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"Ein absoluter Allrounder". Herthas Trainer Ante Covic (r.) lobt seinen Neuzugang Eduard Löwen.

© Metodi Popow/imago images

Herthas Eduard Löwen überzeugt im Trainingslager: Leichter eingewöhnt als gedacht

Im Trainingslager ist zu sehen, was Herthas Neuzugang Eduard Löwen dem Team geben kann. Dabei war er am Wochenende gar nicht da – wegen seiner eigenen Hochzeit.

Vladimir Darida hatte es sich in der Eistonne bequem gemacht, die meisten Spieler von Hertha BSC saßen bereits im Mannschaftsbus, nur für Eduard Löwen war der erste Arbeitstag der Woche noch längst nicht zu Ende. Der 22-Jährige rannte auf dem Trainingsplatz die Seitenlinie entlang, von rechts nach links, von links nach rechts und dann wieder von vorne.

Eine gute halbe Stunde dauerte das Extraprogramm unter Aufsicht von Herthas berüchtigtem Fitnesstrainer. „Das war ein kleines Hochzeitsgeschenk von Henrik Kuchno“, sagte Chefcoach Ante Covic. „Wär‘ nicht nötig gewesen“, entgegnete Löwen, der von der zusätzlichen Laufeinheit überrascht worden war. „Ich habe genug Geschenke bekommen.“

Löwen hatte am Montag noch ein bisschen was nachzuarbeiten, nachdem er am Wochenende das Training versäumt hatte. Aus dem Burgenland hatte es ihn für zwei Tage in die alte Heimat, nach Rheinland-Pfalz, verschlagen, wo Löwen bei einer Hochzeit erwartet wurde: bei seiner eigenen. Der Termin war nicht gerade günstig gewählt, aber er stand eben schon seit einem halben Jahr fest. „Dem steht man dann als Trainer nicht gerne im Weg“, sagte Ante Covic.

Nicht nur wegen seiner Hochzeit ist das Jahr 2019 für Eduard Löwen ein besonderes. Da war zuerst einmal der Abstieg mit dem 1. FC Nürnberg und der der daraus resultierende Abschied vom Club. Es folgte die U-21-Europameisterschaft, die für Löwen zwar mit Platz zwei endete, aber eben auch mit einer persönlichen Enttäuschung. Als einer von vier deutschen Feldspielern war er bei keinem einzigen der fünf Turnierspiele zum Einsatz gekommen. „Das hat ziemlich auf mir gelastet“, erzählt er. „Ich kann es überhaupt nicht ertragen, auf der Bank zu sitzen.“

Löwen ist ein Allrounder für die Zentrale

Angesichts all dieser besonderen Umstände ist Löwen selbst ein bisschen überrascht, wie leicht ihm die Eingewöhnung bei Hertha bisher gefallen ist. „Gerade am Anfang habe ich es mir nicht so gut vorgestellt“, sagt er. Als der Neue aus Nürnberg vorige Woche beim Test gegen Fenerbahce Istanbul (2:1) zum ersten Mal im Trikot des Berliner Fußball-Bundesligisten auflief, war mehr als nur zu erahnen, was er der Mannschaft geben kann. Löwen, groß und stark, brachte Zug in Herthas Spiel.

Gut integriert. Eduard Löwen (M.) hat sich bei Hertha BSC schnell eingewöhnt.
Gut integriert. Eduard Löwen (M.) hat sich bei Hertha BSC schnell eingewöhnt.

© Metodi Popow/imago images

„Er ist ein absoluter Allrounder, der im zentralen Sektor alles spielen kann, als Achter, als Teil einer Doppelsechs oder als alleiniger Sechser“, sagt Trainer Covic. Einen enormen Willen bescheinigt er Löwen, eine gute Schlagtechnik und eine starke Physis. Zudem besitze er eine große Gabe: „Er hat keine Angst, die Bälle zu fordern, auch nicht in Bedrängnis.“

Die Einschätzung des Trainers deckt sich mit Löwens Selbstwahrnehmung: „Das Wichtigste an meinem Spiel ist, dass ich viele Bälle bekomme.“ Als Box-to-Box-Spieler sieht er sich. Löwen hat aber auch schon als Verteidiger ausgeholfen und im Sturm gespielt. „Ich bin defensiv relativ gut“, sagt er. „Meine Qualitäten liegen allerdings mehr in der Offensive.“ Eine gewisse Vielseitigkeit dürfte an seinem neuen Arbeitsplatz kein Nachteil sein. Im zentralen Mittelfeld ist der Andrang mit sieben Kandidaten für gerade mal drei Plätze besonders groß. „Ich weiß natürlich, dass es sehr schwer wird“, gesteht Löwen, mit sieben Millionen Euro Ablöse immerhin Herthas bisher teuerste Verpflichtung in diesem Sommer. Aber er macht nicht den Eindruck, dass ihm diese Situation besondere Ängste bereitet.

Der bibeltreue Christ lehnt Tätowierungen und Alkohol ab

Bisher scheinen sich die wechselseitigen Erwartungen zu erfüllen. „Ich war mir recht schnell sicher, dass Hertha der richtige Verein ist“, sagt Löwen, der vor seiner Entscheidung unter anderem Erkundigungen bei seinen Kollegen aus der U 21 einholte, vor allem bei Maximilian Mittelstädt. „Der kam sich vor wie bei ,Wer wird Millionär?‘“, erzählt Löwen. So viele Fragen hatte er an Mittelstädt, der „so gut wie nur Positives“ über Hertha berichtet habe. Letztlich sei es aber das Gespräch mit Trainer Covic gewesen, das ihn überzeugt habe: „Ich habe gemerkt, dass er sich sehr mit meiner Person auseinander gesetzt hat.“

Eduard Löwen, in Deutschland geborener Sohn einer russlanddeutschen Familie aus Sibirien, hinterlässt einen sehr aufgeräumten Eindruck, klar, entschlossen und jederzeit um Kontrolle bemüht. Als bibeltreuer Christ lehnt er Tätowierungen ab, Aberglaube ist ihm fremd, mit Ritualen kann er nichts anfangen und Alkohol hat er selbst bei seiner Hochzeitsfeier gemieden. Partys seien noch nie sein Ding gewesen, erzählt er. Nur nach dem Bundesligaaufstieg mit dem 1. FC Nürnberg im Frühjahr 2018 hat er sich der Ekstase um sich herum nicht entziehen können und sich ein bisschen gehen lassen: „Da hab‘ ich ein alkoholfreies Bier getrunken.“

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