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Mensch, Thomas. Müller (li.) und Robert Lewandowski im Gespräch.

© Albert Gea/Reuters

In Schockstarre durch leere Straßen: Bayern München und der traurige Ausflug ans Mittelmeer

Die Fans aus München hatten keinen Spaß in Villarreal, was auch am Auftritt des FC Bayern lag - und an Schlusszeiten der gastromischen Einrichtungen vor Ort.

Vor dem Sonnenuntergang verlief für die nach Spanien gereisten Bayern-Fans alles noch prächtig. In Valencia spielten erwachsene Männer fröhlich auf dem Karussell vor dem Bahnhof, in Villarreal saßen sie in kleinen Grüppchen vor den Bars und tranken bayerisches Hefeweizen. Ein wunderschöner, entspannter Champions-League-Abend am Mittelmeer. Ein paar Stunden später war die Sonne längst verschwunden und mit ihr auch die sorglose Freude des Nachmittags. Im Viertelfinal-Hinspiel gegen Villarreal hatten die Bayern eine überraschende 0:1-Niederlage kassiert und stehen nun vor einem peinlichen, frühzeitigen Aus im prestigeträchtigsten Wettbewerb der Saison.

Die Fans zeigten sich nach Abpfiff zwar trotzig. „Hurra! Hurra! Die Bayern die sind da!“ sangen sie, als die heimischen Zuschauer mit breitem Lächeln aus dem Estadio de la Ceramica latschten. Ganz so überzeugt klangen die Gästefans aber nicht. Vor jenen Bayern, die am Mittwochabend da waren, dürfte keiner so richtig Angst haben. Denn so überraschend die Niederlage auch war, war sie auch vollkommen verdient. Dies war kein Überfallsieg, bei dem der Außenseiter den Kräfteverhältnissen und dem Spielverlauf trotzte. Villarreal war in fast allen Bereichen besser. Und wie die Bayern nach dem Spiel auch zugaben, war das Endergebnis fast schon schmeichelhaft für den Rekordmeister.

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„Wir hatten auch eine oder zwei Möglichkeiten, wo wir ein Tor machen konnten, aber das wäre heute nicht 100 Prozent verdient gewesen, denn wir haben einfach kein gutes Spiel gemacht“, sagte Trainer Julian Nagelsmann nach dem Spiel. Am Dazn-Mikrofon drückte es Thomas Müller etwas plumper aus: „Wenn’s blöd läuft, hätte es höher ausgehen können.“ Dass Villarreal als verdienter Sieger vom Platz ging, lag im wesentlichen Teil an ihrem Trainer Unai Emery, der so langsam zum Bete Noire der Bayern wird. 2017 verloren die Münchner gegen Emerys Paris Saint-Germain das letzte Mal auswärts in der Champions League. Fünf Jahre später fand ihre Rekordserie von 25 Auswärtsspielen ohne Niederlage ein Ende – und wieder war Emery an der Seitenlinie.

Andererseits müssen sich die Bayern auch selbst eine Menge vorwerfen. Gegen spritzige Spanier wirkten sie oft zu langsam, zu unbeholfen. Vorne waren sie zu zögerlich, hinten zu anfällig. Die Angriffsschwierigkeiten konnte man vielleicht verzeihen. Dass eine gut organisierte Mannschaft nach einem frühen Führungstor die Bayern effektiv ausschaltet, das ist nichts Außergewöhnliches und auch Lewandowski, Müller und den Rest erwischen manchmal einen schlechten Tag. Was Nagelsmann etwas mehr Kopfschmerzen bereiten dürfte, war die defensive Leistung, und zwar vor allem, weil die Probleme bekannter und tiefgründiger sind. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison wirkten die Bayern in den Umschaltmomenten extrem anfällig. Das war schon in der ersten Halbzeit ein Problem. In der zweiten, als die Gäste auf den Ausgleich drängten, wurden die Räume hinter ihnen noch größer.

Wilde zweite Halbzeit

„Die zweite Halbzeit war total wild, weil wir unbedingt Chancen herausspielen wollten. Aber irgendwann wurde es Harakiri. Wir hätten auch leicht zwei kriegen können“, sagte Nagelsmann. Wie schon in der Liga gegen Bochum oder im Pokal gegen Borussia Mönchengladbach hatte man erneut das Gefühl, dass diese Bayern an einem schlechten Tag die Kontrolle verlieren können. Bislang konnte man sich von solchen Ausrutschern immer erholen, und auch jetzt wäre es zu früh, den Alarm zu schlagen. Ob 2015 gegen Porto oder vor ein paar Wochen gegen Salzburg: die Bayern waren in der Champions League schon mehrmals in einer ähnlichen Situation. Für eine „Remontada“, wie die Spanier es nennen, waren sie im Rückspiel fast immer gut. Mit Blick auf dem Rückspiel in München am kommenden Dienstag versprach Nagelsmann „ein anderes Gesicht“.

Das wird nötig sein, denn gegen Mitternacht in Villarreal waren die Münchner Gesichter eher bedrückt. Wie in Schockstarre wanderten die letzten Gästefans durch die leeren Straßen, suchten vergeblich nach irgendeinem Trost. Doch davon gab es keine Spur: die Bars hatten alle schon zugemacht.

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