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Historisches Dokument. Düsseldorf, Samstag, der 29. April.

© Imago

Höchster Sieg in der Fußball-Bundesliga: Del'Haye: "Es gab keine Manipulation"

Vor 40 Jahren schlug Borussia Mönchengladbach Borussia Dortmund 12:0 - und wurde trotzdem nicht Meister. Calle Del'Haye über den höchsten Sieg in der Bundesliga.

Das Finale der Saison 1977/78 in der Fußball-Bundesliga war spannend wie selten. Vor dem letzten Spieltag lag der 1. FC Köln punktgleich mit Borussia Mönchengladbach an der Spitze. Die Kölner waren zehn Tore besser und mussten beim Absteiger St. Pauli antreten. Gladbach empfing im Düsseldorfer Rheinstadion Borussia Dortmund.

Herr Del’Haye, das 12:0 von Mönchengladbach gegen Dortmund ist der höchste Sieg der Bundesliga. Trotzdem hat er nicht zum Titel gereicht, weil Köln am Ende drei Tore besser war. Wie oft haben Sie sich gegen den Vorwurf der Manipulation wehren müssen?

Überhaupt nicht oft. Ganz ehrlich.

Es ist nichts dran an solchen Vorwürfen?

Natürlich nicht. Gucken Sie sich mal unser 1:0 an. Wir hatten Anstoß, der Ball kommt nach rechts raus, ich geh’ durch, Flanke, Tor, 1:0, Heynckes. So was können Sie im Training tausendmal üben – das klappt nie. Wie soll man das manipulieren? Das 5:0 der Kölner bei St. Pauli riecht viel mehr nach Manipulation.

Wieso?

St. Pauli stieg zwar damals ab, war aber zu Hause eine Macht. Alle Heimspiele fanden am Millerntor statt, nur das gegen Köln nicht. Die Kölner hatten vorher 25 000 Karten gekauft, mehr als es dort Plätze gibt.

St. Pauli musste also ins große Volksparkstadion umziehen.

Genau. Nachher wollte Köln 20.000 Karten wieder zurückgeben, weil es nicht genug Interessenten gab. Trotzdem: Es gab keine Manipulationen, auf keiner Seite.

Die Spekulationen sind auch deshalb aufgekommen, weil Otto Rehhagel, der Trainer von Borussia Dortmund, gesagt haben soll, ihm sei Gladbach als Meister lieber als Köln.

Besonders geschickt war das nicht…

… und mit Peter Endrulat hat Rehhagel einen jungen Torhüter aufgestellt, der keine glückliche Figur gemacht hat.

Da bin ich anderer Meinung. Von den zwölf Toren waren vielleicht zwei zu verhindern. Aber Endrulats Karriere war gelaufen.

Trotzdem hat es nicht gereicht. Haben Sie denn ernsthaft geglaubt, Sie könnten die Kölner über die Tordifferenz noch einholen?

Wir wussten, dass wir elf Tore schießen müssen – wenn Köln 1:0 gewinnt.

Eine eher theoretische Überlegung.

Nein, unsere Aufholjagd hatte schon in den Wochen zuvor begonnen. Am vorletzten Spieltag haben wir 6:2 beim HSV gewonnen. Und es hat auch Phasen gegeben, in denen wir tatsächlich Meister waren.

Das Tor in der ersten Minute: war das ein Kick?

Wir haben vor 50.000 Leuten im Rheinstadion gespielt. Die Atmosphäre war der Kick.

Hinzu kam, dass die Kölner in Hamburg Probleme hatten. Bis zur 60. Minute stand es 1:0.

Wir wussten, wie es da aussieht. Von der Bank sind wir über den Zwischenstand informiert worden. Wir haben natürlich jede Chance genutzt, ein Tor zu machen, wobei es auch längere Phasen gab, in denen wir nicht trafen – gleich vor und gleich nach der Pause.

Jupp Heynckes hat – in seinem letzten Spiel – fünf Tore geschossen, Calle Del’Haye zwei …

… ich glaube, das war das einzige Mal in meiner Karriere …

… nur Allan Simonsen, Europas Fußballer des Jahres, hat kein einziges Mal getroffen.

Der ging damals angeschlagen ins Spiel. Es hat nachher Leute gegeben, die gesagt haben: Wenn Rainer Bonhof mitgespielt hätte, hätten wir 15:0 gewonnen. Das ist Quatsch.

Wann war Ihnen klar: Es reicht nicht?

Wir haben an den Fans gemerkt, was in Hamburg los ist. Die Leute hatten ihre Transistorradios dabei. Die Enttäuschung von den Rängen hat sich aufs Spielfeld übertragen.

Wussten Sie, dass die große Ära der Borussia mit diesem Spiel zu Ende gehen würde?

Da haben wir nicht dran gedacht. Es gab eher die Enttäuschung, so nah dran gewesen zu sein, zum vierten Mal hintereinander Meister zu werden – was ja bis heute niemand geschafft hat. Von unseren Fans sind wir so gefeiert worden, als hätten wir den Titel geholt.

Borussia war der erste Meister der Herzen.

Das kann man so sagen. Aber in der Statistik, da tauchen wir eben nur als Zweiter auf.

War das 12:0 Ihr größter Sieg oder Ihre größte Niederlage?

Ich seh’ das nicht als Niederlage. Im Gegenteil. Zwölf zu null in einem Spiel – das ist ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte.

Das Interview erschien im August 2003 im Tagesspiegel, aus Anlass des 40. Geburtstags der Fußball-Bundesliga.

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