zum Hauptinhalt
Martin Hyun ist Gründer von Hockey is Diversity. In diesen Tagen feiert der Verein die einjährige Zusammenarbeit mit der DEL.

© promo

„Hockey is Diversity“ kooperiert mit der DEL: Diversität im Eishockey – es gibt noch viel zu tun

Der Geschäftsführer des Vereins, Martin Hyun, schreibt in seinem Gastbeitrag über Fortschritte und Enttäuschungen im Kampf gegen Rassismus und Ungleichheit.

In diesem Monat jährt sich die Partnerschaft zwischen „Hockey is Diversity“ und der DEL zum ersten Mal. Der Kooperation vorausgegangen war der rassistische Vorfall zwischen dem dunkelhäutigen Spieler Sena Acolatse (heute Iserlohn Roosters) und Daniel Pietta (ERC Ingolstadt). Letzterer hatte Acolatse mit einer Affen-Geste rassistisch beleidigt. Der Vorfall, begünstigt durch die „Black-Lives-Matter“-Bewegung, hat große mediale Aufmerksamkeit erregt

Bei einem Heimspiel der Eispiraten Crimmitschau gegen die Löwen Frankfurt zeigten rechtsextreme Eishockey-Fans den Hitler-Gruß. Nationalspieler Colin Ugbekile von den Kölner Haien, dessen Vater aus Nigeria stammt, wurde auf seinem Social-Media-Kanal rassistisch beleidigt. Auch Jalen Smereck, der in der ukrainischen Eishockey Liga spielt, wurde von seinem Gegenspieler Andrei Denyskin rassistisch beleidigt – Denyskin vom HK Kremenchuk imitierte das Schälen und Essen einer Banane.

Mittlerweile spielt Smereck für die Bietigheim Steelers in der Penny DEL. Doch auch in Deutschland folgt ihm der Rassismus. Smereck wird auf seinem Social-Media-Kanal mit „Monkey“ und einer geschälten Banane beleidigt. Der ehemalige DEL-Spieler Derek Joslin, der heute in Österreich für den Villacher SV spielt, musste ebenfalls die Affen-Geste über sich ergehen lassen.

Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass der Rassismus im Eishockey nicht so schlimm sei wie beim Fußball. Das höre ich sehr oft von Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind. Die traurige Wahrheit aber ist, dass Players of Color in allene uropäischen Eishockey Profi-Ligen Rassismus erfahren und erdulden müssen. Und das nicht nur auf dem Eis, aus den Fankurven, sondern auch in den sozialen Netzwerken. Die Botschaft ist eindeutig: Ihr seid hier nicht willkommen.

Die Kooperation mit der DEL wurde mit einem Memorandum of Understanding (MoU) besiegelt, das gemeinsame Handlungsrichtlinien beinhaltet, um Eishockey inklusiver zu gestalten. Ein wichtiger Baustein der Zusammenarbeit sind unsere Schulungen zum Thema Rassismus und Diskriminierung. Im letzten Jahr konnten wir die DEL-Teams ERC Ingolstadt und Adler Mannheim schulen sowie die Geschäftsstelle der DEL.

Dicker Mantel des Schweigens

Die Augsburger Panther werden im März dieses Jahres von uns geschult. Mit der Düsseldorfer EG und Krefeld Pinguine stehen wir im Austausch.

Auch wenn wir die Vereinbarung mit der Liga geschlossen haben, so sind die DEL-Teams autonom in ihrer Entscheidung, unser Angebot wahrzunehmen oder eben abzulehnen. Eine Mannschaft aus Bayern etwa lehnte eine Schulung mit der Begründung ab, dass im Verein Diversity gelebt wird. Andere wiederum befürchten ein Shitstorm alteingesessener Fans, die mit einer offensiven Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung vergrault werden könnten.

Es wird lieber ein dicker Mantel des Schweigens darübergelegt, als sich aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung zu engagieren.

Sena Acolatse, derzeit für die Iserlohn Roosters, wurde von einem Gegenspieler rassistisch beleidigt, was für großes Aufsehen sorgte.
Sena Acolatse, derzeit für die Iserlohn Roosters, wurde von einem Gegenspieler rassistisch beleidigt, was für großes Aufsehen sorgte.

© imago images/eu-images

Und das ist nicht verwunderlich. Menschen, die von Rassismus und Diskriminierung nicht betroffen sind, haben alle Zeit der Welt, über ein Engagement nachzudenken, weil Betroffene nicht drei Generationen warten können, bis sich Dinge verändern. Wenn man die Strukturen der Eishockeyklubs in Deutschland genau betrachtet, dann fällt eines besonders auf – die Führungsetagen sind männlich, weiß und homogen zusammengesetzt.

Ein weiterer Baustein unserer Zusammenarbeit mit der DEL ist unsere aktive Teilnahme an den DEL Future Camps. Hier war es uns möglich, die U13- und U15-Spieler: innen zu schulen. Für die Future Camps in Iserlohn und Garmisch-Partenkirchen konnten wir insgesamt vier Coaches of Color entsenden. Die Kosten ihrer Teilnahme wurden komplett von Hockey is Diversity getragen.

Zudem haben wir vier Spieler: innen die Teilnahme an den Camps ermöglicht. Einige warfen uns vor, dass wir People of Color bevorzugen. Aber für uns geht es tatsächlich um gleichberechtigte Teilhabe.

Eine unerträgliche Realität

In der Sportwelt herrscht ein unerträglicher Nepotismus, das ist die Realität. Auf diese Weise werden einige bevorzugt, weil insbesondere Player und Coaches of Color bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung benachteiligt beziehungsweise nicht berücksichtigt werden. Die Sichtbarkeit erfolgreicher Player und Coaches of Color ist gerade für junge Spieler: innen auf dem Eis, hinter der Bande oder auch im Front und Back Office eines Klubs enorm wichtig.

Der Mythos der Meritokratie ist weit verbreitet, nämlich das Leistungen individuell steuerbar und beeinflussbar sind, um es nach oben zu schaffen. Fakt ist, Anstrengungen und Leistungen werden unterschiedlich honoriert.

Im Jahr 2020 hat die nordamerikanische National Hockey League Coaches‘ Association (NHLCA) zwei Programme zur Förderung der Diversität im Eishockey ins Leben gerufen: das NHLCA Bipoc Coaches Program und das NHLCA Female Coaches Development Program.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Diese Programme zielen darauf ab, Dunkelhäutige, Indigene, People of Color und Trainer: innen in den Bereichen Kompetenzentwicklung, Führungsstrategien, Kommunikationstaktiken, Networking und Karrieremöglichkeiten zu fördern und zu unterstützen.

Die Zusammenarbeit mit der NHL CA hat uns ermöglicht, dass wir insgesamt fünf „Hockey-is-Diversity“-Delegierte für Programme zur Förderung von Minderheiten im Eishockey empfehlen konnten. Die Ex-Nationalspielerinnen Kathrin Fring und Miriam Thimm sowie die ehemaligen Spieler Murat Pak, Emanuel Beckford sowie der Franzose Léo Girod werden im Rahmen der NHL Coaches Association Programme in ihrer Entwicklung als Eishockey-Trainerinnen und -Trainer unterstützt.

Derzeit gibt es in keiner der europäischen Profi-Eishockeyligen eine Person of Color als Cheftrainer: in.

Gemeinsam mit der NHL CA hoffen wir, ein Umfeld für Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und ethnischen Hintergründen zu schaffen, in der Diversität und Inklusion Normalität ist und gelebt wird. Unser gemeinsames Ziel ist es, den Einstieg in den Trainerberuf für Menschen, die in unserem Sport unterrepräsentiert sind, zu erleichtern.

Damit unser Sport weltweit wachsen kann, ist es wichtig, in die Entwicklung von Bipoc und Trainerinnen zu investieren, damit sie in unserem Sport erfolgreich sein können. Kinder müssen Menschen sehen, die wie sie aussehen, um zu wissen, dass ihre Träume erreichbar sind. Wir brauchen nicht nur Coaches, sondern auch Kommentator: innen der Spiele und divers besetzte Sportredaktionen.

Hass und Hetze auf Social Media

Im Oktober 2021 konnten wir unser Reporting System veröffentlichen. Es dient dazu, Rassismus und Diskriminierung empirisch zu belegen und sichtbar zu machen. Betroffene oder Zeug: innen können rassistische und diskriminierende Vorfälle melden. Diese Vorfälle werden systematisch erfasst und dokumentiert. Aus der Datenerhebung können konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die uns dabei helfen, unseren Sport inklusiv und divers zu gestalten. Mit dem Reporting System leisten wir einen weiteren Beitrag, konsequent gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen.

Von diesem Reporting System haben bereits einige Betroffene insbesondere aus dem Nachwuchsbereich Gebrauch gemacht. So wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass ein Nachwuchstrainer auf seinem Social-Media-Kanal Hass und Hetze gegenAusländer: innen, Migranten: innen und Geflüchtete verbreitete. Mit handfesten Beweisen konnten wir uns an den Verein wenden. Der Trainer reichte seine Kündigung ein.

Im Oktober 2021 fand eine Premiere im deutschen Eishockey statt. Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Eishockeys organisierte der Oberligist Eisbären Regensburg einen „Hockey-is-Diversity“-Spieltag. Im Vorfeld des Spiels konnten wir die U20-Mannschaft, die Geschäftsstelle und die Profi-Mannschaft zum Thema Rassismus und Diskriminierung schulen.

Hass und Hetze begleiten die Karriere von Jalen Smereck.
Hass und Hetze begleiten die Karriere von Jalen Smereck.

© imago images/Avanti

Im November 2021 konnten wir mit den Krefeld Pinguinen zum ersten Mal in der deutschen Eishockeygeschichte ein Chanukka-Spiel durchführen. Gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Krefeld und Krefeld Pinguine konnten wir das jüdische Lichterfest im Eisstadion feiern. Im Dezember 2021 haben uns die Selber Wölfe, die in der DEL2 spielen, am Internationalen Tag der Menschenrechte einen Spieltag gewidmet.

Mit den „Hockey-is-Diversity“-Spieltagen haben wir ein gemeinsames Zeichen gesetzt: Rassismus und Diskriminierung haben weder in unserem Stadion noch in unserer Gesellschaft etwas zu suchen.

Während viele Klubs und Verbände über ein Engagement zum Thema Rassismus und Diskriminierung nachdenken, gehen einige bereits mit gutem Beispiel voran. Der amerikanische Eishockey Verband (USA Hockey) zum Beispiel brachte im Jahr 2019 eine neue Richtlinie zur Integration von Transgender und nicht-binären Athleten auf dem Weg.

Eklatanter Mangel an Diversität

Der kanadische Eishockeyverband (Hockey Canada) verpflichtet ihre Spieler: innen, Betreuer: innen und Trainer: innen zu obligatorischen Seminaren zum Thema Vielfalt und Inklusion. Hockey Canada möchte damit einen Beitrag zur Chancengleichheit und Gleichberechtigung leisten.

Auch in der Eishockeywelt gilt – wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Und der Eishockey Weltverband IIHF kann kein Maßstab sein, was Diversität und Inklusion anbelangt. Im Gegenteil: Beim 15-köpfigen Council sind nur zwei Frauen vertreten, in seinen 18 Komitees arbeiten insgesamt 134 Personen – davon sind 19 weiblich. In der Hall of Fame wurden 234 Menschen geehrt, die einen großen Beitrag für den Sport geleistet haben – darunter nur 10 Frauen.

Und auch den Platz des 14. Präsidenten in der Geschichte des Weltverbandes hat ein alter weißer Mann eingenommen. Der eklatante Mangel an Diversität des Eishockey-Weltverbandes ist enttäuschend.

Es liegt in unser aller Verantwortung, unsere Plattform dafür zu nutzen, gleichberechtige Teilhabe und Inklusion in unserem Sport voranzutreiben und dafür zu sorgen, die Welt von heute zu repräsentieren und auf den heutigen Stand zu bringen. Die Partnerschaft mit der DEL ist ein Gewinn für beide Parteien. Ein Kulturwandel im Eishockey herbeizuführen, geschieht nicht über Nacht.

Es bedarf Ausdauer und einer kollektiven Anstrengung. Wir hoffen, dass weitere Teams den Mut aufbringen, sich dem Thema zu stellen und so ihren Beitrag für eine inklusive Willkommenskultur im Eishockey leisten.

Wie Martin Luther King einst sagte: „Habe niemals Angst, das Richtige zu tun, vor allem wenn es um das Wohlergehen einer Person […] geht. Die Strafen der Gesellschaft sind gering im Vergleich zu den Wunden, die wir unserer Seele zufügen, wenn wir in die andere Richtung schauen.“

Martin Hyun

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false