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Huub Stevens bei Hertha BSC: Der öffentliche Mann

Von André Görke und Michael Rosentritt Berlin. Image ist wichtig.

Von André Görke

und Michael Rosentritt

Berlin. Image ist wichtig. In Berlin hat man gelegentlich den Eindruck, dass es nichts Wichtigeres gibt. Der ansässige Fußball-Bundesligist Hertha BSC fährt gerade eine große Werbe-Kampagne. In der Stadt werden 750 Plakatflächen zugeklebt – „play berlin“ heißt der Slogan. Soll wohl heißen: „think big“, denke in großen Dimensionen.

Der Verein spielt demnächst zum dritten Mal hintereinander im Uefa-Cup. Das ist schon was bei dieser Vergangenheit. Aber für einen Verein, der die neue Mitte der Republik darstellen will, ist es zu wenig. Hertha muss um die Meisterschaft mitspielen und die Champions League erreichen. Dem alten Trainer Jürgen Röber wurde das nicht zugetraut. Ein Mann von Welt sollte es sein. Kategorie Arsène Wenger oder Louis van Gaal. Doch der eine blieb lieber in London, der andere ging wieder zum FC Barcelona. Gekommen ist schließlich Huub Stevens. Sein Image war schon vor ihm da. Der „Kicker“ schrieb: „Für Stevens, chronisch misstrauisch, wird es nicht reichen, den Trainingsanzug gegen ein Sakko zu tauschen.“ Rudi Assauer, Manager von Schalke 04, der fast sechs Jahre mit Stevens gearbeitet hat, sagte: „Der Huub ist kein Freund der Medien.“ Und Jürgen Röber, der sechseinhalb Jahre Hertha trainierte, warnte: „Öffentlichkeitsarbeit macht mehr als 50 Prozent meines Jobs aus.“

Vergangenen Freitag, 16 Uhr 04. Im Garten des Kanzleramtes: Huub Stevens duelliert sich mit Gerhard Schröder im Elfmeterschießen. Es wird geschossen, geflachst und gelacht. Stevens trifft dreimal ins Tor, Schröder benötigt noch einen vierten Versuch. Stevens drückt dem Kanzler das neue Hertha- Trikot in die Hand. „Gerhard“, steht oben auf dem Rücken, unten: „Schröder“. Und in der Mitte: „2006“. Dann ist WM in Deutschland. Ob Schröder dann noch Kanzler ist, wird sich bald entscheiden. Wo wird dann wohl Stevens sein? Ein kurzer Händedruck noch, dann geht Stevens. Der Auftritt hat vielleicht zehn Minuten gedauert.

Huub Stevens wird herumgereicht – zur Imagekorrektur. „Vergessen Sie alles, was sie über mich gehört haben“, sagt Stevens. Klar, einfach ist er nicht, das sagt er selbst. „Wenn ich verliere, bin ich anstrengend, wirklich schwierig.“ Stevens ist direkt, und wenn ihm etwas nicht passt, legt er einen Blick auf, den jeder versteht. „Ich bestehe auf Wahrheit, auf Ehrlichkeit, und wenn man mir diese Charaktereigenschaften entgegenbringt, dann kann man es mit mir aushalten.“

In Gelsenkirchen sollen die Menschen damit so ihre Probleme gehabt haben. Doch Gelsenkirchen – das war eine ganz andere Liga, sagt Stevens. „Hier in Berlin, da spürst du, dass du in der Hauptstadt arbeitest.“ Kanzleramt, Reichstag, die Medien. Und an der Seitenlinie der schicke Anzug. „Ich habe mich auf diese Stadt vorbereitet, und wenn du weißt, wie viele Menschen in Berlin um dich herum arbeiten, dann kannst du mit der Situation gut umgehen.“ Stevens ist vor wenigen Tagen umgezogen, ins ruhige Westend. Dort hat er ein schönes Häuschen gefunden, im Grünen, für seine Frau und seine Tochter. Stevens Sohn bleibt in Eindhoven.

Rückblende: 10. Januar. In einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz bestätigt Manager Dieter Hoeneß, was er selbst „als nicht mehr große Überraschung“ bezeichnet: Huub Stevens wird neuer Trainer von Hertha BSC. Der Niederländer löst Jürgen Röber ab, der den Verein nach sechseinhalb Jahren verlassen wird. Der Vertrag von Stevens läuft bis zum 30. Juni 2005. Einen Tag zuvor hatte Hoeneß Mannschaftskapitän Michael Preetz darüber in Kenntnis gesetzt, zweieinhalb Stunden vor dem Termin erhielten die Redaktionen per Fax eine entsprechende Mitteilung. Die Mannschaft befand sich zu dieser Zeit gerade auf dem Flug ins Trainingslager nach Marbella. Stevens selbst war nicht anwesend in Berlin, sondern leitete wie gewohnt das Training bei Schalke 04. „Wir haben bewusst auf eine Präsentation verzichtet“, sagte damals Hoeneß. „Das ist auch eine Frage des Stils.“

Damals war das Thema Trainerwechsel tatsächlich sensibel. Huub Stevens stand weiterhin beim FC Schalke 04 unter Vertrag, obwohl sein Nachfolger Frank Neubarth dort schon als Schatten über das Vereinsgelände huschte. Andererseits sollte auch Röber nach seinen Verdiensten um Hertha einen würdevollen Abschied bekommen. Dass sich die Wege trennen würden, war bereits im vorangegangenen Herbst vereinbart worden. In einer zweiseitigen Erklärung vom 19. Dezember 2001, die von Röber und Hoeneß unterzeichnet und der Mannschaft bei einem gemeinsamen Frühstück verlesen worden war, heißt es unter anderem: „Beiden Seiten war klar, dass dann die Zeit gekommen ist, sich neu zu orientieren.“

Röbers Abschied vollzog sich dann doch schneller. Anfang Februar, einen Tag nach einer 0:1-Niederlage in Cottbus, wurde Röber abgelöst und durch das Hertha-interne Gespann Falko Götz und Andreas Thom ersetzt. Bis zum Ende der Saison.

Jetzt ist Huub Stevens da. Und wie. „Ich spüre plötzlich jeden einzelnen meiner Muskeln“, sagt Michael Hartmann. Hartmann ist so etwas wie ein Hertha-Urgestein. Hartmann ist nicht ausgesprochen viel Talent in die Wiege gelegt worden, aber er kann rennen. Wenn Hartmann schon muckt, was sagen dann wohl die anderen erst?

Fünf Tage haben die Spieler von Hertha BSC unter ihrem neuen Trainer trainiert. Auffällig gezeichnet sind die Profis vom Trainingsplatz zu den Duschen geschlichen. Dick van Burik, auch ein Niederländer, sagt: „Von außen sieht das Training hart aus, aber es ist noch viel härter.“ Stevens mag keine Sperenzchen, zweimal zwei Stunden am Tag wird trainiert. Und wenn er seine Jungs keuchend, schwitzend, ackernd auf dem Platz sieht, dann lächelt er. „Ich will Spaß vermitteln“, sagt Stevens, „auch wenn es den Spielern nicht immer Spaß macht.“

In dieser Woche schaute immer mal wieder Manager Dieter Hoeneß vorbei. Er gibt sich gut gelaunt. Der Deal mit dem Neuen scheint aufzugehen. Hoeneß sagt über Stevens: „Ich bin beeindruckt. Er brennt. Wie offen er ist, wie herzlich, wie mitreißend.“

Was musste Stevens so alles mit sich machen lassen. Präsentation des neuen Trikots im „nike-subground“, wie der Betonrohbau des U-Bahnhofs unter dem Reichstag heißt, wo ein Event das andere jagt. Oder neulich: Stevens mit Bauhelm, wie er mit Hoeneß das letzte Stück des neuen Rasens im Olympiastadion verlegt. Berlin ist drauf und dran, Huub Stevens zu verändern. Wie weit, wird man erst nach einer Niederlage im Meisterschaftskampf sehen. Stevens hat sich selbst so ausgedrückt.

Noch gibt er sich freundlich, verbindlich, und wenn Stevens etwas sagt, dann klingen die Worte höflich. „Ich bringe dem Klub Respekt entgegen, auch den Menschen in Berlin.“ Floskeln sind das nicht, sonst würde er eine andere Miene aufziehen. Huub Stevens meint so etwas ernst. Da scheinen zwei ihre Hausaufgaben gemacht zu haben - Hertha und Stevens.

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