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Kevin Escoffier hat am Vendée Globe teilgenommen.

© imago images/PanoramiC

„Ich sinke. Das ist kein Witz“: So erlebte Kevin Escoffier seinen Horrorcrash beim Vendée Globe

Nach dramatischer Suche wurde Kevin Escoffier von einem Konkurrenten aus Seenot gerettet. Wie geht es ihm jetzt?

Elf Stunden harrte Kevin Escoffier in einer Rettungsinsel aus. Darauf hoffend, dass er gefunden würde. Das war keine Kleinigkeit. Und es war auch nicht einfach, ihn zu finden in der Nacht, die über ihn und den Mann gekommen war, der selbst schon mal in Seenot geraten war und besser als jeder andere um die Ängste einer solchen Lage weiß.

"Le Roi" wie sie den Hochseeveteran Jean Le Cam in Frankreich nennen, hatte 2009 vor Kap Hoorn tagelang im Inneren seiner gekenterten Rennyacht auf Hilfe gehofft. Schließlich war Vincent Riou aufgetaucht, Escoffiers Vorgänger bei "PRB", um ihn abzuholen. Riou kam der kopfüber treibenden Yacht Le Cams dabei ein wenig zu nah, durch die Berührung wurde eine seiner Spieren beschädigt, so dass kurz darauf der Mast abknickte. Das war ein ganz schön lädiertes Paar, das damals in den Hafen von Ushuaia einlief.

Als Escoffier in der Nacht zu Dienstag an Bord seines Retters Le Cam kletterte, bat er denn auch als erstes um Verzeihung, dass er dessen großartiges Rennen versauen würde. Aber er hielt es für einen Akt ausgleichender Gerechtigkeit.

Seither segeln die beiden zusammen weiter. Vermutlich nach Kapstadt, wo Escoffier an Land gehen dürfte. Am Vormittag gab er erstmals ausführlich Auskunft über den Hergang des Unglücks - und wie knapp er ihm entkam.

"Ich kann nicht glauben, was passiert ist. Das Boot faltete sich bei 27 Knoten auf einer Welle einfach auf. Ich hörte einen Knall, aber ehrlich, ich musste gar nicht hören, um zu wissen, was passiert war. Als ich zum Bug blickte, war er um 90 Grad verdreht. Nach wenigen Sekunden war überall Wasser. Das Heck soff ab und der Bug zeigte gen Himmel. Das Boot war auf der Höhe des Masts in zwei Teile zerbrochen, als wenn es in der Mitte gefaltet worden wäre. Ich übertreibe nicht."

Eine Welle wusch ihn ins Meer

Dem 40-jährigen Sohn eines Fischers aus St. Malo blieb gerade genug Zeit, einen Notruf abzusetzen. "An Deck die Segeleinstellung zu optimieren und im nächsten Moment in meinen Überlebensanzug zu schlüpfen war eins, höchstens zwei Minuten vergingen dazwischen. Es passierte alles wahnsinnig schnell. Ich sah Rauch aufsteigen. Die Elektronik brannte. Alle Geräte waren tot. Reflexartig angelte ich nach dem Telefon, um die Nachricht einzutippen, schnappte mir den Überlebensanzug, den ich niemals wegstaue. Auch die Notfall-Tasche wollte ich greifen, aber an die kam ich schon nicht mehr heran wegen des steigenden Wassers. Es reichte schon bis zur Tür ins Cockpit."

Während einige Vendée-Globe-Skipper ihre Rettungsinseln unter Deck lagern, weil es nirgendwo sonst einen vernünftigen Platz dafür gibt, entschied sich Escoffier anders. Einerseits aus praktischen Gründen, wie er bei einer Live-Schaltung am Mittag erzählt, denn die Rettungsinsel ließ sich nicht so gut an den nackten Karbonwänden befestigen. Andererseits fand er es zu mühsam, das schwere Paket erst durch eine enge Kajüttür nach draußen bugsieren zu müssen. Bei der "PRB" befand sich die Rettungsinsel also am Heck. Als er mit ihr hantierte, wusch ihn eine große Welle von Bord.

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"Ich wäre gerne länger auf dem Schiff geblieben, aber ich konnte sehen, dass sich die Dinge sehr schnell entwickelten. Ein Brecher fegte mich ins Wasser. Da war ich nun mit der Rettungsinsel. In dem Moment fühlte ich mich nicht besonders gut. In einer Rettungsinsel zu sein, während es mit acht Windstärken bläst ist nicht eben vertrauenerweckend. Ich fasst erst wieder Mut, als ich Jean auftauchen sah. Doch das Problem bestand darin, einen Weg zu finden, auf dem ich an Bord gelangen konnte. Wir riefen uns ein paar Worte zu. Aber das Meer war ein Schlachtfeld. Jean wurde abgetrieben, aber ich konnte sehen, dass er in der Nähe blieb."

Le Cam unternahm fünf Versuche, wie er sagt, um Escoffiers fragile Zuflucht zu erreichen. Aber die Bedingungen ließen es nicht zu. Und dann verlor er die Insel aus den Augen. Die Rennleitung gab dem 61-Jährigen Zeit, sich ein wenig zu erholen. Sie beorderte weitere Skipper in die Gegend, um Le Cam zu helfen.

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Escoffier hatte keine Angst, aber an Schlaf war nicht zu denken. Wenn er hinaussah aus dem kleinen Schutzzelt, sah er nichts. Erst in den Morgenstunden, würden sie ihn finden, sagte er sich. Plötzlich hörte er das Flappen von Segeln in seiner Nähe und erblickte Le Cam, der zurückgekehrt war und das Blinklicht seiner Insel gesehen hatte. Le Cam versuchte, sich vom Wind in die Richtung des Floßes treiben zu lassen, aber das leichtgewichtige Boot ließ es nicht zu, nahm immer wieder Fahrt auf.

"Ich hatte keine Ahnung, ob sich das Wetter beruhigen und später ein Rettungsmanöver zulassen würde", erzählt Escoffier. "Le Cam war zwei Meter entfernt, er warf mir eine Leine zu, doch es war schwierig, das Boot zu stoppen. Letztendlich zog ich mich heran und bekam etwas von dem Gestänge am Heck zu fassen, an dem ich mich aufs Boot zog. Die See war immernoch rau, mit 3,5 Meter hohen Wellen. Unter solchen Bedingungen an Bord einer 18-Meter-Yacht zu klettern ist hart. Vor allem in einem Survival-Anzug. Glücklicherweise bin ich fit, denn es ist wirklich nicht einfach."

Le Cam ist berühmt dafür, immer einen anständigen Vorrat an Rotwein dabei zu haben. Doch mit Escoffier hat er ihn erstmal nicht geteilt. Wer weiß, wie lange ihn dieses Abenteuer um die Welt noch beschäftigen wird.

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