Spielerinnen, die lustig drauf war, die viel Quatsch und Tricks vor der Kamera gemacht hat. Und irgendwann sprach uns jemand von der Uefa an, der meinte, dass ich mit den anderen Kickerinnen da super reinpassen würde. Und da ich vor Kameras keine Scheu hab, ging's eben los, das hat gut gepasst.

In einem Clip schlendern Sie durch New York und erzählen, was Sie so machen. Was kann der DFB in Sachen Vermarktung noch von den USA lernen?
Wenn dort eine WM stattfindet oder das Nationalteam spielt, sind die Stadien normalerweise ziemlich voll, das ist bei uns leider nicht so. Der Unterschied ist riesig. In den USA wird der Fokus halt wirklich aufs Nationalteam gelegt.

Sie haben eine Saison lang für Boston in der National Women's Soccer League gespielt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Es wird mehr Wert auf Individualität gelegt. Feste Essenszeiten oder einheitliche Kleidung gab es nicht. In Deutschland müssen selbst die Socken die gleiche Farbe haben, wenn sich das Team zum Frühstück trifft;das war in den USA anders. Liga und Leute sind echt super, auch das Wetter. Manchmal war es aber zu heiß. In Orlando spielten wir mal vor 40 Grad, nach gefühlt fünf Minuten konnte ich nicht mehr laufen. Toll war, dass die Spiele – verglichen mit Deutschland – sehr gut besucht waren. Beim Auswärtsspiel in Portland hatten wir 18.000 Zuschauer; ein geiles Gefühl, das würde man sich auch mal wünschen. Da braucht es mehr Werbung für den Frauenfußball. Dass es dann gehen kann, hat man ja in England oder Spanien gesehen, wo viel passiert. Warum nicht hier in Deutschland?

Warum nicht?
Dem Frauenfußball müsste man viel mehr Aufmerksamkeit schenken – übrigens nicht nur der Nationalmannschaft, wobei auch da viel mehr möglich wäre. Das ist ein Hauptproblem. Und dann gibt es ja noch einige Männervereine, die noch kein Frauenteam haben, etwa Dortmund oder Schalke. Wenn da mal etwas passieren würde, sähe es auch insgesamt besser aus. 

Ist das der einzige Weg, Frauenfußball populärer zu machen, dass die etablierten Männer-Bundesligisten kräftig investieren?
Es ist momentan zumindest der beste und der einfachste Weg, ein bestimmtes Budget von den Männerteams zu erhalten; in England funktioniert das ja auch so. Mit den Summen der Sponsoren bei reinen Frauenvereinen ist es wahrscheinlich schwierig, etwas Größeres anzuschieben.

Wo verstecken sich die Funktionäre, die für Veränderungen offen sind?
Ob die sich verstecken, weiß ich nicht. Klar ist nur, dass es wichtig wäre, wenn die handelnden Personen in Verbänden und Vereinen sagen würden, dass für den Frauenfußball mehr getan werden muss. Ich denke, diese Menschen gibt es, aber die sind halt an manchen Orten noch nicht laut genug.

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Verstehen Sie sich als eine Stimme des Frauenfußballs?
Es gibt viele Mädels, die sagen: Hey, ich find Fußball mega cool – aber meine Eltern wollen lieber, dass ich etwas anderes mache, Tennis oder sonst einen sogenannten „Frauensport“. Da sage ich immer: Fußball ist für alle da, für Männer und Frauen. Fußball ist mehr als das Spiel, Fußball kann so viel vermitteln: Selbstbewusstsein, Eigendisziplin, Eigenverantwortung, Teamgeist. Da zeige ich gerne die Chancen auf.

In Deutschland finden insbesondere Mädchen mit einem sogenannten Migrationshintergrund kaum Zugang zum Fußball. Woran liegt das?
Ich glaube, viele Familien geben ihnen zu wenige Chancen, das war bei mir zumindest so. Mein damaliger Trainer musste meine Eltern überzeugen, dass ich eine gute Spielerin bin. Er meinte: die möchte ich bei mir in der Mannschaft haben – in der Jungenmannschaft! Meine Eltern waren anfangs total dagegen. Die meinten, ein Mädchen sollte mit Mädchen spielen, oder mit Puppen – bis mein Trainer sie überzeugen konnte, mal mit zum Probetraining zu kommen.

Sie selbst hatten gar keinen Einfluss auf Ihre Eltern?
Nee, natürlich nicht. Ich war damals fünf Jahre alt und im Kindergarten. Wenn ich einen Ball gesehen habe, habe ich einfach gezockt. Als ich später in die Schule bin, war's ähnlich. Ich kam heim, habe die Schultasche in die Ecke geschmissen und hab – bis mich meine Mutter vom Spielplatz zerren musste – mit den Jungs Fußball gespielt. Das war was ganz Normales, die Jungs hat es nicht interessiert, ob ich ein Junge oder ein Mädchen bin. Da wurde trotzdem richtig reingegrätscht. Ich glaube, daher kommt mein aggressiver Zweikampfstil.

Was sind die Hauptgründe, dass so viele Mädchen – gerade im Alter von 15, 16 Jahren – die Lust am Fußballspielen verlieren?
In diesem Alter hat man viele verschiedene Interessen. Da denkt man dann vielleicht, dass sich Fußball eben nicht so lohnt – gerade wenn man von den Eltern oder den Vereinen nicht so gepusht wird.

Das ist bei Jungs anders?
Da wird professioneller gearbeitet, früh in der Jugend schon. Das würde ich mir auch für den Frauen- und Mädchenfußball wünschen: dass es dort professioneller abläuft.

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