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Fabian Wiede, 27, gehört bei den Füchsen seit Jahren zu den Leistungsträgern.

© Jörg Carstensen/dpa

Hohe Belastung für Wiede und die Füchse Berlin: „Ich bin der letzte deutsche Überlebende“

Handball-Nationalspieler Fabian Wiede über die vielen Corona-Fälle bei den Füchsen, seine Absage für die EM und warum Sport nicht immer das Wichtigste ist.

Herr Wiede, die Belastung in den vergangenen Tagen war bei den Füchsen sehr hoch. Wie reagiert Ihr Körper darauf?
Den Umständen entsprechend. Ich war gerade beim Arzt, weil ich mir in Göppingen eine kleine Zerrung in der Wade zugezogen habe. Das sind vielleicht noch die Nachwirkungen von meiner Knieverletzung zuvor, deswegen konnte ich auch gegen Balingen nicht spielen.

Wieder eine Verletzung, wieder Pause. Kommt da manchmal etwas Frustration auf?
Ja, diese ständigen kleinen Verletzungen nerven schon irgendwann. Dafür kann ich sagen, dass ich in der Bundesliga in diesem Jahr noch kein Spiel verloren habe. Das klingt so ganz schön, aber natürlich habe ich auch wichtige Spiele wie gegen Magdeburg und Flensburg verpasst. Das ist für mich nicht schön und noch viel weniger für die Mannschaft.

Das zeigt auch, wie wichtig Sie für das Team sind. Wie zufrieden sind Sie denn mit sich selbst?
Natürlich gibt es immer ein paar Spiele, wo es nicht so läuft. Mit der Saison an sich bin ich aber zufrieden, wenngleich meine Torgefahr und Ballsicherheit etwas problematischer sind als im letzten Jahr. Im Großen und Ganzen passt das jedoch, vor allem wenn man betrachtet, dass ich immer wieder aus dem Rhythmus geworfen wurde.

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Ein erneuter Störfaktor waren die sieben Corona-Fälle im Team.
Ich glaube, ich bin der letzte deutsche Überlebende. Ansonsten waren nur Dejan Milosavljev und Johan Koch noch nicht infiziert. Insofern bin ich da bisher ganz gut durchgekommen. Trotzdem ist es natürlich nicht schön, nicht mit den Jungs trainieren und spielen zu können. Dafür haben wir das aber gegen Hamburg überragend gemacht.

Trotz zehn Ausfällen hatten die Füchse gewonnen und konnten sich so unter den vier topplatzierten Teams der Liga halten.
Mit diesem Stand können wir extrem zufrieden sein. Aber es ist erst die Hinrunde und wir haben noch viele schwierige Spiele vor uns. Vor allem sollten wir schauen, dass wir gegen die Großen mehr Punkte holen, um uns oben festzusetzen.

Am Anfang der Saison stellten Sie mit der Mannschaft einen neuen Vereinsrekord auf, waren neun Spiele ungeschlagen. Was macht die Füchse in diesem Jahr so stark?
Ich glaube, man merkt, dass zum Beispiel Lasse Andersson mehr eingespielt ist, weil er erst einmal seine Zeit brauchte. Wenn wir aus vollen Kräften schöpfen können, haben wir eine sehr gute Breite im Kader. In der Abwehr haben wir es geschafft, dass wir Dejan im Tor mit unserem System den nötigen Rückhalt geben können. Da funktioniert momentan alles viel besser als in den Jahren davor. Wenn wir das halten und uns vielleicht sogar noch etwas steigern, ist das super.

In den Spitzenspielen gab es für Wiede (rechts) und Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar bisher wenig Grund zur Freude.
In den Spitzenspielen gab es für Wiede (rechts) und Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar bisher wenig Grund zur Freude.

© imago images/Jan Huebner

Gerade in der Defensive war unklar, wie der Abgang von Abwehrchef Jakov Gojun kompensiert werden kann.
Da muss man sagen, dass sich Marko Kopljar und Mijajlo Marsenic im letzten Jahr schon eingespielt hatten und das sieht man jetzt. Mit Viran Morros kam dann noch ein sehr erfahrener Profi dazu, der zig Titel gewonnen hat und weiß, wie man Abwehr spielt. Er ist vielleicht nicht mehr so spritzig, wie er es mal war, aber er gibt uns durch seine Erfahrung extrem viel mit auf den Weg. Das ist schon ein entscheidender Punkt. Mal ganz davon abgesehen, dass er auf und abseits des Feldes immer versucht, uns zu pushen. Solche Leute kann natürlich jede Mannschaft gebrauchen.

Zum Abschluss dieses sportlich anspruchsvollen Jahres steht an diesem Montag noch das Spiel gegen Melsungen (19.05 Uhr/Sky) an. Was erwarten Sie von der Partie?
Gegen Melsungen zu spielen, ist immer extrem hart. Das ist eine Überraschungsmannschaft, bei der man nie genau weiß, was kommt. Durch die vielen Nationalspieler haben sie aber einen überragenden Kader, der für jeden gefährlich werden kann. Trotzdem denke ich, dass wir da die Punkte mitnehmen können. Besonders in eigener Halle und noch einmal mit den Fans im Rücken.

Sie sprechen die Nationalspieler an. Sie selbst haben sich entschlossen, nicht an der bevorstehenden EM in Ungarn und der Slowakei teilzunehmen. Warum?
Das hat familiäre Gründe. Den Entschluss haben wir vor ungefähr zwei Wochen gefasst, wobei ich aber auch sagen muss, dass ich vorher schon darüber nachgedacht habe. Doch die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen. Ich liebe es, für die Nationalmannschaft zu spielen, und möchte das auch die nächsten Jahre tun.

Können sie die Kritik von Heiner Brand nachvollziehen, der im Zusammenhang der doch zahlreichen Absagen in diesem Jahr, die Einstellung der Spieler in Deutschland in Frage gestellt hat?
Er kann von mir aus denken, was er will. Er kennt die Hintergründe nicht und daher ist mir das egal. Es ist nicht so, dass ich die Nominierung nicht wertschätze. Ich bin immer stolz darauf, mit dem Adler auf der Brust aufzulaufen. Das war schon immer ein Traum für mich und ist es immer noch.

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Hat die Entscheidung auch damit zu tun, dass Sie in diesem Jahr Vater geworden sind?
Die Gründe an sich waren andere. Doch natürlich war das ein Faktor. Jeder, der ein Kind hat, weiß, dass es Phasen im Leben gibt, die wichtiger sind oder die sich nicht ganz so einfach gestalten. Erst recht, wenn man ständig unterwegs ist.

Der Sportchef des Deutschen Handballbundes, Axel Kromer, hat angeregt, die Spielerfrauen stärker in die Planung einzubinden. Ist das ein erster Ansatz?
Ich finde, das ist ein guter Ansatz. In der Hinsicht wurde noch viel zu wenig getan. Wir haben einige frische Väter in der Runde und da wäre es nicht schlecht, wenn man es schafft, die Spielerfrauen im Januar zusammen im Hotel unterzubringen. Dann sind sie nicht allein und der Kontakt ist trotzdem möglich. Wobei der Fokus selbstredend ganz klar auf den Spielen liegen muss.

Sind es vielleicht auch einfach zu viele Termine für die Nationalspieler?
Das ist eine Diskussion, die besonders im olympischen Jahr immer wieder aufflammt. Das ist hart für die Spieler – physisch genauso wie mental – und die Familien. Da sollte man eine Lösung finden, weil die Spieler sonst auf dem Zahnfleisch laufen. Ich glaube allerdings, dass wir davon weit entfernt sind.

Auf Einsätze in der Nationalmannschaft verzichtet Fabian Wiede in diesem Winter.
Auf Einsätze in der Nationalmannschaft verzichtet Fabian Wiede in diesem Winter.

© Soeren Stache/dpa

Schön wäre ja, wenn Liga und Verband gemeinsam für einen besseren terminlichen Rahmen sorgen würden.
Das wäre es. Allerdings bin ich nicht sehr optimistisch, dass das zu meiner Zeit noch passiert.

Sie sind erst 27 Jahre alt und haben noch einige Jahre als aktiver Handballer vor sich. Da ist das schon eine sehr trübe Aussicht.
Wenn man sich anschaut, wie kompromissbereit die Liga kürzlich war, scheint es ja an einigen Baustellen zu hapern. Das war schon sehr frech und hat gezeigt, wie wenig Verständnis für die Spieler da ist. Dieses Vorgehen, bei dem die Spieler auf dem Feld verheizt werden, ist gefährlich. Besonders, wenn man sich anschaut, was dabei für Verletzungen entstehen können.

Jetzt haben Sie im Januar ihre Verschnaufpause. Wie verbringen Sie die Zeit?
Ich habe mit der Familie einen kleinen Kurzurlaub geplant. Am Chiemsee geht’s mit dem Kleinen etwas in den Schnee und wir hoffen, dass wir da etwas abschalten können. Und am 13. Januar startet ja auch schon wieder die Vorbereitung.

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