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Nelly Neppach als deutsche Tennismeisterin im Jahr 1925.

© Archiv J. Buschbom

In Gedenken an Nelly Neppach: Gefeiert, ausgestoßen, in den Tod getrieben

Nelly Neppach war die beste deutsche Tennisspielerin. Der Verband und die Nazis zerstörten ihre Karriere.

Das Tennisspiel von Nelly Neppach war atemberaubend, das Publikum, auch das aus dem Ausland, feierte die deutsche Spielerin von Tennis Borussia Berlin. Es schwärmte von ihren Grundschlägen. Aber mehr noch von diesem Kampfgeist, dieser Unerschrockenheit. Und diese Eigenschaften waren es auch, die Nelly Neppach am besten beschreiben.

1925 war Nelly Neppachs großes Jahr, sie gewann acht von neun möglichen Titeln, darunter die Deutsche Meisterschaft. Beim Fest der Berliner Sportpresse durfte sie 1925 nicht fehlen. Zum Pressefoto musste sie sich in die Mitte stellen, direkt neben die Leichtathletin Lilli Henoch, die mehrere Weltrekorde aufgestellt hatte. Acht Jahre später wollte die Presse von Neppach nichts mehr wissen. Sie war nun nicht mehr die beste deutsche Tennisspielerin. Aber das war nicht der Grund: Nelly Neppach war Jüdin und deshalb vom gesellschaftlichen Leben in Deutschland ausgeschlossen, auch von ihrer großen Leidenschaft Tennis. In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1933 nahm sie sich das Leben.

Vor einigen Tagen wurden zum Gedenken an Nelly und ihrem Mann Robert Neppach, dem bekannten Filmarchitekten, zwei Gedenksteine an ihrem einstigen Wohnort in der Prager Straße in Berlin-Wilmersdorf verlegt. Auch mehrere Vereinsmitglieder von Tennis Borussia Berlin kamen zur Verlegung der Stolpersteine, darunter Jan Buschbom. Er hat sich wesentlich um die Aufarbeitung des Lebens von Neppach gekümmert. Ohne das Engagement von Menschen wie ihm würde sich heute in Deutschland niemand mehr an einstige jüdische Sportstars wie Neppach oder Henoch erinnern.

Stolpersteine für Nelly Neppach, Tennisspielerin, und Robert Neppach, Filmproduzent, in Berlin-Wilmersdorf, Nachod- Ecke Prager Straße.
Stolpersteine an der Ecke Prager Straße, Nachodstraße erinnern an die Tennisspielerin Nelly Neppach und ihren Mann, den Filmproduzenten Robert Neppach.

© Markus Hesselmann

„Vor 90 Jahren war Neppach zusammen mit ihrer Rivalin Ilse Friedleben die erste weibliche deutsche Sportlerin mit internationalem Ruf“, sagt Buschbom. Nach allem, was überliefert ist, war Nelly Neppach eine aufregende Frau, die so wunderbar in die 1920er Jahre gepasst hatte. Arbeitslosigkeit und politische Zerrissenheit prägten die Weimarer Republik. Aber eben auch der Wegfall der gesellschaftlichen Tabus der Kaiserzeit, die Offenheit des politisch-sozialen Klimas und nicht zuletzt: der Acht-Stunden-Arbeitstag. Und der wiederum bot den Nährboden für eine breite Sportbewegung, eine Bewegung, der auch Frauen trotz damaliger medizinischer Bedenken sowie der Vorurteile der Männer angehörten.

Wieder gegenwärtig. Nelly Neppachs Bild war auch Bestandteil einer Ausstellung am Hauptbahnhof zu den European Maccabi Games im Sommer in Berlin.
Wieder gegenwärtig. Nelly Neppachs Bild war auch Bestandteil einer Ausstellung am Hauptbahnhof zu den European Maccabi Games im Sommer in Berlin.

© Imago/Winkler

Neppach personifizierte das Bild der neuen, selbstbewussten deutschen Frau. Nicht alle kamen damit klar. Schon gar nicht der Deutsche Tennis-Bund (DTB). Der sah es mit Argwohn, dass Neppach 1926 ein Turnier im verhassten Frankreich spielte. Ihr Erfolg bei den Deutschen Meisterschaften 1925 sei ein „Glückssieg“ gewesen, ließ der DTB verlauten. „Niemals habe ich irgendwo einen wärmeren Empfang bekommen als von den Franzosen an der Riviera. Es sind meine eigenen Leute, die aus dem Hinterhalt auf mich schießen“, wurde Neppach in einem Artikel der „New York Times“ zitiert.

Der Deutsche Tennis-Bund schloss Neppach 1926 vom Spielbetrieb aus

Nelly Neppach war ihrer Zeit voraus, eine moderne Frau in einer zwar sich wandelnden Zeit, aber eben auch in einer Zeit, in der die Wandlung von vielen als Bedrohung begriffen wurde. Der DTB jedenfalls schloss die erfolgreiche Sportlerin 1926 vom Spielbetrieb vorübergehend aus. Das Schreiben des Verbandes, in dem der Ausschluss begründet wird, war dabei durchzogen mit antisemitischen Untertönen. So wurde ihr zum Beispiel vorgeworfen, sie habe sich mit einem „Netzwerk aus befreundeten Federn“ umgeben, dem sie ihre Popularität verdanke. Eine in dieser Zeit gegenüber Juden häufig geäußerte Unterstellung.

Doch Neppach kam zurück, ein Jahr später stand sie wieder auf dem Platz. Und noch bis ins Jahr 1932 stand sie auf Rang neun der nationalen Rangliste. Tennis war immer noch ihre Leidenschaft, ihr Lebensinhalt. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten Anfang 1933 wurde ihr der genommen. Bei TeBe war kein Platz mehr für sie, und schon gleich gar nicht beim DTB. Der hatte sich als einer der ersten Sportverbände der Weimarer Republik in einem Akt des vorauseilenden Gehorsams selbst arisiert und die jüdischen Verbandsmitglieder aus dem Sportbetrieb ausgeschlossen.

Bis heute hat es der DTB nicht für nötig gehalten, sich für den Umgang des Verbands mit Neppach zu entschuldigen. Immerhin gibt es in der 100-Jahre-Chronik des DTB einen gut recherchierten und kritischen Artikel des Journalisten Christian Eichler über eine der erfolgreichsten deutschen Tennisspielerin dieser Zeit. Dennoch: Nelly Neppach hat mehr verdient.

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