zum Hauptinhalt
Da bröckelt was. Russische Athleten dürfen wegen Dopings bei den Winterspielen in Südkorea nicht starten, "saubere" Athleten dürfen nur unter olympischer Flagge antreten.

© imago/Ralph Peters

Internationale Sportveranstaltungen: Geld, Filz und Politik: Geht dem Sport die Luft aus?

Doping, Korruption, politische Tricksereien – Olympische Spiele und andere Meisterschaften stecken in der Krise. Wie das Geld eine Kultur zerstört. Eine Analyse.

Es ist von heute ausgesehen ein Bild wie aus einer anderen Welt. Einer Welt, die es so auch nicht gab. Abschlussfeier der Olympischen Winterspiele von Sotschi: Gut gelaunt schwenkt Thomas Bach am Abend des 23. Februars 2014 eine riesige Flagge mit den Olympischen Ringen.

Eingerahmt wurde der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) von den Bürgermeistern aus Sotschi und Pyeongchang, dem Ort in Südkorea, wo in zehn Wochen die Winterspiele stattfinden sollen. Bach mochte diese Momente, hielt diesen Sportfunktionärskitsch wohl für einen symbolischen Akt. Naiv und traumhaft verträumt wirkte das nach außen, berechnend war es wohl von innen heraus. Bach verglich die Spiele von Sotschi mit dem „Sommermärchen 2006“, der Fußball- WM von Deutschland, und lobte Russlands Präsident Wladimir Putin. „Er war entscheidend beteiligt am großen Erfolg der Spiele“, sagte der Wirtschaftsjurist im Jahr 2014.

Drei Jahre später. Putin, der tolle Organisator, ist von den Winterspielen in Südkorea ausgesperrt. Seine 2014 vom russischen Staat gedopten Sportler dürfen nach dem Ausschluss nicht starten. Anderer russische Athleten dürfen unter olympischer Flagge antreten. Ob sie das wirklich machen, ist noch nicht entschieden. Witali Leontjewitsch Mutko, Vize-Ministerpräsident von Russland, und russischer Sportminister während der Spiele von Sotschi darf nicht nach Südkorea kommen. Mutko ist vom IOC lebenslang für Olympia gesperrt: Der Mann, der seit 2009 der Führung im Fußball-Weltverband Fifa angehört und die im kommenden Juni beginnende Fußball-Weltmeisterschaft in Russland organisiert.

Glanzlose Veranstaltungen, die ihre Seele verkauft haben

Doping, Filz in der Sportpolitik und Großveranstaltungen in Ländern, in die der Sport eigentlich nicht hingehört. Weder Südkorea noch Peking, dort finden die Winterspiele 2022 statt, haben eine tiefere Affinität zum Wintersport. Fußball und Katar sind sich ähnlich fremd, trotzdem verkaufte die Fifa die WM für 2022 in die Wüste. Es gab auch schon große Radrennen oder ein Turnier wie die Handball-WM in Katar, glanzlose Veranstaltungen, die ihre Seele verkauft hatten, waren das. Selbst dem großen Fußball dürfte in dem Land ohne Fankultur auch kaum eine glanzvolle Vorstellung gelingen.

Die größten internationalen Veranstaltungen des Sports sind in einer Krise. Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften steuern auf den Abgrund zu. Winterspiele wird und will so schnell kein westliches Land mehr austragen. Selbst in Hochburgen des Wintersports stoßen die Mega-Events auf breite Ablehnung. Nach München und Garmisch-Partenkirchen, scheiterte kürzlich Tirol (auch mit Garmisch) am Votum der Wähler.

Korruption und Doping - das strahlt aus

Südkorea und China werden Retortenspiele. Doch der Fußball holt auf. Über der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft von Russland wird nach dem halbherzigen IOC-Olympia-Bann der Schatten größer, nicht nur wegen Mutko. Doping-Vorwürfe richten sich mittlerweile auch gegen Russlands Fußball-Nationalmannschaft. Da ist es aus Moskauer Sicht gut, dass sich Mutko bestens mit Gianni Infantino versteht. Nach dessen Wahl zum Fifa-Generalsekretär im Frühling 2016 hatte ihn Mutko im Privatflugzeug von Genf nach Moskau mitgenommen. Dort verkündete Infantino, die Weltmeisterschaft 2018 in Russland werde ein „phantastischer Erfolg“.

Beste Freunde: Der russische Präsident Wladimir Putin (rechts) und der IOC-Präsident Thomas Bach freuen sich über Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi.
Beste Freunde: Der russische Präsident Wladimir Putin (rechts) und der IOC-Präsident Thomas Bach freuen sich über Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi.

© Barbara Walton/EPA/dpa

Welche Folgen die Entscheidung des IOC für Mutkos Rolle bei der Fußball-WM hat, ist noch vage, die Russen haben ja bislang in solchen Fällen eher stur reagiert. Mit Rückritt wird das nichts so schnell. Fakt ist aber, dass die Diskussion nun auch die erreicht, die bisher in punkto Doping nicht negativ aufgefallen sind.

Oliver Bierhoff, der Teammanager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sagte vor wenigen Tagen: Natürlich sei betrüblich, was da in Russland passiert sei, aber letztlich habe seine Mannschaft damit nichts zu tun – die Jungs seien schließlich sauber. Aber was nützt das? Denn die Frage ist ja, in wie weit die Krise der Großevents, inwieweit Doping und Korruption auch auf die Teilnehmer und Sportler der Veranstaltungen abstrahlen, die nicht gedopt oder noch nicht des Dopings überführt sind.

Spitzensport: Harte Arbeit und ein Verdrängungswettbewerb

Was zählt die gute Moral und gibt es oder kann es die im Spitzensport überhaupt geben, wo es im Wesen ja vor allem um Geld geht. Sport an sich ist eine der schönsten Aktivitäten der Menschheit, gesund für Kopf und Körper. Spitzensport aber ist harte Arbeit, an der Spitze ein Verdrängungswettbewerb.

Es kann nur einen oder eine geben, die Gold gewinnt oder eine Mannschaft, die Weltmeister wird. Warum wird von Profisportlern an sich ein lauterer Wettbewerb verlangt, den es so in jedem anderen Lebensbereichen gar nicht gibt? Nicht alle Chefs dieser Welt stehen an der Spitze, weil sie nur mit moralisch und rechtlich einwandfreien Mitteln gekämpft haben.

Seriensieger, Serienbetrüger

Die Crux aber ist, dass die Zuschauer das Wesen des Sports als sauber ansehen wollen und trotzdem zuschauen. Und das ist auch ihr gutes Recht als Konsument, denn der will prinzipiell nicht betrogen werden. Es entwertet das Erlebte, wenn der Zuschauer im Nachhinein erfährt, dass er er betrogen wurde, wenn aus einem Seriensieger, wie einst Lance Armstrong, ein Serienbetrüger wird.

In den Köpfen vieler Fans, in ihren Erinnerungen darf der ehemalige Radprofi aus den USA nicht mehr sieben Mal die Tour de France gewinnen. Das ist bitter, denn zugeschaut und gelitten haben viele mit Lance Armstrong, dem Betrüger. Und die härteste Profi-Rundfahrt der Welt hat sehr wohl gelitten unter den vielen Skandalen, sicher mehr in der Wahrnehmung im Ausland als in Frankreich selbst, da haben sie sich an ihr Kulturgut geklammert.

"Mafiöse Strukturen"

Der Grünen-Politiker Özcan Mutlu schrieb in der „Huffington Post“: „Die Dreistigkeit einzelner Akteure oder ganzer Verbände, die Dimension und Tragweite der einzelnen Fälle überbieten sich gegenseitig. Die schiere Masse an Betrugsvorwürfen ist beispiellos.“ Es gebe „mafiöse Strukturen überall“ und die Kürzel Fifa, IAAF (Internationaler Leichtathletik-Verband), IOC“ würden in der Wahrnehmung der Menschen für Korruption, Intransparenz, Vetternwirtschaft und Betrug stehen.

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hat kürzlich gesagt: Bezüglich des Dopingproblems sei eine drastische Kurskorrektur nötig . Dabei genüge Bestrafung allein nicht. Die Politik müsse ein Zeichen setzen. „Auf den ersten Blick ist Sport ein Spiel, auf den zweiten das Gestalten der Gesellschaft.“

Es sind vor allem die Funktionäre, Sportsysteme wie zuletzt in Russland, die in einer Krise sind. Die Krise ist Bestandteil des internationalen Sports, der eben auch schon immer Teil der Politik war. Es gab schon vor vielen Fußball-Weltmeisterschaften Nebengeräusche, etwa 1978 vor dem Turnier in der argentinischen Militärdiktatur. Die Sommerspiele von Moskau 1980 wurden (fast vom ganzen) Westen boykottiert, Olympia 1984 in Los Angels musste (bis auf wenige Ausnahmen wie zum Beispiel Rumänen) ohne den Osten auskommen.

Schafft sich das System selbst ab?

Eine jüngere Entwicklung ist, dass kaum ein demokratisch geführtes Land noch Olympia haben will, im Winter schon gar nicht. Das hat natürlich mit der Angst vor Umweltzerstörung und anderen Faktoren zu tun, allerdings gibt es auch vor dem Sport Ängste: Ein Goldmedaillengewinner, ein Sommermärchen mag auf eine Region oder eine Nation strahlen. Doch wenn sich der Erfolg dann später als erdopt oder erkauft entpuppt, wird der Schatten des Events dauerhaft zum schwarzen Fleck, der alle sonnigen Momente des Turniers verdeckt. Das Sommermärchen 2006 zum Beispiel ist heute kein Märchen mehr.

Womöglich lassen sich die Sport zerstörenden Prozesse und die Krise auf Funktionärsebene nicht aufhalten. Vielleicht müssen Weltmeisterschaften und Olympische Spiele in einem untragbaren strukturellen Desaster münden. Dann könnte sich das System selbst abschaffen. Explodieren. Puff. Den Vorstoß auf die Fifa zu verzichten, den gab es schon.

Der internationale Sport ist so sehr in einer Krise, wie es unsere Welt ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false