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Das ist das Ding. Daniel Engelbrecht mit seinem Defibrillator - das war 2014.

© Daniel Maurer/dpa

Herzprobleme im Fußball: Daniel Engelbrecht: "Fühlt sich an, als verbrenne man innerlich"

Daniel Engelbrecht über Herzprobleme bei Leistungssportlern, seine vielen Operationen und ein Leben mit eingebautem Defibrillator.

Natürlich ging die Nachricht zu den Herzproblemen von Sami Khedira nicht spurlos an ihm vorbei. Daniel Engelbrecht spielte im November 2012 59 Minuten in der Zweiten Liga für den VfL Bochum, danach wechselte er zum Drittligisten Stuttgarter Kickers. Der 20. Juli 2013 veränderte sein Leben. Engelbrecht brach nach einem Herzstillstand auf dem Platz zusammen und musste reanimiert werden. Diagnose: Herzmuskelentzündung und chronische Herzrhythmusstörungen. Es folgten vier Operationen, ihm wurde ein Defibrillator im Brustkorb eingesetzt. Er ist bis heute der einzige Profifußballer in Deutschland, der mit einem solchen gespielt hat. Heute ist der Co-Trainer der U19 des VfL Bochum.

Sie haben sicherlich vor ein paar Tagen relativ schnell von den Herzproblemen von Sami Khedira erfahren. Können Sie beschreiben, was Ihnen da durch den Kopf ging?

Ich habe in erster Linie gehofft, dass es bei ihm nicht so dramatisch ist, wie es bei mir war. Und zum Glück war es dann auch nicht so. Ich denke, er hat eben ein paar Aussetzer und Unregelmäßigkeiten, die in seinem Gewebe stattgefunden haben. Und durch die Verödung, die scheinbar erfolgreich verlaufen ist, wird hoffentlich alles wieder in Ordnung sein. Ich kann nachvollziehen, dass sich bei ihm in dem Moment, als er Herzrasen hatte, wahrscheinlich ein bisschen Panik breitgemacht hat. Aber es ist ja alles gut gegangen. Wenn er jetzt eine Herzmuskelentzündung gehabt hätte, die dann lebensgefährliche Narben auf dem Gewebe hinterlassen hätte, sähe es natürlich schlimmer aus.

Mussten Sie auch an Ihre eigene Geschichte denken, als Sie das gehört haben?

Ja, klar. Das war für mich wieder so eine Bestätigung dafür, dass ich seit Jahren darauf aufmerksam mache, dass die Ärzte gründlich die Herzen kontrollieren beziehungsweise die Sportler ein bisschen mehr Eigenverantwortung übernehmen und ihr Herz untersuchen lassen sollen. Es kommt vor, egal auf welchem Niveau, dass Fußballer Herzprobleme haben, gerade wenn sie eine Erkältung oder Grippe „übergehen“ und trotzdem trainieren.

Was genau war damals der Auslöser für Ihren Herzstillstand?

Eine verschleppte Herzmuskelentzündung. Ich bin dann im Spiel bewusstlos zusammengebrochen.

Wissen Sie noch wie Sie den 20. Juli 2013, den Tag Ihres ersten Herzstillstandes, erlebt haben?

Davor habe ich mich super gefühlt, ich war in der Form meines Lebens. Die Herzrhythmusstörungen kamen einfach aus dem Nichts. Ich habe gemerkt, wie mir schwindelig wurde, schwarz vor Augen, ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Ich habe nichts mehr gehört, nichts mehr gesehen. Man muss sich das so vorstellen, als wenn man sich die Haare föhnt. Der Föhn kann so schön aussehen und so neu und hochwertig sein, wie er will – wenn man den Stecker zieht, funktioniert der Föhn nicht mehr. Dann ist es vorbei. So ist es mit uns Menschen auch. Man kann so fit aussehen, man kann so gesund sein, wie man will – wenn das Herz nicht mitmacht, ist es, als wenn jemand den Stecker zieht. Dann bricht man einfach zusammen und hat keine Kraft mehr.

Es folgten vier Operationen, Ihnen wurde ein Defibrillator eingesetzt. War das alles auch für den Alltag nötig oder nur, um wieder Leistungssport machen zu können?

Ich könnte auch ohne Defibrillator leben, aber ich wollte unbedingt wieder Fußball spielen und dafür war er die absolute Voraussetzung.

Wie ist das Leben mit Defibrillator? Merken Sie ihn im Alltag? Reagiert Ihr Körper mit ihm anders, wenn Sie sich anstrengen?

Nein, der Defibrillator verändert nichts. Er ist einfach nur da, wenn das Herz außer Takt gerät, damit ich geschockt werde und er mich sozusagen zurück ins Leben holt. Das ist der einzige Grund, warum er da ist.

Und wie fühlt sich so ein Schock an?

Das ist das schlimmste Gefühl, das ich jemals hatte. Es fühlt sich an, als wenn man innerlich verbrennt, als wenn man stirbt. Ich hatte es zum Glück erst dreimal – einmal im Krankenhaus, einmal im Spiel und einmal im Training.

Im November 2014 kehrten Sie als erste Fußballprofi in Deutschland mit Defibrillator zurück auf den Platz – und wurden auch gleich Drittliga-Spieler des Monats. Haben Sie damals gedacht, dass es mit den Herzproblemen vorbei ist?

Nein, ich habe ja immer wieder gespürt, dass da noch was ist. Also abgeschlossen damit habe ich nie.

Wie oft haben Sie in den knapp eineinhalb Jahren Pause zwischen Juli 2013 und November 2014 darüber nachgedacht, Ihre Karriere zu beenden?

In der Zeit hat der Gedanke aufzuhören, gar keine Rolle gespielt. Es gab für mich nur einen Weg. Und der war, wieder zu spielen.

Als Sie im Sommer 2017 zu Rot-Weiß Essen wechselten, brachen Sie auf dem Trainingsplatz wieder zusammen. Nun entschieden Sie sich auf Rat des Arztes, den Leistungssport ruhen zu lassen. Warum diesmal?

Es war einfach mittlerweile ein riesiges Risiko, immerhin hatte ich bereits meine sechste Operation hinter mir. Da habe ich mir gedacht, dass ich kürzertreten sollte. Der Arzt hat mir gesagt, dass ich es doch endlich mal sein lassen sollte, weil ich sonst unter der Erde lande. Die letzte OP war nicht so erfolgreich, dass ich hätte sagen können, es funktioniert wieder. Ich habe einfach keinen Unterschied gemerkt.

Warum so viel Risiko? War die Liebe zum Fußball größer als die Vernunft, auf den Körper zu hören?

Ich glaube, ich würde es immer wieder so machen, weil die Liebe zum Fußball so groß ist. Aber ich habe es bis zum Äußersten ausgereizt. Letztlich hat nicht die Vernunft gesiegt, sondern der Wille zu leben.

Finden Sie denn generell, dass dem Thema Herzprobleme in Fußball-Deutschland zu wenig Aufmerksamkeit gegeben wird?

Definitiv. Ich weiß ja, wie die sportmedizinischen Untersuchungen laufen, hatte selbst zig davon. Die müssten intensiver stattfinden, da muss das Herz genauer untersucht werden.

Sehen Sie konkret die Vereine in der Pflicht?

Nicht nur, auch die Spieler selbst. Gerade bei Vereinen in unteren Regionen, wo das Geld auch mal knapp ist, müssen Spieler Eigenverantwortung übernehmen und sich beim Arzt durchchecken lassen. Das ist was anderes als Bänderrisse. Beim Herzen geht es um Leben und Tod.

Ist der Druck, funktionieren zu müssen, zu hoch? So hoch, dass gesundheitliche Probleme oder Langzeitschäden in Kauf genommen werden?

Mittlerweile ist es ja so, dass in Nachwuchsleistungszentren die Ausbildung besser wird, wodurch immer wieder Spieler nachkommen, weil die Leistungsdichte zunimmt. Das kann zur Folge haben, dass die Spieler einfacher ausgetauscht werden können, wenn jemand mal außer Form ist. Deshalb denken einige, dass sie auch dann was leisten müssen, wenn sie krank sind, weil sie sonst ersetzt werden. Und da schaut man gerne mal über so eine Krankheit hinweg.

In Ihrer jetzigen Position als Co-Trainer der U19 des VfL Bochum: Wenn Sie einen Schützling sehen, der sich trotz Erkrankung zum Training schleppt, was sagen Sie zu ihm? Werden Sie sauer, weil Sie wissen, wie gefährlich das ist?

Das auf jeden Fall. Der ein oder andere traut sich nicht, es mir zu sagen, wenn er erkältet ist, weil er weiß, wie ich darauf reagiere. Ich mache denen dann natürlich eine Ansage und frage, ob sie irgendwann mal so rumlaufen wollen wie ich. Wenn jemand einen Bänderriss hatte oder mit Schmerzen am Fuß trainiert, dann sage ich: Komm, beiß auf die Zähne und mach weiter! Aber wenn es ums Herz geht, reagiere ich schon extrem sensibel.

Im März 2018 wollten Sie eigentlich nur eine Pause bis Ende des Jahres machen, sind nun aber Trainer. Haben Sie mit dem Fußballspielen abgeschlossen?

Stand jetzt: Ja. Deshalb konzentriere ich mich erstmal darauf. Ich bin traurig, dass ich die Fußballerkarriere schon so früh aufgeben musste, aber auch froh, jetzt Trainer zu sein.

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